Zum Welthypertonietag am 17. Mai: Bluthochdruck bei Kindern: Welche Rezepturen gibt es?
Hypertonie gilt als typische Erwachsenenkrankheit, doch auch Kinder und Jugendliche können davon betroffen sein. Etwa drei Prozent der Mädchen und Jungen in Deutschland haben einen zu hohen Blutdruck, insbesondere stark übergewichtige Kinder sind häufig davon betroffen. Auch Erkrankungen der Niere oder des Herzens können für den erhöhten Blutdruck ursächlich sein.
Hypertonie kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall hervorrufen. Auch andere Organe wie Nieren oder Augen können dadurch schwer geschädigt werden.
Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, den Blutdruck auf normale Werte zu senken.
Welche Blutdruckgrenzen gelten bei Kindern?
Bekanntlich wird der Blutdruck immer mit zwei Messwerten angegeben: Der obere, systolische Wert gibt den Druck in den Gefäßen beim Herzschlag an. Der untere, diastolische Wert entspricht dem Druck, wenn der Herzmuskel erschlafft.
Früher wurde der Blutdruck mit einem mit Quecksilber gefüllten Steigrohr gemessen. Mittlerweile werden modernere Messmethoden eingesetzt, aber der Blutdruck wird nach wie vor in Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) angegeben.
Da bei Kindern der Blutdruck mit dem Alter und der Körpergröße ansteigt, gibt es nicht einen bestimmten Wert, der als zu hoch gilt. Mediziner verwenden vielmehr bestimmte Tabellen, in denen die Blutdruckwerte für Mädchen und Jungen nach Alter und Körpergröße aufgeführt sind.
So liegt die systolische und diastolische Grenze (in mmHg) bei Jungen mit fünf Jahren bei mittlerer Körpergröße beispielsweise bei 111/71, bei Jungen mit zehn Jahren sind die Wert höher und betragen 118/75. Ab einem Alter von 16 Jahren gelten dann die für Erwachsene gültigen Grenzwerte, bei denen ein Bluthochdruck vorliegt, von 140/90 mmHg.
Der Welthypertonietag auf PTAheute.de
Im Jahr 2005 hat die World Hypertension League einen Aktionstag zum Bluthochdruck ins Leben gerufen. Jedes Jahr am 17. Mai finden weltweit zum „World Hypertension Day“ Veranstaltungen statt, um auf die Volkskrankheit aufmerksam zu machen.
Das Motto in diesem Jahr lautet „Messen Sie Ihren Blutdruck richtig, kontrollieren Sie ihn und leben (dadurch) länger“.
Auf PTAheute.de unterstützen wir diese Aktion mit ausgesuchten Beiträgen zum Bluthochdruck.
In einem ausführlichen Artikel stellen wir Ihnen die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten von Bluthochdruck vor. Außerdem erfahren Sie, auf welche Wechselwirkungen und Kontraindikationen bei Bluthochdruck-Medikamenten zu achten ist.
Weitere Artikel beschäftigen sich mit dem richtigen Blutdruckmessen bei Kindern, der pDL in der Apotheke und was Bluthochdruck-Patienten beim Sport beachten sollten.
Wie wird Bluthochdruck bei Kindern behandelt?
Wie bei Erwachsenen wird auch bei Kindern versucht den Blutdruck zunächst durch eine Umstellung der Lebensgewohnheiten zu senken. Eine entscheidende Rolle spielen hierbei die Eltern. Übergewichtige Kinder sollten Gewicht reduzieren, ihre Ernährung umstellen und vermehrt auf körperliche Bewegung achten.
Liegt der Blutdruck sechs Monate später immer noch zu hoch, ist meist eine medikamentöse Behandlung erforderlich. Bei sehr hohen Werten oder bei Begleiterkrankungen kann eine Therapie mit Arzneimitteln auch schon eher angezeigt sein.
