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Kann Stillen Kinder vor Leukämie schützen?

Mutter stillt Säugling an der Brust
Stillen hat zahlreiche positive Wirkungen für das Baby. | Bild: Анастасія Стягайло / AdobeSTock

Nichts schneit so perfekt und gleichzeitig unperfekt zu sein, wie die Natur. Zu diesem Schluss lässt sich etwa gelangen, wenn man die vielfältigen Studien und Berichte über die Wirkung des Stillens auf die Säuglinge – und auch die Mütter – betrachtet.

Zahlreiche positive Wirkungen sind mittlerweile durch lange Jahre der Forschung und zahlreiche Studien belegt. So darf als gesichert gelten, dass Muttermilch schützt:

  • Akut aktiv in der ersten Phase durch Antikörper gegen verschiedene Krankheitserreger.
  • Längerfristig während des Stillens unter anderem durch Defensine und andere Abwehrstoffe etwa vor Magen-Darm-Infekten und anderen Infektionskrankheiten.
  • Vor der Entwicklung von Allergien.
  • Vor dem plötzlichen Kindstod – das Risiko wird multifaktoriell durch Stillen vermindert.
  • Über das Stillen hinaus noch viele Jahre unter anderem vor Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und auch Leukämie.

Gerade zum letzten Punkt, dem Schutz vor Leukämie, gibt es aktuell eine neue Studie, die die Schutzwirkung noch einmal untermauert.

Studie: Geringeres 34 Prozent geringeres Erkrankungsrisiko durch Stillen

Dänische Forschende um die Erstautorin und Epidemiologin Signe Holst Søegaard vom Dänischen Krebsinstitut in Kopenhagen haben in einer „registerbasierten Kohortenstudie“JAMA Networl: "Exclusive Breastfeeding Duration and Risk of Childhood Cancers"; Stand: 03/2024 , die sich auf Daten aus dem dänischen „Nationale Børnedatabase“-Register bezieht, festgestellt, dass Kinder, die länger als drei Monate von ihren Müttern gestillt werden, im weiteren Verlauf ihrer Kindheit ein um 34 Prozent reduziertes Risiko haben, an akuter lymphatischer Leukämie (ALL) zu erkranken.

Gut zu wissen: Was ist die akute lymphatische Leukämie?

Die akute lymphatische Leukämie ist eine Form des Blutkrebses, die von entarteten Vorläuferzellen der weißen Blutzellen ausgeht. Sie gilt als die häufigste Krebserkrankung im Kindesalter – in Deutschland mit rund 500 Neuerkrankungen bei Kindern pro Jahr, also insgesamt eher selten. Im Jahr 2023 gab es insgesamt 692.989 Neugeborene in Deutschland und Stand 2023 15,9 Millionen Kindern und Jugendliche unter 20 Jahren.

Diese „Nationale Kinderdatenbank“ wird von der dänischen Behörde für Gesundheitsdaten verwaltet. Erfasst werden unter anderem „die Daten über Größe und Gewicht dänischer Kinder sowie Daten darüber, wie viele Neugeborene zu Hause Tabakrauch ausgesetzt sind und wie lange Säuglinge gestillt werden.“

Die Dänen konnten dem Register die Daten der 81 Kinder entnehmen, die in den Jahren 2005 bis 2018 in Dänemark an dieser häufigsten Krebsart im Kindesalter erkrankt waren – und gemäß der Angaben ihrer Mütter über die Art des Stillens beziehungsweise Fütterns im Vergleich mit der gesamten Kohorte der in der Zeit geborenen Kinder Risikoberechnungen vornehmen. 

Kein Zusammenhang mit anderen Krebsarten

Verglichen die Forschenden nun die Gruppe der „exklusiv Muttermilch gestillten Kinder“ mit der, die anders gefüttert wurden, kamen sie auf das reduzierte Risiko. 

Die Forschenden untersuchten dabei auch das Risiko für andere Krebsarten wie Tumoren des Zentralnervensystems (ZNS) oder solide Tumoren und fanden dazu jedoch keinen Zusammenhang mit dem Stillen.

„In der gesamten Kohorte wurden 104.132 Kinder (33,6 %) weniger als drei Monate lang ausschließlich gestillt. Bei denjenigen, bei denen eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde, lag dieser Anteil bei 127 (38,3 %), und bei denjenigen, bei denen ALL diagnostiziert wurde, bei 34 (42,0 %)“, heißt es in der Veröffentlichung im JAMA Network Open.

Länge des Stillens reduziert Risiko für Leukämie-Erkrankung

In ihren Schlussfolgerungen schreiben die Autoren: „In dieser registerbasierten Kohortenstudie stellten wir fest, dass eine längere Dauer des ausschließlichen Stillens – das heißt über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten – mit einem geringeren Risiko für BCP-ALL (B-Zell-Vorläufer-ALL) im Kindesalter verbunden war.  

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit neuen Untersuchungen, die eine frühe Reifung des Darmmikrobioms bei der Entstehung von BCP-ALL im Kindesalter vermuten lassen. Um künftige präventive Interventionen zu ermöglichen, sollten weitere Studien die biologischen Mechanismen untersuchen, die dem beobachteten Zusammenhang zugrunde liegen.“

Forschung seit über 30 Jahren – Wirkmechanismus weiter unbekannt

Der Zusammenhang mit dem Stillen wird seit über 30 Jahren erforscht – bereits aus den 90er-Jahren gibt es Studien, die die schützende Wirkung des Stillens statistisch belegen und mit dieser Studie nun erneut untermauert wurden.  

