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Vorhofflimmern durch hohen Softdrink-Konsum?

bunte Plastikflaschen gefüllt mit Flüssigkeit
Limo, Eistee und Cola – gesüßte Erfrischungsgetränke enthalten oft große Mengen an Zucker oder künstlichen Süßungsmitteln. | Bild: monticellllo / AdobeStock

Viele Softdrinks sind voller Zucker und enthalten damit leere Kalorien. Sie sättigen nicht und haben oft keine wirklichen Nähr- und Mehrwert für den Körper. Wer Süßgetränke nicht als seltenen Genuss, sondern zur alltäglichen Flüssigkeitszufuhr anstelle von Wasser trinkt, tut seinem Körper damit keinen Gefallen. 

Süße Getränke sind einer der wichtigsten Antreiber der Adipositas-Epidemie in der westlichen Welt. Sie sorgen für Gewichtszunahme, Blutzucker- und Insulinschwankungen und können den Appetit anregen. 

Auch künstlich gesüßte, kalorienfreie Alternativen führen durch die enthaltene Kohlensäure zu einem gesteigerten Appetit und einer erhöhten Nahrungsaufnahme.

Zusammenhang zwischen Süßgetränken und Vorhofflimmern untersucht

Sowohl zuckerhaltige Getränke als auch kalorienfreie Softdrinks scheinen bei hohem Konsum auch der Herzgesundheit nicht zuträglich:

Die Forschergruppe von der Jiaotong-Universität Shanghai untersuchte britische Gesundheitsdaten, um herauszufinden, ob Menschen, die viele Süßgetränke trinken, ein höheres Risiko für Vorhofflimmern haben, welches wiederum ein wichtiger Risikofaktor für einen Schlaganfall ist. 

Die teilweise überraschenden Ergebnisse wurden erst kürzlich im Journal „Circulation: Arrhythmia and Electrophysiology“ veröffentlicht.

Britische Gesundheitsdaten für Beobachtungsstudie

Das Team aus China untersuchte dafür Daten aus der UK Biobank, bei der unter anderem Blutproben und genetische Analysen gesichert wurden. Für die Untersuchungen relevant waren dabei unter anderem die genetischen Risiko-Scores für Vorhofflimmern (VHF). 

Um Korrelationen zum Softdrink-Konsum finden zu können, wurden Fragebögen der Teilnehmenden über deren Nahrungsaufnahme der letzten 24 Stunden begutachtet – pro Teilnehmendem teilweise mehrere Bögen im Untersuchungszeitraum. 201.856 Probanden – zwischen 37 und 73 Jahren – wurden in die Studie eingeschlossen und über ein Follow-up von knapp zehn Jahren betrachtet (prospektive Beobachtungsstudie).

Im Beobachtungszeitraum wurde bei 9.362 (rund 4,6 %) der Teilnehmenden Vorhofflimmern diagnostiziert.

Zucker erhöht wahrscheinlich das Risiko für Vorhofflimmern

Die Auswertung der Gesundheitsdaten und Fragebögen ergab: Menschen, die über zwei Liter gezuckerte Süßgetränke pro Woche zu sich nahmen, entwickelten um 10 % und damit signifikant häufiger ein Vorhofflimmern (Hazard Ratio (HR): 1,10; 95 %; Konfidenzintervall (KI): 1,01–1,20). 

Die statistische Signifikanz war allerdings nur bei Rauchern gegeben – bei ehemaligen oder Nicht-Rauchern war der Unterschied nicht signifikant.

Zur Erinnerung: Hazard Ratio und Konfidenzintervall

Die Hazard Ratio (HR) gibt das Risiko für das Auftreten eines „Events“ innerhalb eines definierten Zeitraums an. Beim Vergleich von zwei Patientengruppen werden die Hazards (engl. hazard = Gefahr) in Relation gesetzt, daraus resultiert die Hazard Ratio (HR). Bei einer HR = 1 liegt kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen vor.

Das Konfidenzintervall (KI; engl. CI) gibt den Vertrauensbereich an, der den wahren Parameter mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit überdeckt, z. B. 95 %, 99 % oder 99,9 %.

Risiko für Vorhofflimmern ist bei Süßstoff noch höher

Dass viel Zucker sich negativ auf die allgemeine Stoffwechsellage, Entzündungserscheinungen und damit auch auf das Herz auswirkt, ist wenig überraschend. Das Erstaunliche: Bei den künstlich gesüßten, kalorienarmen oder -freien Getränken waren die Werte sogar noch auffälliger.  

