Alzheimer – 5 Subtypen entschlüsselt
Alzheimer hat viele Facetten. Neuen Untersuchungen zufolge existieren fünf verschiedene Arten der Erkrankung. Die Unterschiede zeigen sich vorerst ausschließlich unter dem Massenspektrometer: Die Proteinstrukturen im Gehirn variieren.
Daher ist die grundlegende Ursache der Alzheimer-Erkrankung nicht immer identisch. Dieses neue Wissen kann zukünftig für unterschiedliche Therapieformen genutzt werden. Die Studienergebnisse wurden im Januar im Fachjournal „Nature Aging“ publiziert.
Gut zu wissen: Welche Ursachen für Alzheimer gibt es?
Welche genauen Ursachen einer Alzheimer-Demenz zugrunde liegen, ist nach wie vor nicht abschließend geklärt.
Zu den potenziellen Auslösern gehören:
- Verklumpung bestimmter Proteine im Gehirn
- Entzündungen
- individuelles Wachstum der Zellen
- Stoffwechselvorgänge der RNA
Fünf verschiedene Subtypen charakterisiert
Ein Forscherteam um Dr. Betty Tijms aus den Niederlanden hat Proteinstrukturen im Gehirn näher untersucht, um die Entstehung von Alzheimer besser zu verstehen. Sie konnten fünf verschiedene Subtypen der Alzheimer-Erkrankung identifizieren.
Hierzu untersuchten sie mehr als 1.000 Eiweißstrukturen in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor) von 419 Alzheimer-Patienten und 187 gesunden Probanden. Es wurde gezeigt, dass verschiedene Proteinmengen in den Proben vorhanden waren.
Die Subtypen unterschieden sich zudem auf molekularer Ebene und hinsichtlich der Überlebenszeit der Patienten.
Alzheimer-Subtyp 1: erhöhte Aktivierung von Gehirnzellen
Vom Subtyp 1 waren die meisten Probanden, nämlich mehr als 30 %, betroffen. Charaktertisch ist eine neuronale Hyperplastizität, bei welcher eine erhöhte Aktivierung von Nervenzellen im Gehirn zu beobachten ist.
Dadurch werden verstärkt jene Proteine erzeugt, die sich bei Alzheimer-Patienten besonders häufig ablagern und die Krankheitsentstehung fördern. Die Aktivierung der Nervenzellen führt also im Umkehrschluss zum Untergang anderer Nervenzellen.
Wie das genau funktioniert, ist aktuell noch nicht bekannt. Außerdem wird eine gestörte Funktion wichtiger Immunzellen vermutet. Auch eine genetische Vorbelastung für diesen Subtyp scheint möglich. Betroffene aus dieser Gruppe zeigen die höchste Überlebenszeit von knapp neun Jahren.
Alzheimer-Subtyp 2: gestörte Immunabwehr
Subtyp 2 scheint mit einer gestörten angeborenen Immunabwehr in Verbindung zu stehen. Knapp 30 % der untersuchten Patienten wurden dieser Kategorie zugeordnet.
In der Nervenflüssigkeit dieser Patienten fanden die Forscher bestimmte Eiweißstrukturen, die an der Immunabwehr beteiligt sind. Es ist deshalb möglich, dass ein überaktives Immunsystem das Voranschreiten der Erkrankung fördert. Immunmodulierende Arzneimittel könnten hier zukünftig zum Einsatz kommen.
Alzheimer-Subtyp 3: fehlerhafte Eiweißproduktion
Bei Subtyp 3 wurden gehäuft τ-Proteine gefunden. Deren vermehrtes Auftreten ist charakteristisch für eine Alzheimer-Erkrankung. Knapp 6 % der Patienten zeigten diese Veränderung.
Es wird vermutet, dass es Probleme bei der Produktion von Eiweißen gibt, wofür die RNA verantwortlich ist. So werden Strukturen mit einem fehlerhaften genetischen Code transkribiert. Die Überlebenszeit dieser Patientengruppe ist mit 5,6 Jahren die kürzeste im Vergleich zu den anderen Subtypen.
Alzheimer-Subtyp 4: Störungen der Plexus choroidei
Knapp 20 % der Studienteilnehmer können in Subtyp-Gruppe 4 eingeordnet werden. Hier werden Störungen der Plexus choroidei, einer Art Adergeflecht in den Hirnventrikeln, vermutet. Diese Hirnstruktur ist unter anderem für die Bildung des Hirnwassers sowie den Stoffaustausch zwischen Liquor und Blut verantwortlich.
Es könnte sein, dass dadurch Amyloide vermehrt abgelagert werden, da deren Abtransport gestört ist. β-Amyloide sind neben den τ-Proteinen charakteristische Anzeichen für eine bestehende Alzheimer-Erkrankung. Sie sind Bestandteil der typischen Plaques, welche sich im Gehirn ablagern.
Alzheimer-Subtyp 5: gestörte Blut-Hirn-Schranke
Bei Subtyp 5 wurden Störungen beim Stoffaustausch der Blut-Hirn-Schranke beobachtet. Das vermehrte Vorkommen bestimmter Proteine im Blut deutet darauf hin. Zu diesem Subtyp zählten 13 % der Probanden.
Alzheimer-Therapie mit individuellen Wirkstoffen
Die neuen Erkenntnisse ermöglichen die Etablierung neuer Arzneimittel, die genau an besagten Bereichen im Gehirn ansetzen. Diese personalisierte Medizin könnte zukünftig vielen Betroffenen helfen.
Gleichzeitig heißt das aber auch, dass eine pauschale Therapie mit den gleichen Wirkstoffen für alle Alzheimer-Erkrankten wie Lotto spielen ist: Wenn man Glück hat, funktioniert es.
Die Forscher weisen darauf hin, dass in zukünftigen Studien die unterschiedlichen Subtypen unbedingt mit einbezogen werden sollten, um die Entwicklung individueller Arzneistoffe voranzubringen.