2022 gab es eine größere Meta-AnalyseInternational Journal of Cancer: "Infant feeding practices and childhood acute leukemia: Findings from the Childhood Cancer & Leukemia International Consortium"; Stand: 05/2022  des „Childhood Cancer and Leukemia International Consortium“, untersucht wurde der mögliche Einfluss der Muttermilch mit all ihren positiven Inhaltsstoffen etwa auf das sich ausbildende Darmmikrobiom der Neugeborenen und wiederrum dessen Einfluss auf die Immunzellen, die an den Darmbakterien zum Teil „trainieren“. Maus-Experimente belegen diesen Zusammenhang.

Erschwert wird die Ermittlung des genauen biologische Wirkzusammenhangs unter anderem dadurch, dass es für die zur akuten lymphatischen Leukämie führenden Genschäden bislang trotz aller Forschung keine konkret fassbare Ursache gibt.  

Es gibt zwar eine Reihe von Risikofaktoren, aber bislang keine kausale Erklärung. Dementsprechend wird es in der Zukunft noch weitere Forschung geben müssen um, wie ja auch die Forscher schreiben die „biologischen Zusammenhänge“ aufzudecken.

T-Zell-Leukämie-Virus über Muttermilch übertragbar

Dass auf der anderen Seite die Natur eben nicht perfekt ist, zeigt ausgerechnet im Zusammenhang mit Leukämie, dass mit der Muttermilch das humane T-Zell-Leukämie-Virus Typ 1 übertragen werden kann. Allerdings ist dieses Virus selten (kommt in Europa beispielsweise nicht vor) und verursacht andere – später auftretende Formen – der Leukämie.  

Insgesamt aber ist die dänische Studie ein weiterer Beleg dafür, dass Muttermilch wahrscheinlich die beste Alternative bei der Ernährung Neugeborener darstellt. Quellen:
- AOK-Gesundheitsmagazin; Stillen: mehr als nur Ernährung für Ihr Kind; 11. Mai 2023; https://www.aok.de/pk/magazin/familie/baby-kleinkind/stillen-warum-es-so-gesund-ist/
- Søegaard SH, Andersen MM, Rostgaard K, et al. Exclusive Breastfeeding Duration and Risk of Childhood Cancers. JAMA Netw Open. 2024;7(3):e243115. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.3115 https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2816747
- Den Nationale Børnedatabase (BDB); Die dänische Behörde für Gesundheitsdaten „Sundhedsdatastyrelsen“; Webauftritt; https://sundhedsdatastyrelsen.dk/da/registre-og-services/om-de-nationale-sundhedsregistre/graviditet-foedsler-og-boern/boernedatabasen
- Schraw JM, Bailey HD, Bonaventure A, et al. Infant feeding practices and childhood acute leukemia: Findings from the Childhood Cancer & Leukemia International Consortium. Int J Cancer. 2022; 151(7): 1013-1023. doi:10.1002/ijc.34062 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ijc.34062
- Percher F, Jeannin P, Martin-Latil S, Gessain A, Afonso PV, Vidy-Roche A, Ceccaldi P-E. Mother-to-Child Transmission of HTLV-1 Epidemiological Aspects, Mechanisms and Determinants of Mother-to-Child Transmission. Viruses. 2016; 8(2):40. https://doi.org/10.3390/v8020040 https://www.mdpi.com/1999-4915/8/2/40
 

Die Weltstillwoche auf PTAheute.de

Stillen ist ein großes Thema für frisch gebackene Mütter nach der Geburt ihres Kindes. Denn: Stillen ist für die Gesundheit des Neugeborenen und der Mütter wichtig.

Seit 1991 wird jährlich in über 120 Ländern die Weltstillwoche begangen. Sie findet immer in der 40. Kalenderwoche eines Jahres statt und markiert damit symbolisch das Ende einer Schwangerschaft (40 Wochen) und den Beginn der Stillzeit. In diesem Jahr macht die Weltstillwoche unter dem Motto „Stillfreundliche Strukturen. Für alle.“ auf fehlende stillfreundliche Rahmenbedingungen für Mütter aufmerksam.

Auf PTAheute.de unterstützen wir diese Aktion mit ausgesuchten Beiträgen zur Weltstillwoche.

Wir erklären, wie Muttermilch entsteht, stellen Alltagshelfer für das Stillen und Stillhilfsmittel bei wunden Brustwarzen vor. Außerdem finden Sie Informationen zu Nahrungsmitteln in der Stillzeit, Brusternährungssets und welche Arzneimittel in der Stillzeit kontraindiziert sind.

Wir beschäftigen uns außerdem mit dem Problem, wenn Stillen zur Belastung wird, dem Thema Säuglingsnahrung sowie den Auswirkungen des Stillens auf das Leukämie-Risiko und das Mikrobiom des Kindes.

Übrigens: Haben Sie in der Apotheke eine Ecke für Mütter zum Stillen oder wollen eine einrichten? Dann können Sie sich bei uns entsprechende Stillplakate downloaden und damit in der Apotheke Aufmerksamkeit erzeugen.

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