Kapseln aus Fertigarzneimitteln herstellen – so geht’s
Aus einer Apotheke erreichte uns folgende Anfrage:
„Wir sollen für ein Kind 120 Kapseln mit jeweils 5 mg Macitentan herstellen. Der Wirkstoff ist als Rezepturgrundstoff nicht erhältlich, wir wollen daher das Fertigarzneimittel Opsumit® 10 mg Filmtabletten verwenden. Müssen wir bei der Weiterverarbeitung der Tabletten einen Überschuss berücksichtigen?
Viele Wirkstoffe werden für Kinder vom Arzt in individueller Dosierung als einzeldosierte Arzneiform verordnet. Häufig verschriebene Wirkstoffe sind dabei Captopril, Furosemid, Hydrochlorothiazid, Spironolacton und verschiedene Glucocorticoide. Aus pharmazeutischen Gründen sollte zur Herstellung der Zubereitung der Wirkstoff als Rezepturgrundstoff eingesetzt werden, denn Fertigarzneimittel sind nicht zur Weiterverarbeitung konzipiert.
Häufig sind entsprechende Rezeptursubstanzen jedoch nicht erhältlich und eine Herstellung ist nur durch Verwendung eines geeigneten Fertigarzneimittels möglich. Hierzu sind Tabletten und Filmtabletten geeignet, retardierte Darreichungsformen können grundsätzlich nicht verwendet werden.
Im vorgestellten Rezepturbeispiel soll der Wirkstoff Macitentan, der zu den Endothelin-Rezeptor-Antagonisten gehört und bei pulmonal arterieller Hypertonie eingesetzt wird, in Hartgelatine-Kapseln verpackt werden. Die Herstellung muss durch Verwendung eines Fertigarzneimittels erfolgen.
Bei pädiatrischen Kapseln sollte die Menge an Füllstoff gering gehalten und deshalb eine möglichst kleine Kapselgröße ausgewählt werden. Die in Apotheken üblicherweise vorhandenen Kapselfüllmaschinen lassen allerdings meist nur die Größen 0 (0,68 ml) und 1 (0,5 ml) zu.
Fertigarzneimittel im Überschuss verwenden
Zur Herstellung der gewünschten Anzahl an Kapseln werden 600 mg Wirkstoff benötigt, diese sind in 60 Tabletten des Fertigarzneimittels Opsumit® 10 mg enthalten. Aufgrund einer Schwankungsbreite des Gehalts der einzelnen Tabletten im zweistelligen Prozentbereich müssen diese im Überschuss verarbeitet werden. Ansonsten kann es leicht zu einer Unterdosierung der hergestellten Kapseln kommen.
Eine genaue Größe zur Festlegung dieses Überschusses existiert dabei nicht. Das NRF empfiehlt in seinem Rezepturhinweis „Kapseln für die pädiatrische Anwendung“ mindestens eine zweistellige Anzahl an Tabletten einzusetzen.
Ist die benötigte Wirkstoffmenge beispielsweise in fünf Tabletten enthalten, so sind mindestens zehn Tabletten fein zu pulvern und daraus die benötigte Menge abzuwiegen. Zur Herstellung der Macitentan-Kapseln werden ohnehin 60 Fertigarzneimittel-Tabletten benötigt, so dass mögliche Gehaltsschwankungen allein durch die hohe Anzahl ausgeglichen werden sollten.
Ein Überschuss ist trotzdem nötig, denn beim Verreiben der Tabletten in der rauen Reibschale lassen sich Pulververluste nicht vermeiden. Zudem müssen bei der Verwendung von Filmtabletten möglicherweise Bruchstücke des Überzugs abgesiebt werden.
Hinzu kommt noch ein Produktionszuschlag
Schon allein aufgrund der Herstellungsmethode treten bei der Herstellung von Kapseln zwangsläufig Verluste auf. Um eine Unterdosierung der Kapseln zu vermeiden, wird daher ein Produktionszuschlag empfohlen.
Unabhängig von der Herstellungstechnik beträgt dieser Wirkstoff-Zuschlag grundsätzlich 5 %. Bei niedrig dosierten Kapseln unter 20 mg Wirkstoff pro Kapsel liegt der Zuschlag sogar bei 10 %. Der Wirkstoff-Produktionszuschlag gilt dabei nicht nur bei der Verwendung der Rezeptursubstanz, sondern auch bei Fertigarzneimittel-Pulver. Im Rezepturbeispiel werden rein rechnerisch 600 mg Wirkstoff benötigt, bei einem Zuschlag von 10 % sollen zur Herstellung also 660 mg eingesetzt werden.
Gut zu wissen: Wie viel Pulver muss abgewogen werden?
Zehn Tabletten wiegen 0,74 g, die Durchschnittsmasse einer Tablette beträgt also 0,074 g. Zur Herstellung von 120 Kapseln werden 600 mg Wirkstoff benötigt, diese sind rein rechnerisch in 60 Tabletten des Fertigarzneimittels enthalten. Diese 60 Tabletten entsprechen einer Pulvermenge von 4,44 g, dazu kommt noch der Produktionszuschlag von 10 %.