Grundsätzlich kommen dabei die gleichen Wirkstoffe wie bei Erwachsenen zum Einsatz. Allerdings besitzen die wenigsten Blutdruckmedikamente eine spezielle Zulassung für Kinder und Jugendliche und so werden die meisten off-label eingesetzt. Die Dosis richtet sich dabei nach dem Alter und Gewicht des Kindes.
Zur Erinnerung: Was ist ein Off-Label-Use?
Wenn ein zugelassenes Fertigarzneimittel außerhalb des in der Zulassung genehmigten Gebrauchs hinsichtlich der Indikationen, Patientengruppen, Dosierung oder Behandlungsdauer angewendet wird, spricht man von einem Off-Label-Use.
Grundsätzlich ist eine solche zulassungsüberschreitende Anwendung von Arzneimitteln für Ärzte erlaubt.
Bluthochdruck: Welche Wirkstoffe kommen zum Einsatz?
Bei Kindern sind ACE-Hemmer (Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmer) Mittel der ersten Wahl zur Therapie einer Hypertonie. Dabei kommen vor allem die Substanzen
- Captopril,
- Enalapril und
- Ramipril
zum Einsatz. Da die Gefahr einer überschießenden Reaktion mit starkem Abfall des Blutdrucks besteht, werden jüngere Kinder meist stationär auf die benötigte Dosis eingestellt.
Können ACE-Hemmer nicht eingesetzt werden oder werden nicht vertragen, können Angiotensin-1-Rezeptorblocker (Sartane) wie Losartan oder Irbesartan angewendet werden.
Sind sowohl ACE-Hemmer als auch Sartane kontraindiziert, werden zur Behandlung Calciumkanalblocker wie Nifedipin oder Amlodipin verwendet. Diuretika wie Furosemid und Hydrochlorothiazid werden bei Kindern nicht als Monotherapie, sondern in Kombination mit einem ACE-Hemmer oder Calciumkanalblocker eingesetzt.
Betablocker werden zur Therapie der kindlichen Hypertonie nur selten eingesetzt, da sie zu zahlreichen Nebenwirkungen führen.
Niedrige Dosierung durch Herstellung von Rezepturen
Um Blutdruckmedikamente bei Kindern einsetzen zu können, sind deutlich niedrigere Dosierungen als bei Erwachsenen nötig. Meist kann diese niedrige Dosis durch Herstellung einer Rezeptur in der Apotheke realisiert werden.
Eine wichtige Rolle spielen dabei flüssige Darreichungsformen zum Einnehmen. Mittels einer Kolbenpipette mit passendem Steckeinsatz kann die gewünschte Einzeldosis dann leicht abgemessen werden.
Möglich ist auch die Herstellung niedrig dosierter Kapseln. Diese werden in der Regel vor der Gabe ausgefüllt und dem Kind mit etwas Nahrung verabreicht. Zur Füllung der Hartgelatine-Kapseln können sowohl der Rezepturgrundstoff als auch Fertigarzneimittel-Tabletten verwendet werden.
Rezeptur: Wässrige Lösung mit Captopril
Der ACE-Hemmer Captopril wird häufig zur Therapie kindlicher Hypertonie verordnet. Die Substanz ist als Rezepturgrundstoff erhältlich und kann aufgrund der leichten Löslichkeit in Wasser zu einer wässrigen Lösung zum Einnehmen verarbeitet werden.
Die Initialdosis pro Tag beträgt bei Kindern ab einem Monat 0,3 mg Captopril pro Kilogramm Körpergewicht. Diese Dosis kann bei Bedarf auf 4 bis 6 mg pro Kilogramm Körpergewicht erhöht werden. Da die Wirkdauer von Captopril kurz ist, wird die Tagesgesamtdosis auf drei Dosen verteilt appliziert.
Gut zu wissen: Welche Fertigarzneimittel gibt es?
Als Monopräparat sind Tabletten mit Captopril in einer Dosierung von 12,5 mg bis 100 mg erhältlich. Captopril gibt es auch in den Stärken 25 mg und 50 mg in Kombination mit dem Diuretikum Hydrochlorothiazid.
