Diphtherie: So sollte geimpft werden
Diphtherie ist nicht ausgerottet. In Berlin hat sich Ende September ein zehnjähriger Junge mit Diphtherie infiziert und ist schwer erkrankt. Medienberichten zufolge war er ungeimpft und musste invasiv beatmet werden.
2024 kam es bislang laut dem Epidemiologischen Bulletin 41|2024 des Robert Koch-Instituts (RKI) zu 37 Fällen (Stand: 40. Kalenderwoche). 2023 lagen dem RKI zu diesem Zeitpunkt bereits 104 Diphtherie-Fälle vor.
Die Diphtherie-Impfquoten bei Kindern bei den Schuleingangsuntersuchungen sinken seit 2015 leicht. Im Jahre 2020 waren 92,4 Prozent der vier- bis siebenjährigen Kinder vollständig gegen Diphtherie geimpftQuelle: Epidemiologisches Bulletin 48|2022 .
Schlechter noch sieht es bei Erwachsenen aus: Lediglich stark die Hälfte (53,4 Prozent) hatte 2021 in den letzten zehn Jahren, wie von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen, eine Diphtherie-Impfung erhaltenQuelle: Epidemiologisches Bulletin 48|2022 . Sie profitieren vom Herdenschutz der geimpften Kinder.
Diphtherie: Bakterielle Erkrankung mit Schwellungen bis zum Ersticken
Hinter einer Diphtherie stecken die Bakterien Corynebacterium diphtheriae, Corynebacterium ulcerans und Corynebacterium pseudotuberculosis, die als Tröpfcheninfektion übertragen werden. Nach einer Inkubationszeit von zwei bis fünf Tagen beginnt die Symptomatik mit Halsschmerzen, Temperaturerhöhung und Schluckbeschwerden.
Im weiteren Verlauf kommen dann Heiserkeit und Schwellungen der Halslymphknoten hinzu. Es bilden sich die charakteristische hochrote Rachenentzündung sowie dicke, grau-weiße, festanheftende Beläge auf den Schleimhäuten. Die Schwellungen können so massiv werden, dass es zum Erstickungstod kommt.
Verantwortlich für die Beläge ist das von den Erregern gebildete Diphtherietoxin: Es lässt die infizierten Zellen absterben, und diese Zelltrümmer verengen die Luftwege. Die Letalität der Rachendiphtherie liegt zwischen 5 und 10 Prozent, bei Kleinkindern und Erwachsenen ab 40 Jahren jedoch höher (20–40 Prozent).
Daneben gibt es eine Haut- beziehungsweise Wunddiphtherie – vor allem in tropischen oder subtropischen Regionen – oder Nasendiphtherie.
Schutz vor Diphtherie: Was rät die STIKO?
Die STIKO rät allen zu einer Diphtherie-Impfung – Säuglingen, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Reifgeborene Säuglinge erhalten zur Grundimmunisierung drei Dosen im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Für den Langzeitschutz ist es wichtig, dass zwischen der zweiten und dritten Impfung sechs Monate vergehen.
Eine erste Auffrischungsimpfung empfiehlt die STIKO bei fünf- bis sechsjährigen Kindern und eine zweite im Alter von neun bis 17 Jahren. Danach wird alle zehn Jahre aufgefrischt.
Unterschiedlich dosierte Diphtherie-Impfstoffe abhängig vom Alter
Diphtherie-Impfstoffe enthalten unterschiedlich viel Diphtherietoxoid, je nach Alter des Geimpften:
Säuglinge und Kleinkinder erhalten die mit „D“ gekennzeichneten höher konzentrierten Impfstoffe (20 I.E. Diphtherietoxoid).
Ab fünf Jahren bekommen Kinder sowie Jugendliche und Erwachsene weniger Diphtherietoxoid geimpft (2 I.E., mit „d“ gekennzeichnet) – sowohl für die Grundimmunisierung als auch zur Auffrischung. Das hat zwei Gründe: Ab fünf Jahren erzeugt auch die geringere Toxoidmenge eine ausreichende Immunität und die Impfung ist außerdem verträglicher.
Diphtherie-Impfung meist als Kombinations-Impfung verabreicht
Die Diphtherie-Impfungen erhalten Säuglinge und Kinder in Kombination mit einer Impfung gegen Tetanus, Pertussis, Polio, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B.