Konsumierten die Teilnehmenden über zwei Liter an Limo und Co. mit Süßstoff, war die Wahrscheinlichkeit an Vorhofflimmern zu erkranken, um 20 % erhöht (HR: 1,20 [1,10–1,31]). Diese Auffälligkeit ist schwer zu erklären.

Gut zu wissen: Was sind Süßstoffe?

  • Süßstoff = nahezu kalorienfreies Süßungsmittel
  • z. B. Acesulfam-K, Aspartam, Cyclamat, Saccharin, Stevia, Sucralose, Neotam
  • sind keine Zuckeraustauschstoffe (wie z. B. Sorbit, Isomalt, Mannit, Erythrit und Xylit)
  • erhöhen – anders als lang geglaubt – den Insulinspiegel nicht, verursachen keine Karies
  • regen den Appetit an, weil keine Sättigungshormone wie bei Zuckerkonsum ausgeschüttet werden
  • Aspartam: von der WHO 2023 als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft, gilt aber bei alltäglichen Mengen (ADI-Wert (Acceptable Daily Intake) von Süßstoffen beachten) nach bisherigem Kenntnisstand als sicher
  • Süßstoffe stehen im Verdacht, das Darm-Mikrobiom zu schädigen
  • sollten wie Zucker nur sehr sparsam genossen werden

Fruchtsaft senkt Risiko für Vorhofflimmern

Pure Fruchtsäfte, wie frischer Orangensaft, scheinen das Risiko sogar zu senken. Die Untersuchungen ergaben, dass ein Konsum von maximal einem Liter pro Woche das Auftreten von Vorhofflimmern vermindert (HR: 0,92 [0,87–0,97]), wenn ansonsten nur ungesüßte Getränke wie Wasser oder Tee auf dem Ernährungsplan standen.

Menschen mit genetischer Prädisposition am meisten gefährdet

Probanden, die genetisch bedingte Risikofaktoren hatten, an Vorhofflimmern zu erkranken, waren auch am meisten durch den Konsum süßer Getränke gefährdet. Bei ihnen lag die Hazard Ratio bei 3,51 (95 %; Konfidenzintervall 2,94–4,19) und das VHF-Risiko war somit mehr als dreifach erhöht.

 Auch bei diesen genetisch prädisponierten Menschen konnte ein Genuss von unter einem Liter purem Fruchtsaft in der Woche scheinbar einen protektiven Effekt und eine Risikoreduktion um 23 % erzielen (HR 0,77; KI [0,65–0,92]).

Empfehlung: Wasser als Standardgetränk

Eine Erklärung für die gefundenen Ergebnisse zu finden ist schwierig. Aus einer prospektiven Beobachtungsstudie lassen sich keine Kausalitäten ableiten. Das heißt: Die Studie kann zwar Häufungen von Vorhofflimmern bei Probanden mit hohem Softdrink-Konsum feststellen, kann aber nicht eindeutig belegen, dass die Getränke Auslöser für das Vorhofflimmern sind. 

Die Studienautoren vermuten, dass ein häufiger Konsum von Süßgetränken ein Marker für einen generell ungesunden Lebensstil sein könnte, wodurch wahrscheinlich weitere Risikofaktoren für Herzerkrankungen vorlägen.

Bevor also eine Bewertung und Einordnung der Ergebnisse erfolgen kann, sind weitere Untersuchungen nötig. Es gilt wie immer: Ein gesunder Lebensstil kann helfen, Krankheiten vorzubeugen. 

In diesem Fall konkret: Wasser sollte immer als Standardgetränk gewählt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt mindestens 1,5 Liter pro Tag. Hin und wieder sind dann auch ein Glas Saft oder mal ein Softdrink zum Genuss kein Tabu. 