Seit März letzten Jahres gibt es mit dem Präparat Noyada® auch eine fertige Captopril-Lösung zur Einnahme. Das Fertigarzneimittel ist in zwei Dosierungen – 5 mg/ml und 25 mg/ml – erhältlich.
Allerdings enthält das Arzneimittel Natriumbenzoat zur Konservierung und diese Substanz gilt bei Kindern unter zwei Jahren als kritischer Hilfsstoff. Aufgrund einer noch unreifen Enzymaktivität kann sich die daraus entstehende Benzoesäure im Körper anreichern und zu Schädigungen im Zentralnervensystem führen.
Zur Herstellung einer Rezeptur mit Captopril kann auf eine geprüfte Rezepturvorschrift aus dem Neuen Rezeptur-Formularium zurückgegriffen werden. Dort ist unter der Vorschrift NRF 10.5. eine wässrige Lösung zu finden. Die Zubereitung ist einfach zusammengesetzt und damit auch schon zur Behandlung von Hypertonie bei Neugeborenen geeignet.
100 ml Captopril-Lösung 2 mg/ml (NRF 10.5.): | |
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Captopril | 0,2 g |
Kaliumsorbat | 0,1 g |
Ascorbinsäure | 0,2 g |
Gereinigtes Wasser | zu 100,0 g |
Zur Herstellung der Lösung wird zunächst das Salz Kaliumsorbat in einem mit Glasstab tarierten Becherglas im Großteil des Gereinigten Wassers aufgelöst. Anschließend werden der zuvor auf der Analysenwaage abgewogene Wirkstoff und die Ascorbinsäure in dem Ansatz gelöst.
Zur Inprozesskontrolle ist es empfehlenswert, die für das Abwiegen von Captopril verwendete Wägeunterlage zurückzuwiegen. Der dann angezeigte Wert darf nicht höher als 1 % der Wirkstoffmasse sein. Im konkreten Rezepturbeispiel sind das lediglich 2 mg bzw. 0,002 g. Zum Schluss wird die Zubereitung mit Gereinigtem Wasser bis zum Endgewicht aufgefüllt.
Die fertige Captopril-Lösung hat eine Dichte von 1,0 g/ml, die Konzentration an Wirkstoff ist deshalb masse- und volumenbezogen gleich.
Captopril-Lösung: Reihenfolge bei der Zugabe der Feststoffe beachten
Die flüssige Zubereitung ist mit 0,1 % Kaliumsorbat konserviert. Bei dem vorherrschenden pH-Wert von 3,5 bildet sich daraus die antimikrobiell wirksame Sorbinsäure.
Damit die schwer wasserlösliche Sorbinsäure in der Zubereitung nicht ausfällt, ist es bei der Herstellung wichtig, zunächst das gut wasserlösliche Kaliumsorbat aufzulösen und anschließend die sauren Bestandteile Captopril und Ascorbinsäure zu ergänzen. Eine Herstellung der Lösung unter gleichzeitiger Zugabe aller drei Feststoffe ist nicht möglich.
Die Zugabe von Ascorbinsäure dient neben der Absenkung des pH-Wertes auch zur antioxidativen Stabilisierung des Captoprils. Denn der Wirkstoff wird in wässriger Lösung leicht zu einer unwirksamen Substanz oxidiert, doch durch Ascorbinsäure lässt sich diese Reaktion verlangsamen.
Verlangsamen lässt sich die Reaktion auch durch die Aufbewahrung im Kühlschrank. Die Captopril-Lösung wird daher bei Temperaturen zwischen 2 und 8 °C gelagert. Die Aufbrauchsfrist beträgt dann lediglich vier Wochen.
Auch Lösungen mit Enalapril können hergestellt werden
Neben Captopril wird auch der ACE-Hemmer Enalapril häufig bei Kindern mit Hypertonie eingesetzt. Die Substanz ist in Form von Enalaprilmaleat als Rezeptursubstanz erhältlich. Dabei handelt es sich um ein Prodrug, das im Körper in die aktive Form umgewandelt wird.
