Auswertung des PEI zu Impfnebenwirkungen : Herpes zoster nach Shingrix®-Impfung?
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hat Verdachtsmeldungen von Impfnebenwirkungen ausgewertet. Insgesamt erreichten das PEI im Zeitraum von drei Jahren (1.1.2019 bis 31.12.2021) 14.253 Meldungen zu möglichen unerwünschten Impfnebenwirkungen. Dabei hat die Behörde alle Vakzinen bis auf COVID-19-Impfstoffe berücksichtigt. Was kam dabei raus?
PEI: 24,7% schwerwiegende Meldungen von Impfnebenwirkungen
Drei Viertel aller Meldungen stufte das PEI als nicht schwerwiegend ein (75,3 Prozent), ein Viertel (24,7 Prozent) fiel in die Kategorie schwerwiegend.
42,4 Prozent der Menschen mit möglichen Impfnebenwirkungen sind mittlerweile wieder vollständig genesen, fast jeder Vierte (25,7 Prozent) hatte zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch Beschwerden, und bei 28 Prozent ist nicht bekannt, wie es ihnen geht.
Von einem bleibenden Schaden nach einer Impfung berichteten 3,3 Prozent der Meldenden. In 0,5 Prozent wurde ein Todesfall angegeben, wobei: „In keinem einzigen Fall wurde der ursächliche Zusammenhang zwischen der Impfung und der berichteten Todesursache als ,konsistent’ bewertet, da andere Ursachen, z. B. Komplikationen der Grunderkrankungen, wahrscheinlicher und/oder der zeitliche Abstand nach Impfung nicht plausibel war oder insgesamt wichtige klinische Informationen fehlten, sodass der kausale Zusammenhang zwischen Impfung und unerwünschten Reaktionen nicht beurteilt werden konnte“, erklärt das PEI hierzu.
17 Fälle mit erkennbarem Zusammenhang
Einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Nebenwirkung erkannte das PEI in 17 Fällen:
- Vier Meldungen über ein Granulom mit Narbenbildung,
- zwei Meldungen zu einer Invagination (Einstülpung eines Darmabschnittes) nach Rotavirus-Impfung,
- fünf Fälle über einen Abszess an der Injektionsstelle und
- sechs Einzelfallberichte über eine Narkolepsie nach Impfung mit dem Schweinegrippe-Impfstoff Pandemrix in den Jahren 2009/2010.
Welche Impfnebenwirkungen wurden gemeldet?
Am häufigsten traten folgende Symptome als Impfreaktion auf:
- Fieber (5,38 Prozent aller Nebenwirkungen),
- Schmerzen an der Impfstelle (3,23 Prozent),
- Kopfschmerz (3,16 Prozent),
- Schmerzen in den Extremitäten (2,41 Prozent),
- Ausschlag (2,35 Prozent) und
- Ermüdung (2,15 Prozent).
Mit je unter 2 Prozent folgen unter anderem Meldungen zu Schüttelfrost, Herpes zoster (überwiegend gemeldet nach einer Impfung gegen Herpes zoster) und Myalgie als Impfnebenwirkung.
Erwachsene: die meisten Meldungen zu Shingrix®
Interessant ist eine Beobachtung: Bei Erwachsenen entfiel der Hauptteil der Meldungen (35 Prozent) auf den rekombinanten, adjuvantierten Herpes-zoster-Impfstoff Shingrix®, der vor Gürtelrose und postherpetischer Neuralgie schützen soll.
Zur Erinnerung: Für wen ist Shingrix® gedacht?
In der EU zugelassen seit 2018, ist die zweimalige Impfung mit Shingrix® für Menschen ab 60 Jahren mittlerweile Standardimpfung und erstattungsfähig.
Zudem übernehmen die Krankenkassen die Kosten für Shingrix® bei Menschen ab 50 Jahren, wenn diese bestimmte Grunderkrankungen haben. Dazu zählen: angeborene bzw. erworbene Immundefizienz bzw. Immunsuppression, HIV-Infektion, rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, Asthma bronchiale, chronische Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus.
Bei den nach einer Shingrix®-Impfung gemeldeten Nebenwirkungen stand an erste Stelle (19,6 Prozent aller Einzelfallberichte) eine Herpes-zoster-Episode. Dem PEI zufolge lag jedoch „zumeist aber kein virologischer Nachweis“ vor, sodass die beobachteten Hautläsionen nicht mit absoluter Sicherheit eine Gürtelrose waren.
Gürtelrose nach Shingrix®-Impfung: keine Seltenheit?
