Ergebnisse einer Beobachtungsstudie: Erhöht HCT das Hautkrebsrisiko?
In der Behandlung von Bluthochdruck (Hypertonie) nimmt das Diuretikum Hydrochlorothiazid (HCT) als First-Line-Therapeutikum einen festen Stellenwert ein. Seine Molekülstruktur erhöht allerdings die Phototoxizität der Haut: HCT scheint Photonen zu absorbieren und die Energie an das umliegende Gewebe abzugeben.
Einerseits können dadurch direkte DNA-Schäden auftreten, andererseits kann eine krebserzeugende Wirkung auch indirekt erfolgen: indem dabei freie Radikale, chronische Entzündungs- und Proliferationsprozesse induziert werden.
Zur Erinnerung: Wie wirkt HCT?
Hydrochlorothiazid (HCT) ist ein harntreibendes Mittel, das zur Gruppe der Thiazid-Diuretika gehört. Es hemmt die Rückresorption von Natrium und Chlorid im frühdistalen Tubulus. Dadurch wird mehr NaCl und (osmotisch bedingt) auch mehr Wasser ausgeschieden.
Angewendet wird HCT beispielsweise zur Ödemausschwemmung, zur Blutdrucksenkung und bei Herzinsuffizienz. Häufig findet man HCT in Fixkombinationen mit dem ACE-Hemmer Ramipril. /red
Studie untersucht erhöhtes Krebsrisiko
In einer großen Kohortenstudie werteten Wissenschaftler nun anonymisierte Patientendaten einer deutschen Krankenkasse aus, um herauszufinden, ob sie bei Patienten mit HCT-Medikation retrospektiv ein erhöhtes Krebsrisiko feststellen können oder nicht.
Hierin wurden erwachsene AOK-Plus-Versicherte eingeschlossen, die zwischen 2010 und 2012 jährlich mindestens 100 definierte Tagesdosen von Hydrochlorothiazid erhielten. Patienten, die ein anderes Diuretikum als HCT einnahmen, dienten als Vergleichsgruppe. Der Nachbeobachtungszeitraum (Follow-up) betrug acht Jahre.
Da sich beide Gruppen in den Basischarakteristika wie beispielsweise Alkoholkonsum unterschieden, erfolgte eine paarweise Zuordnung der Patienten in Fall- und Kontrollgruppe. So wollten die Forscher verhindern, dass Faktoren wie Rauchen oder ein erfolgtes Hautkrebs-Screening die Ergebnisse verzerren. Jede Gruppe umfasste 61.277 Patienten.
Bei HCT-Einnahme: Hautkrebsrisiko leicht erhöht
Nach Auswertung ihrer Analyse stellten die Forscher fest, dass die Behandlung mit HCT tatsächlich zu einer geringfügig höheren Inzidenz von Hautkrebs-Erkrankungen führt. Zudem variiert die Inzidenzrate signifikant über die Zeit. Konkret lag die Anzahl an Neuerkrankungen unter HCT bei 0,39 pro 100 Personenjahre gegenüber 0,34 in der Kontrollgruppe. Somit treten in 100 Patientenjahren 0,05 Hautkrebs-Diagnosen mehr auf. Der Unterschied ist zwar statistisch signifikant, allerdings nur sehr gering.
Auf alle Krebsarten bezogen zeigte sich für HCT interessanterweise jedoch eine niedrigere Inzidenzrate pro 100 Patientenjahre: Sie betrug 1,86 pro 100 Patientenjahre unter HCT versus 2,20 pro 100 Patientenjahre in der Kontrollgruppe.
Die Daten der vorliegenden Kohortenstudie decken sich mit einer früheren Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Studien, die 260.447 Patienten einschlossCopland E. Antihypertensive treatment and risk of cancer: an individual participant data meta-analysis. Lancet Oncol 2021;22(4):558-570, doi: 10.1016/S1470-2045(21)00033-4 . Diese Analyse konnte kein Antihypertensivum identifizieren, welches das Krebsrisiko erhöht. Auch bewertete sie Thiazide als neutral im Hinblick auf die Inzidenz von Krebs jeder Art sowie Todesfälle durch Krebs.
Prävention ist bester Schutz
Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass eine Beobachtungsstudie keine Kausalität belegen kann. Die größte Schwäche sei, dass bedingt durch die Art der Datenerhebung weder Sonnenexposition noch Hauttyp berücksichtigt werden konnten. Beide Faktoren beeinflussen jedoch maßgeblich das Hautkrebsrisiko.
Das erhöhte Hautkrebsrisiko unter HCT betrifft hauptsächlich semimaligne Typen („halb-bösartig“), die behandelbar sind. Vor diesem Hintergrund müssen in der Nutzen-Risiko-Abwägung auch die Risiken einer unzureichenden antihypertensiven Therapie berücksichtigt werden, wie beispielsweise Hypertonie-bedingte Endorganschäden. Aus Sicht der Autoren sollte Angst vor Hautkrebs daher nicht zu einem Pausieren oder Absetzen von HCT führen.
Stattdessen müssen Patienten mit einem erhöhten Hautkrebsrisiko identifiziert und geschützt werden. Sie sollten ihre Sonnenexposition so gering wie möglich halten und konsequent auf zuverlässigen UV-Schutz achten.