Zur Blutdruckeinstellung beträgt die Dosis für Kinder ab einem Monat 0,1 mg pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag, maximal können 1 mg Enalaprilmaleat pro Kilogramm verabreicht werden. Die Tagesgesamtdosis wird auf zwei Einzeldosen verteilt.
Gut zu wissen: Welche Fertigarzneimittel gibt es?
Als Tabletten sind Präparate ab 2,5 mg bis 20 mg Enalaprilmaleat im Handel, auch Wirkstoffkombinationen mit dem Diuretikum Hydrochlorothiazid sind erhältlich.
Neu ist mit Aqumeldi® ein niedrig dosiertes Fertigarzneimittel auf dem Markt. Die Schmelztablette ist in der Dosierung 0,25 mg verfügbar und kann bei Kindern ab der Geburt eingesetzt werden. Die Tablette wird auf die Zunge oder in die Wangentasche des Kindes gelegt und löst sich dort auf.
Aqumeldi® ist jedoch nicht zur Behandlung der Hypertonie zugelassen, sondern nur für die Indikation Herzinsuffizienz.
Enalaprilmaleat löst sich nur wenig in Wasser. Für die in der Pädiatrie nötigen niedrigen Konzentrationen ist die Wasserlöslichkeit jedoch ausreichend und es können wässrige Lösungen erhalten werden. Im niederländischen Formularium (FNA) ist dazu eine Rezepturvorschrift zu finden:
100 ml Enalaprilmaleat-Lösung 1 mg/ml (FNA): | |
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Enalaprilmaleat | 0,1 g |
Citronensäure-Monohydrat | 0,05 g |
Sorbitol-Lösung 70 % (kristallisierend) | 28,6 g |
Methyl-4-hydroxybenzoat-Konzentrat 150 mg/ml (NRF S.34.) | 1,06 g |
Orangen-Aroma | 0,05 g |
Gereinigtes Wasser | zu 106,7 g |
Zur Herstellung werden zunächst der Wirkstoff und die Citronensäure in rund 60 g Gereinigtem Wasser gelöst. Anschließend können die Sorbitol-Lösung, das Methyl-4-hydroxybenzoat-Konzentrat und das Orangenaroma dazugegeben werden. Zuletzt wird mit der restlichen Menge an Gereinigtem Wasser auf das Endgewicht aufgefüllt.
Die fertige Lösung hat eine Aufbrauchsfrist von sechs Monaten.
Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen (NRF S.52.) als Trägerlösung geeignet
Enalaprilmaleat kann auch in der DAC-Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen (NRF S.52.) aufgelöst werden. Diese Trägerlösung wurde speziell zur Versorgung pädiatrischer Patienten entwickelt und kann fertig bezogen oder auch in der Apotheke hergestellt werden.
Ist Enalaprilmaleat nicht als Ausgangsstoff erhältlich, können entsprechende Fertigarzneimittel-Tabletten mit der Grundlage verarbeitet werden. Aufgrund der enthaltenen Hilfsstoffe in der Tablette wird dann aber keine Lösung sondern eine Suspension erhalten.
Zur Herstellung werden die Tabletten zunächst fein gepulvert und mit wenig Grundlage zu einer Paste angerieben. Anschließend wird dann anteilig bis zur gewünschten Menge aufgestockt. Quellen:
- https://www.kinderformularium.de/
- https://www.hochdruckliga.de/fileadmin/downloads/patienten/Basiswissen-Kinder.pdf
- https://www.dgpk.org/wp-content/uploads/Arterielle_Hypertonie-LL-Dallapozza-nach_Konsentierung_final_11072022.pdf
- DAC/NRF-Rezepturhinweis Captopril (25.04.2024)
- NRF-Vorschrift Captopril-Lösung 2 mg/ml (NRF 10.5.)
- DAC/NRF-Rezepturhinweis Enalaprilmaleat (10.10.2023)