Gut zu wissen: Entstehung, Symptome und Behandlung von Vorhofflimmern

  • häufigste (tachykarde) Herzrhythmusstörung in Deutschland
  • mit dem Alter steigt das Risiko: Jeder zehnte über 70 Jahre ist betroffen
  • oft asymptomatisch, nur jeder Zweite hat Symptome, diese können sehr unterschiedlich sein
  • per se nicht lebensbedrohlich (anders als Kammerflimmern)
  • Achtung: Risikofaktor für Schlaganfall
    • Ausstülpung im linken Vorhof, in den die Lungenvene mündet
    • unzureichende Arbeit der Vorhöfe durch Störung der Erregungsleitung; langsam fließendes Blut, folglich Stauung
    • Blutgerinnsel bilden sich leichter und können über den Körperkreislauf zum Gehirn gelangen und einen Schlaganfall auslösen
    • Schlaganfall-Risikoabschätzung bei Vorhofflimmern durch CHADS2-Score/CHA2DS2-VASc-ScoreQuelle: DocCheck 
    • Menschen über 65 Jahre sollten regelmäßig ihren Puls messen, auch wenn keine Beschwerden vorliegen (bei VHF oft Ruhepuls > 100 Schläge/Minute)

Genese:

  • elektrische Erregungsstörung, oft lokalisiert am Eintritt der Lungenvene ins Herz; Vorhöfe ziehen sich nicht richtig zusammen, sondern flimmern nur; Puls bis 160 Schläge/Minute
  • häufig plötzliches Auftreten, klingt innerhalb von 24 Stunden wieder ab
  • wiederkehrende und chronische Verläufe vor allem bei Älteren häufig
  • auf Dauer: Dilatation und Umbau der Vorhöfe; zelluläre Veränderungen; Kraft und Blutfluss in den Vorhöfen nimmt ab
  • Herzkammern leiden und die Herzkraft lässt nach (Folge: Herzinsuffizienz)
  • Mitralklappeninsuffizienz kann sich verschlechtern; Gehirn und Nieren können beeinträchtigt werden

Mögliche Symptome:

  • Tachykardie
  • Unruhe, Herz schlägt bis zum Hals
  • Luftnot bei Belastung, Brustenge, Brustschmerzen
  • Schwäche, Leistungsabnahme
  • Polyurie
  • Übelkeit, Erbrechen

Mögliche Auslöser:

  • Alter, genetische Risikofaktoren
  • Bluthochdruck (60 % der Langzeitpatienten mit Hypertonie entwickeln Vorhofflimmern)
  • Herzkrankheiten, Herzfehler, entzündliche Erkrankungen, Schilddrüsenüberfunktion, Schlafapnoe-Syndrom
  • extremer Ausdauersport (wahrscheinlich durch Vorhofvergrößerung, gesteigerte Adrenalin-Ausschüttung, Elektrolytverschiebungen)
  • Elektrolytstörungen
  • Lebensstil
    • Stress und Burnout
    • zu viel Alkohol auch bei jungen Menschen („Holiday-Heart-Syndrom“)
    • Rauchen
    • Übergewicht
    • Kaffee führt nicht zu Vorhofflimmern, es gibt sogar Annahmen, dass er in üblichen Mengen protektiv wirken kann

Diagnose: 

  • Anamnesegespräch
  • Pulsmessung
  • EKG (auch durch moderne Smartwatches möglich)
  • Herzultraschall

Therapie (auch wenn beschwerdefrei, um Folgeschäden zu vermeiden):

  • Akuttherapie: Antikoagulation
  • Dauertherapie: Rhythmuskontrolle und Frequenzkontrolle
    • Kardioversion (Stromstoß, folglich Sinusrhythmus)
    • Katheterablation (Verödung von Herzgewebe, folglich Sinusrhythmus)
    • Medikamente:
      • Betablocker, Calcium-Blocker, Herzglykoside (Digitoxin, Digoxin)
      • Antiarrhythmika wie Amiodaron, Flecainid, Propafenon
    • Behandlung von Vor- und Begleiterkrankungen
    • ggf. Lebensstiländerung

Quellen:
- https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/149788/Suessgetraenke-erhoehen-Risiko-auf-Vorhofflimmern-auch-ohne-Zucker?rt=579bf652040de330a94377e866488cd2
- https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCEP.123.012145
- https://herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzrhythmusstoerungen/vorhofflimmern
- https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Zuckerersatz-Helfen-Xylit-Erythrit-Co-beim-Abnehmen,suessungsmittel102.html#:~:text=Süßstoffe%20erhöhen%20den%20Insulinspiegel%20nicht,Bauchspeicheldrüse%20daraufhin%20vorsorglich%20Insulin%20ausschüttet.
- https://www.deutschesarztportal.de/wissen/rp-lexikon/konfidenzintervall-ki
- https://www.deutschesarztportal.de/wissen/rp-lexikon/hazard-ratio-hr