Gut zu wissen: Diese Diphtherie-Impfstoffe gibt es
Für die Diphtherie-Grundimmunisierung im Säuglings- und Kleinkindalter stehen Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung:
- Dreifach-Impfstoffe mit zusätzlichem Schutz gegen Tetanus und Keuchhusten: z. B. Infanrix® (ab 2 Monaten)
- Vierfach-Impfstoffe mit zusätzlichem Schutz gegen Tetanus, Keuchhusten und Poliomyelitis: z. B. Tetravac® (ab 2 Monaten)
- Fünffach-Impfstoffe mit zusätzlichem Schutz gegen Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis und Haemophilus influenzae Typ b: z. B. Infanrix-IPV+Hib® (ab 2 Jahren), Pentavac® (ab 2 Jahren)
- Sechsfach-Impfstoffe mit zusätzlichem Schutz gegen Tetanus, Keuchhusten, Poliomyelitis, Haemophilus influenzae Typ b und Hepatitis B: z. B. Hexyon® (ab 6 Wochen), Infanrix hexa® (ab 2 Monaten)
Zur Auffrischungsimpfung können ab dem Kindesalter folgende Impfstoffe eingesetzt werden: z. B. Boostrix® (ab 4 Jahren), Repevax® (ab 3 Jahren), TdaP-Immun® (ab 4 Jahren), Td-pur® (ab 5 Jahren).Quelle: PEI /vs
Dank der hohen Impfraten im Babyalter zählt die Diphtherie in Deutschland heute zu den seltenen Erkrankungen. Allerdings führt der weltweit verbreitete Erreger in einigen subtropischen Ländern immer wieder zu gehäuften Krankheitsfällen, insbesondere in Indien, aber auch in vielen Ländern Afrikas, Asiens und Osteuropas. Anstehende Auslandsreisen sollten daher auf jeden Fall ein Anlass sein, den Impfschutz zu überprüfen.
Diphtherie-Erkrankung schützt nicht vor erneuter Infektion
Eine durchgemachte Diphtherie-Erkrankung bietet keine langanhaltende Immunität. Das RKI rät deswegen nach der Genesung, mit der Grundimmunisierung zu beginnen oder diese abzuschließen beziehungsweise den Impfstatus auffrischen zu lassen, sollte die letzte Diphtherie-Impfung mehr als fünf Jahre zurückliegen.
Bei Diphtherie-Erkrankung: Antitoxin und antibiotische Therapie
Bereits bei Verdacht auf Diphtherie sollte „sofort eine spezifische Therapie mit Diphtherie-Antitoxin und eine Antibiotikagabe eingeleitet werden“, so das RKI. Diphtherie-Antitoxin neutralisiert als Antikörper im Sinne einer passiven Immunisierung noch nicht in Zellen eingedrungenes, zirkulierendes Diphtherietoxin und verhindert so das Fortschreiten der Erkrankung.
Das Immunglobulin stammt vom Pferd und kann damit häufiger als bei humanen Immunglobulinen anaphylaktische Reaktionen auslösen. Die zusätzliche Antibiose soll die ursächlichen Bakterien eliminieren.
Penicillin oder Erythromycin sind Antibiotika der Wahl für eine kalkulierte antibiotische Therapie. Wichtig ist, dass Antibiotika die Antitoxingabe nicht ersetzen.
Gut zu wissen: Erster Medizin-Nobelpreis für Diphtherie-Antiserum
Die Diphtherie trug einst den schaurigen Beinamen „Würgeengel der Kinder“. Viele Kinder starben auf qualvolle Weise durch Ersticken. Schuld war eine Infektion mit dem Bakterium Corynebacterium diphtheriae, dessen Gift zu massiven Schwellungen im Hals führte.
Im Jahr 1890 gelang der Medizin schließlich ein segensreicher Durchbruch: die Entwicklung eines Antiserums. Damit konnten Diphtherie-kranke Kinder geheilt werden. Zu verdanken war diese Serumtherapie dem Bakteriologen Emil von Behring (1854–1917). Er erhielt dafür im Jahr 1901 den ersten Nobelpreis für Medizin.
Im Anschluss gelang es Behring, auch eine aktive Immunisierung zu entwickeln in Form von Diphtherietoxoid – also einem abgeschwächten Bakteriengift des Erregers. /wf