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Wie funktionieren Alzheimer-Bluttests?

Morbus Alzheimer ist eine jener Erkrankungen, deren Pathomechanismus immer besser verstanden wird – ohne dass es allerdings bereits gut funktionierende Ansätze für die Heilung gäbe.
Gleichzeitig ist sie eine der Krankheiten, deren Inzidenz mit dem steigenden Alter eines Großteils der Weltbevölkerung immer mehr ansteigt und für deren Behandlung unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen entsprechend immer dringenderen Bedarf sieht.
Alzheimer: Biomarker im Blut für Diagnose
Während allerdings auf der einen Seite das Interesse an der Erforschung von Arzneimitteln gegen Demenz wegen vieler wissenschaftlicher Rückschläge und hoher Kosten sinkt, ermöglicht auf der anderen Seite das gute Verständnis über die Erkrankung, dass eine ganze Reihe von Wissenschaftlern und Pharmaunternehmen sich damit beschäftigen, wie sich mit einem Bluttest schnell und einfach Alzheimer diagnostizieren lässt. Und das sogar Jahrzehnte, bevor die ersten Symptome sich manifestieren.
Biomarker im Blut sind dabei der Schlüssel – und deutlich niederschwelliger als bisherige zugelassene Tests, die entsprechende Marker im Liquor (also der Rückenmarksflüssigkeit, auch „Nervenwasser“ genannt) finden, oder aufwändigere computertomographische oder nuklearmedizinische Untersuchungen (z. B. die Positronen-Emissions-Tomographie (PET)).
Alzheimer im Frühstadium: Test in den USA bereits zugelassen
In den Vereinigten Staaten ist bereits seit dem Jahr 2021 ein Bluttest zugelassen: der Precivity AD-Bloodtest. Er misst das Verhältnis der Peptide Beta-Amyloid-40 (Aβ40) und Beta-Amyloid-42 (Aβ42) zueinander.
Ein höherer Anteil von Aβ42 deutet bei Patienten mit ersten Symptomen einer Demenz daraufhin, dass es sich wahrscheinlich um eine Alzheimer-Erkrankung handelt. In Europa ist der Test zwar grundsätzlich ebenfalls zugelassen, wird aber nur im Rahmen wissenschaftlicher Studien eingesetzt.
Gut zu wissen: Was sind Beta-Amyloid-40 und Beta-Amyloid-42?
Beta-Amyloid (kurz Aβ) ist der Name zweier Proteine, die natürlicherweise im Gehirn vorkommen und dort wohl zum einen eine antibakterielle Wirkung haben und zum anderen eine Rolle bei der Reizweiterleitung spielen. Die exakte biologische Funktion ist noch Gegenstand der Forschung.
Bekannt dagegen ist die Rolle der beiden Proteine, die nach ihrer Länge in Aminosäuren als Beta-Amyloid-40 (Aβ40) und Beta-Amyloid-42 (Aβ42) benannt sind, bei der Entstehung der Alzheimer-Krankheit.
Die Proteine aggregieren dabei übermäßig und bilden sogenannte senile Plaques. Insbesondere Aβ-42-Plaques sind dabei neurotoxisch, dominieren bei Alzheimer und führen zum Untergang neuraler Zellen.
Neuere Studien konnten den Test klinisch validieren – er funktioniert allerdings erst in einem frühen Stadium der Erkrankung.
pTau217 im Blut als Alzheimer-Marker
Eine noch präzisere Diagnostik bietet neueren Studien zufolge ein Test, der das Protein Phospho-Tau 217 (pTau217) aus dem Blut detektiert. Mehrere Forschungsgruppen weltweit, auch in Deutschland – unter anderem an der Universität Greifswald –, arbeiten derzeit daran, Bluttests auf die phosphorylierte Form des Tau-Proteins zu etablieren.
Die Hoffnung der Forschenden dabei ist, Demenzerkrankungen bereits sehr früh, idealerweise schon vor dem Auftreten erster Symptome zu erkennen.
Gut zu wissen: Was ist pTau217?
pTau217 ist die übermäßig phosphorylierte Form des Tau-Proteins. Dieses findet sich natürlicherweise im Zytosol (dem flüssigen Anteil des Zytoplasmas) von Nervenzellen und spielt eine Rolle beim korrekten Zusammenbau der Mikrotubuli. In den Axonen der Neuronen sorgt es dabei für die Ausbildung und Aufrechterhaltung dieser „Leitungsbahnen“.
