Zum Welthypertonietag am 17. Mai: Bluthochdruck medikamentös behandeln
Hypertonie ist eine Zivilisationskrankheit: Knapp jeder 3. Deutsche leidet darunter. Da die Erkrankung häufig symptomlos verläuft, wird sie oft erst spät erkannt und stellt deshalb einen Haupt-Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar.
Ziel einer jeden Therapie ist es, den Blutdruck unter einen individuellen Zielwert zu senken, um die Gefäße langfristig zu schützen.
Medikamentöse Therapie bei Bluthochdruck
Für die Behandlung der Hypertonie stehen verschiedene Arzneimittel zur Auswahl. Laut der aktuellen Versorgungs-Leitlinie, welche 2023 aktualisiert wurde, werden die verfügbaren Wirkstoffe in Antihypertensiva der 1. Wahl und in Reserve-Arzneimittel eingeteilt.
Die Wirkstoffe der 1. Wahl haben ein deutlich geringeres Nebenwirkungspotenzial und häufig weitere positive Effekte auf Komorbiditäten, also weitere Erkrankungen.
Zur Erinnerung: Normale Blutdruckwerte
Nach Angaben der europäischen Fachgesellschaft für Kardiologie sind Werte unter 120/80 mmHg als optimal, von 120–129/80–84 mmHg als normal und von 130–139/85–89 mmHg als hochnormal einzustufen.
Antihypertensiva der 1. Wahl – Was die Leitlinie empfiehlt
Bei einer Hypertonie 1. Grades (systolisch 140–159 mmHg und diastolisch 90–99 mmHg) wird nach Abschätzung des jeweiligen kardiovaskulären Risikos, der Gebrechlichkeit und dem Vorliegen weiterer Erkrankungen in der Regel mit einer Monotherapie gestartet. Bei höheren Ausgangswerten werden direkt zwei oder drei verschiedene Arzneistoffe miteinander kombiniert.
Diese Wirkstoffgruppen gehören in der Leitlinie zu den Arzneimitteln der 1. Wahl:
Wirkstoffgruppe | Gängige Beispiele aus der Apotheke |
---|---|
ACE-Hemmer | Captopril, Enalapril, Ramipril, Lisinopril |
AT1-Rezeptor-Antagonisten | Candesartan, Valsartan, Losartan, Irbesartan |
Calciumkanalblocker | Amlodipin, Lercanidipin, Felodipin, Verapamil |
Thiazidartige Diuretika und Thiazide | Chlortalidon, Indapamid, Hydrochlorothiazid |
Betablocker | Bisoprolol, Atenolol, Metoprolol, Nebivolol |
ACE-Hemmer und AT1-Rezeptor-Antagonisten (Sartane)
Sartane und ACE-Hemmer greifen beide am Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) an. Der Begriff ACE steht für „Angiotensin converting enzym“. Dieses Enzym ist für die Umwandlung von Angiotensin 1 in Angiotensin 2 verantwortlich. Angiotensin 2 dockt anschließend am AT1-Rezeptor an, was zur Blutdruckerhöhung führt.
ACE-Hemmer blockieren diesen Umwandlungsprozess, weshalb der Blutdruck fällt. Die Sartane docken am AT-1-Rezeptor an und blockieren so die Bindungsstelle für Angiotensin 2. Auch hier kommt es zu einer Blutdruckabsenkung.
Wirkstoffe beider Klassen werden häufig als erste Monotherapie eingesetzt und zeigen ein ähnliches Nebenwirkungsprofil, wobei die Sartane keinen Reizhusten auslösen.
Sartane und ACE-Hemmer sollten in der Blutdrucktherapie gewöhnlich nicht kombiniert werden, da sich die Nebenwirkungen, wie beispielsweise Eletrolytverschiebungen, potenzieren können. Beide Wirkstoffklassen sind außerdem 1. Wahl bei einer zusätzlichen chronischen Herzinsuffizienz oder Diabetes.
Calciumkanalblocker mit günstigem Nebenwirkungsprofil
Calciumkanalblocker werden in die Gruppen Dihydropyridine und Nichtdihydropyridine eingeteilt. Aufgrund ihrer strukturellen Unterschiede variiert die blutdrucksenkende Wirkung bezüglich Gefäßerweiterung sowie Wirkung am Herzen.