Das ist allerdings nicht das erste Mal, dass Herpes-zoster-Episoden aufgrund der Gürtelrose-Impfung beobachtet wurden. Bereits 2020 hatte die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Meldungen über Herpes zoster nach Impfung mit Shingrix® thematisiert.
Das Paul-Ehrlich-Institut hatte zeitgleich eine Studie begonnen, die die Frage beantworten soll, ob Shingrix® das Varicella-zoster-Virus, das hinter der Gürtelrose steckt, reaktivieren kann. Dafür untersucht das PEI eine Serie von Verdachtsfällen von Gürtelrose sowie bullösen Hautreaktionen, die im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sind. Die Ergebnisse wertet das PEI eigenen Angaben zufolge derzeit aus.
Doch wie bewertet das PEI die Häufigkeit des Auftretens von Gürtelrose nach Herpes-zoster-Impfung aktuell und aufgrund der Drei-Jahres-Daten? Dafür verglich das PEI, wie oft Menschen nach Shingrix®-Impfung innerhalb von 28 Tagen eine Gürtelrose entwickelten, mit der Anzahl von zufällig auftretenden Gürtelrose-Fällen in der Bevölkerung (umgeimpft). Das PEI fand „kein Signal für ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Herpes zoster innerhalb von 28 Tagen nach Impfung basierend auf der in Deutschland ermittelten Hintergrundinzidenz“.
Die aufgetretenen Herpes-zoster-Fälle nach Shingrix®-Impfung erklärt das PEI folgendermaßen: „Möglicherweise beruht der im Vergleich zu anderen Impfstoffen höhere Anteil von Verdachtsmeldungen nach Shingrix® auf erhöhter Aufmerksamkeit und vermehrter Meldung.“ Das sei insbesondere bei neu zugelassenen oder neu verwendeten Impfstoffen auch erwünscht, um potenzielle Risikosignale zeitnah zu erkennen und weiter untersuchen zu können.
Guillain-Barré-Syndrom nach Shingrix®-Impfung
Das PEI erreichten auch 19 Verdachtsmeldungen eines Guillain-Barré-Syndroms (neurologisches Krankheitsbild mit entzündlichen Veränderungen des peripheren Nervensystems) nach Shingrix®-Impfung.
Auch wenn die derzeit verfügbaren Informationen keinen ursächlichen Zusammenhang belegen, ließ sich bereits in Beobachtungsstudien nach Markteinführung bei älteren Menschen ab 65 Jahren ein „erhöhtes Risiko für das Guillain-Barré-Syndrom (schätzungsweise drei Fälle pro Million verabreichter Dosen) während 42 Tagen nach der Impfung“ verzeichnen, erklärt das PEI und will darauf künftig ein „besonderes Augenmerk“ richten.
Impfnebenwirkungen bei Kindern: vor allem nach Sechsfachimpfung
Insgesamt betrafen auch 4.084 der vom PEI zwischen 2019 und 2021 erfassten Meldungen Kinder. Am häufigsten (1.394) wurde hier „erwartungsgemäß“ nach Impfung mit Sechsfachimpfstoffen berichtet.
Nach Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) erhalten Säuglinge im zweiten, vierten und elften Lebensmonat je eine Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung (Polio), Keuchhusten (Pertussis), Hab (Haemophilus influenzae Typ b) und Hepatitis B. Diese gibt es kombiniert als Sechsfachimpfung (z. B. Hexyon®, Infanrix® hexa). Die STIKO empfiehlt in diesem Alter zudem einen Pneumokokkenschutz und ab sechs Wochen nach Geburt eine Rotavirus-Impfung.
Die meisten Meldungen bei Kindern betrafen dem PEI zufolge Krampfanfälle mit und ohne Fieber. Es sei bekannt, dass einige Impfstoffe bei Kindern Fieberkrämpfe auslösen könnten, so das PEI. Krampfanfälle sind die häufigste neurologische Störung im Kindesalter, 4 bis 10 Prozent der Kinder erleiden einen solchen in den ersten 16 Lebensmonaten. Dass Impfstoffe zu einer Epilepsie führen können, ist dem PEI nach nicht belegt.
120 Millionen Impfdosen
Bei den insgesamt erfassten 14.253 Verdachtsmeldungen zu unerwünschten Impfwirkungen gilt es die Gesamtzahl der verabreichten Impfdosen in diesem Zeitraum zu berücksichtigen. Diese liegt bei mehr als 120 Millionen Impfdosen.