Wird das Tau-Protein übermäßig phosphoryliert, kann es aggregieren und sogenannte Alzheimer-Fibrillen bilden. Das sind funktionslose Aggregate des Zytoskeletts, die die normale Funktion der Axone der Neuronen behindern können. pTau lässt sich im Liquor, aber auch im Blut nachweisen.
Bluttests ermöglichen präzisere Diagnostik
Zumindest hinsichtlich der Diagnostik in einem frühen Stadium könnten Bluttests in naher Zukunft die bisherigen aufwändigeren Standardmethoden aus dem Liquor ablösen.
Amerikanische und schwedische Forschende konnten so vor Kurzem zeigen, dass in den USA bereits zugelassene Bluttests auf pTau217 und Aβ gleich gute oder sogar überlegen gute Diagnose-Ergebnisse für die Alzheimer-Erkrankung liefern wie die etablierten Tests aus dem Liquor.
Kombinierte Bluttests für diese beiden Biomarker lieferten in einer schwedischen Studie sogar deutlich bessere und präzisere Ergebnisse als die Standardtests. Bis zur Marktreife dieser kombinierten Tests kann es aber noch einige Zeit dauern.
mRNA im Blut als Marker für Alzheimer
Einen gänzlich anderen Ansatz für einen frühzeitig wirksamen Bluttest verfolgen dagegen deutsche und amerikanische Forschende. Vor Kurzem veröffentlichten die Teams im Fachmagazin „Alzheimer’s & Dementia“ zwei Artikel, in denen sie MicroRNAs (mRNAs) als Biomarker für Demenzerkrankungen vorschlugen.
„Wir brauchen nicht nur bessere Therapien zur Behandlung von Alzheimer, sondern auch neue Ansätze, um diese Erkrankung zu erkennen – und zwar frühzeitig, wenn Symptome einer Demenz, wie Gedächtnisstörungen, zwar noch nicht auftreten, sich die Krankheit aber bereits im Verborgenen entwickelt“, erklärt André Fischer, Forschungsgruppenleiter am DZNE (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen) Standort Göttingen und Professor für Epigenetik neurodegenerativer Erkrankungen in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG).
„Wir haben herausgefunden, dass dies über eine Messung von MicroRNAs im Blut möglich ist. Frühere Ergebnisse deuteten bereits darauf hin, nun konnten wir sie an einem großen Studienkollektiv bestätigen. Unsere Untersuchungen zeigen insbesondere, dass man anhand von MicroRNAs nicht nur eine Alzheimer-Demenz erkennen kann, sondern auch solche Menschen, die kognitiv nur leicht beeinträchtigt sind, aber ein hohes Risiko haben, innerhalb der nächsten zwei Jahre eine Demenz tatsächlich zu entwickeln.“
Mittels künstlicher Intelligenz konnten die Forschenden bestimmte Verteilungsmuster verschiedener mRNAs im Blut zeigen, die mit Demenzerkrankungen oder einem Risiko dafür assoziiert sind. Diese Tests sind allerdings noch in einem sehr frühen Stadium der Forschung und von einer klinischen Anwendung weit entfernt.
Neue Biomarker für sehr frühzeitige Alzheimer-Diagnose
Chinesische und britische Forschende arbeiten ebenfalls an einem Bluttest auf Demenzerkrankungen, der sogar bis zu 15 Jahre vor dem Auftreten erster Symptome ein Risiko anzeigen soll. Im Fachmagazin „Nature“ veröffentlichten sie im Februar 2024 eine Arbeit „Early dementia diagnosis: blood proteins reveal at-risk people“ , in der sie ihren Ansatz vorstellten.
Die Forschenden der University of Warwick und der Fudan University in Shanghai hatten aus Blutproben von 52.645 Probanden aus der UK Biobank mittels auf künstlicher Intelligenz und Maschinenlernen basierender Methoden 1.463 Blutproteine analysiert.
Sie konnten insgesamt elf Biomarker bestimmen, die als Prädiktoren für eine spätere Demenz fungieren. Laut den Forschenden sei ihre Methode auf einem guten Weg zur Anwendungsreife.