Die Wirkstoffe hemmen den Einstrom von Calciumionen, was an den Gefäßen zur Blutdrucksenkung führt und am Herzen beispielsweise den Sauerstoffbedarf absenkt.
Calciumkanalblocker haben ein günstiges Nebenwirkungsprofil, sind gut verträglich und stellen die beste Alternative oder Kombination zu den Sartanen bzw. ACE-Hemmern bei Diabetikern oder Personen nach einem Schlaganfall dar.
Gute Wirksamkeit bei thiazidartigen Diuretika und Thiaziden
Thiazidartige Diuretika und Thiazide zeigen eine besonders gute blutdrucksenkende Wirksamkeit, wobei die thiazidartigen Vertreter im niedrigen Dosisbereich stärker und länger wirksam sind im Vergleich zu den Thiaziden.
Typische Nebenwirkungen sind Störungen des Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushaltes, Erhöhung von Blutglukose und Triglyceriden im Blut sowie die Photosensibilisierung der Haut.
Außerdem können sie in höheren Dosen das individuelle Diabetes-Risiko erhöhen. Auch Einnahmefehler aufgrund der erhöhten Ausscheidung von Flüssigkeit über den Urin spielen für den Therapieerfolg eine wichtige Rolle.
Alle Diuretika führen zu einer Elektrolyt- und Wasserausscheidung aus dem Körper und wirken im Nierenmark an verschiedenen Angriffspunkten. Einige Wirkstoffe werden in besonderen Hypertonie-Fällen verordnet.
Schleifendiuretika wie Torasemid werden zum Beispiel bei Nierenerkrankungen eingesetzt oder um zusätzlich Wassereinlagerungen aus dem Körper zu schwämmen. Spironolacton, ein kaliumsparendes Diuretikum, wird niedrig dosiert bei therapieresistenter Hypertonie verwendet.
Betablocker stehen zur Diskussion
Betablocker gehören nach wie vor zu den Wirkstoffen der 1. Wahl, wobei deren Einsatz bereits langjährig diskutiert wird. Hauptgrund ist, dass das Schlaganfallrisiko im Vergleich zu den anderen Wirkstoffen nicht vergleichbar verringert wird.
In der Leitlinie heißt es:
„Da andere gut geprüfte Wirkstoffe zur Verfügung stehen, sieht die Leitliniengruppe keine primäre Indikation für Betablocker bei Hypertonie, wenn keine manifesten kardialen Erkrankungen vorliegen.“
Liegt neben dem Bluthochdruck eine Koronare Herzkrankheit (KHK) vor, sind Betablocker zu bevorzugen.
Reserve-Arzneimittel bei Bluthochdruck
Alpha-Rezeptorblocker gehören nicht zu den Wirkstoffen der 1. Wahl, da sie eine rein symptomatische Blutdrucksenkung hervorrufen und somit keine weiteren positiven Wirkungen bezogen auf Komorbiditäten haben. Beispiele sind Doxazosin oder Urapidil. Sie werden häufig bei gleichzeitiger Prostatahyperplasie eingesetzt.
Anti-Sympathotonika wie Methyldopa stellen Mittel der ersten Wahl bei Schwangerschaftshypertonie dar. Frauen mit Kinderwunsch und erstmaliger Bluthochdruckdiagnose sollten direkt auf einen Wirkstoff dieser Gruppe eingestellt werden.
Vasodilatatoren wie Minoxidil oder Dihydralazin eignen sich besonders für Dialysepatienten. Sie haben dennoch zahlreiche Nebenwirkungen, weshalb die Patienten beim Therapiestart engmaschig kontrolliert werden müssen.
In besonderen Fällen: Kombinationstherapie bei Hypertonie
Schlägt die Monotherapie nicht an, werden verschiedene Wirkstoffe miteinander kombiniert oder die Monotherapie gewechselt. Bei schweren Formen der Hypertonie können drei oder mehr Wirkstoffe zusammenkommen.
Da viele Hypertoniker zahlreiche Medikamente einnehmen, sollten verfügbare Kombi-Präparate immer bevorzugt verordnet werden. So wird die Therapietreue langfristig verbessert.
Der Welthypertonietag auf PTAheute.de
Im Jahr 2005 hat die World Hypertension League einen Aktionstag zum Bluthochdruck ins Leben gerufen. Jedes Jahr am 17. Mai finden weltweit zum „World Hypertension Day“ Veranstaltungen statt, um auf die Volkskrankheit aufmerksam zu machen.
Das Motto in diesem Jahr lautet „Messen Sie Ihren Blutdruck richtig, kontrollieren Sie ihn und leben (dadurch) länger“.
Auf PTAheute.de unterstützen wir diese Aktion mit ausgesuchten Beiträgen zum Bluthochdruck.
Unter anderem erfahren Sie, auf welche Wechselwirkungen und Kontraindikationen bei Bluthochdruck-Medikamenten zu achten ist. Und unsere Rezepturexpertin Dr. Annina Bergner erklärt, welche Rezepturen es für die Behandlung von Bluthochdruck bei Kindern gibt. Weitere Artikel beschäftigen sich mit dem richtigen Blutdruckmessen bei Kindern, der pDL in der Apotheke und was Bluthochdruck-Patienten beim Sport beachten sollten.
Tipps für die Beratung von Hypertonikern
Viele Patienten in der Apotheke leiden an Bluthochdruck, doch den wenigsten sieht man es an. Bei folgenden Arzneimitteln oder Wirkstoffgruppen lohnt es sich im Handverkauf, besonders gut nachzufragen.
Pseudoephedrin
Medikamente, die diesen Wirkstoff enthalten, sollten bei schwerem oder unkontrolliertem Bluthochdruck nicht eingenommen werden. Es wirkt sympathomimetisch, was eine Gefäßverengung begünstigt und so zu einem Blutdruckanstieg führt.
Pseudoephedrin ist in vielen Erkältungspräparaten wie Aspirin® Complex, BoxaGrippal® oder Reactine® Duo enthalten, da es die Nasenschleimhaut abschwellt und zum besseren Durchatmen verhilft. Ähnlich verhält es sich mit dem Stoff Phenylephrin, welcher in GeloProsed® vorkommt.
NSAR – Therapiedauer und Dosierung hinterfragen
Schmerzmittel aus der Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika wie Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen oder Diclofenac können die blutdrucksenkende Wirkung einiger Medikamente abschwächen.
Der Blutdruck wird zwar durchschnittlich nur um circa 5 mmHg gesenkt, dennoch sollten vor der Abgabe bestimmte Risikofaktoren hinterfragt werden. Grenzen der Selbstmedikation stellen beispielsweise eine zusätzliche Nierenfunktionsstörung oder eine Herzinsuffizienz dar.
Gegen eine kurze Therapiedauer ist in der Regel nichts einzuwenden, Therapiealternativen sollten dennoch geprüft werden. Dies gilt vor allem dann, wenn höhere Dosen eingenommen werden.
Nasenspray – nicht immer geeignet
Mometason-haltige Nasensprays zur Behandlung der saisonalen allergischen Rhinitis können bei langfristiger und hoher Dosierung auch systemische Wirkungen zeigen. Glucocorticoide haben einen Einfluss auf den Elektrolyt- und Wasserhaushalt des Körpers und können so den Blutdruck ansteigen lassen. Diese Nebenwirkung tritt allerdings deutlich seltener auf als bei einer oralen Langzeittherapie.
Auch abschwellende Nasensprays mit den Wirkstoffen Xylometazolin, Oxymetazolin oder Tetryzolin haben eine potenziell blutdrucksteigernde Wirkung. Sie gehören zur Wirkstoffklasse der Alpha-Sympathomimetika und führen in der Nase zur Gefäßverengung, was die Nasenschleimhaut abschwellen lässt.
In den jeweiligen Fachinformationen wird von einer Kombination mit Antihypertensiva generell abgeraten, was die potenzielle systemische Wirkung bestätigt. Quellen:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/11/08/betablocker-bei-bluthochdruck-keine-erste-wahl-oder
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/05/22/hypertonie-und-nsar/chapter:2
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-222012/nebenwirkung-hypertonie/
aktuelle Leitlinie von 2023: https://register.awmf.org/assets/guidelines/nvl-009k_S3_Hypertonie_2023-06.pdf
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