Ethische Bedenken bei Langzeittests auf Alzheimer
Etablierte Diagnostik setzt in der Regel erst an, wenn Betroffene bereits erste Symptome entwickelt haben. Damit lassen sich zumindest leichtere, weniger progressive Formen der Demenz von der oft schnell voranschreitenden Alzheimer-Erkrankung unterscheiden – und mittlerweile gegebenenfalls mit einem Wirkstoff wie Lecanemab ein Voranschreiten der Erkrankung bremsen.
Zu Erinnerung: Was ist Lecanemab?
Der Wirkstoff Lecanemab, der unter dem Handelsnamen Leqembi® vertrieben wird, ist ein monoklonaler Antikörper, der gegen die Aβ-Plaques gerichtet ist.
Der Wirkstoff verzögert das Voranschreiten der Erkrankung, ohne Alzheimer heilen zu können. Geeignet ist er ausschließlich für Erkrankte in einem frühen Krankheitsstadium, die bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben.
Am 14. November 2024 hat sich der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ebenfalls für eine Zulassung des Wirkstoffs ausgesprochen. In den USA ist er bereits seit dem Jahr 2023 durch die FDA zugelassen.
Viele Tests in der Entwicklung sollen allerdings bereits viele Jahre im Voraus das Risiko für Demenzerkrankungen aufzeigen – ohne dass es bislang eine echte kurative Therapie gäbe. Mit Lecanemab lässt sich schließlich die Alzheimer-Erkrankung bislang nur ausbremsen und das auch nicht bei allen Betroffenen.
Für solche Langzeittests gibt es daher ethische Bedenken, solange es noch keine echte Therapie gibt. Insofern sind zumindest in Europa die Chancen auf Zulassung für viele Früherkennungstests eher gering, während Bluttests in den frühen Phasen der Erkrankung wegen ihrer Einfachheit, geringerer Kosten und wohl guten diagnostischen Zuverlässigkeit bald die bisherigen Methoden ablösen könnten.
Fazit: Bluttests könnten Liquortests ablösen
Bisherige molekularbiologische Tests auf die Alzheimer-Erkrankung erfordern in der Regel eine Analyse des Liquors. Die Gewinnung dieser Proben ist relativ aufwändig, mit einem gewissen Risiko verbunden und eher teuer.
Einfacher wären derzeit in Europa noch nicht in der Praxis zugelassene Bluttests. Neben den bislang bereits aus den Liquor-Tests bekannten Biomarkern Aβ und pTau werden weitere Protein-Biomarker, aber auch mRNAs, als Prädiktoren für Demenzerkrankungen via Bluttests erforscht.
Für Tests in der frühen Phase der Erkrankung, wenn erste Symptome auftreten, werden wahrscheinlich in naher Zukunft Bluttests die bisherigen Liquortests ablösen – sie sind günstiger, weniger aufwändig und risikoärmer. In etlichen Studien konnten sie bereits ihre Zuverlässigkeit unter Beweis stellen.
Tests, die mehrere Jahre vor dem Auftreten von Symptomen ein Demenz- oder Alzheimer-Risiko aufzeigen sollen, sind zwar ebenfalls in der Entwicklung. Aus ethischen Gründen dürften diese aber nur geringe Chancen auf Zulassung haben, solange noch kein Heilmittel für Alzheimer entdeckt worden ist.
Erste nach vielen Rückschlägen funktionierende Ansätze einer Therapie wie der Wirkstoff Lecanemab (der kein Heilmittel ist) machen aber Hoffnung auf zukünftige Erfolge. Quellen:
https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/dementia
https://www.alzheimer-forschung.de/aktuelles/meldung/erster-bluttest-auf-alzheimer-erhaelt-marktzulassung/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38491912/
https://flexikon.doccheck.com/de/Beta-Amyloid
https://jamanetwork.com/journals/jamaneurology/fullarticle/2813751
https://www.mdr.de/wissen/medizin-gesundheit/alzheimer-frueherkennung-bluttest-100.html
https://www.nature.com/articles/s41591-024-02869-z#Abs1
https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2821669?resultClick=1
https://flexikon.doccheck.com/de/Tau-Protein
https://www.dzne.de/aktuelles/pressemitteilungen/presse/bluttest-auf-sogenannte-micrornas-kann-demenz-erkennen/
https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/alz.14157
https://alz-journals.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/alz.14230
https://www.nature.com/articles/d41586-024-00418-9
https://www.alzheimer-forschung.de/forschung/aktuell/bluttests/
https://www.alzheimer-forschung.de/forschung/aktuell/ban2401/