Zur Herstellung von 120 Kapseln mit je 5 mg Macitentan werden also 4,884 g gepulvertes Fertigarzneimittel (Opsumit 10 mg®) abgewogen. Der Rest kann verworfen werden.
Was sagt die Arzneimittelpreisverordnung?
Da bei der Verwendung von Fertigarzneimitteln bei der Arzneimittelherstellung in der Apotheke oft Anbrüche übrig bleiben, taucht immer wieder die Frage nach der Abrechnung mit den Krankenkassen auf. Bei der Taxation ist dabei der Einkaufspreis der erforderlichen Packungsgröße entscheidend, laut Arzneimittelpreisverordnung ist eine Abrechnung dieser Anbrüche erlaubt. Trotzdem wird dies von den Krankenkassen teilweise anders interpretiert.
Zum Schutz vor Retaxationen wäre eine eindeutige Klarstellung in den Arzneiversorgungsverträgen oder in der Hilfstaxe hilfreich. Im Rahmen einer wirtschaftlichen Versorgung sollten Reste eines Anbruchs aufbewahrt und für eine erneute Zubereitung verwendet werden. Das Datum des Anbruchs muss notiert werden.
Verblisterte Tabletten eines Fertigarzneimittels können bis zum Verfalldatum gelagert und zur Herstellung verwendet werden. Allerdings darf die Aufbrauchsfrist der hergestellten Kapseln nicht über das Verfalldatum hinausgehen.
Welcher Füllstoff ist geeignet?
Grundsätzlich soll bei der Weiterverarbeitung von Tabletten zu Kapselrezepturen als Füllstoff ein Hilfsstoff zum Einsatz kommen, der bereits im Fertigarzneimittel enthalten ist. Dadurch werden nicht unnötigerweise weitere Stoffe in die Pulvermischung eingebracht und es kann zudem von einer Verträglichkeit ausgegangen werden.
Die genauen Bestandteile des Fertigpräparats können in der Fachinformation unter dem Punkt 6.1 „Liste der sonstigen Bestandteile“ nachgelesen werden. Die Opsumit® Tabletten enthalten als Hilfsstoff unter anderem Lactose-Monohydrat, so dass sich die Verwendung dieses Zuckers als Füllstoff anbietet. Bei genetisch bedingter Lactoseintoleranz, also einem Fehlen des Enzyms Lactase, darf der Zucker allerdings nicht eingesetzt werden.
Bei der viel häufiger vorkommenden erworbenen Lactoseunverträglichkeit werden die verwendeten geringen Mengen meist problemlos vertragen. Lactose-Monohydrat weist bei geringer Teilchengröße eine relativ schlechte Fließeigenschaft auf, ein Zusatz von 0,5 % Hochdispersem Siliciumdioxid zur Fließregulierung kann Abhilfe schaffen.
Massenbasierte Herstellung nicht möglich
Mittlerweile wird gerade bei niedrig dosierten Kapselrezepturen eine massenbasierte Herstellung empfohlen. Dabei wird der Wirkstoff in einer glatten Schale aus Edelstahl mit dem Füllmittel ohne Verreibung vermischt.
Voraussetzung für diese Herstellungsmethode ist, dass die Schüttdichte der Pulvermischung hauptsächlich vom Füllmittel bestimmt wird. Außerdem sollte als Füllmittel das Standardfüllmittel aus Mannitol 99,5 % und Siliciumdioxid 0,5 % nach NRF S.38. verwendet werden.
Eine Herstellung von Kapseln aus gepulverten Fertigarzneimittel-Tabletten ist nach dieser Methode also nicht möglich.
Ergänzungsmethode als Alternative
Eine rezepturmäßige Befüllung der Hartgelatine-Steckkapseln mit dem gepulverten Fertigarzneimittel ist am einfachsten nach der Ergänzungsmethode möglich. Zur Herstellung ist eine glatte Schale, vorzugsweise eine Fantaschale aus Edelstahl, zu verwenden.
Bei dieser Methode wird die genau abgewogene Menge an gepulvertem Fertigarzneimittel zunächst mit etwas Füllmittel zu einem Konzentrat vermengt. Dieses Konzentrat wird auf die geöffneten Kapselunterteile möglichst gleichmäßig verteilt. Anschließend können die Unterteile mit reinem Füllmittel aufgefüllt werden, unter vorsichtigem Aufklopfen des Kapselfüllgerätes sollen diese sogar geringfügig überfüllt werden. Dieser geringe Zuschlag an Füllmittel sorgt bei der späteren Kapselfüllung für eine ausreichende Pulvermenge.
Die befüllten Unterteile werden vollständig am besten auf eine Kapselmatte entleert. Die Pulvermischung wird dann in der Fantaschale mit einem Kartenblatt verrührt und danach gleichmäßig auf die Kapselunterteile verteilt. Idealerweise wird die Pulvermischung gleichmäßig auf das Kapselbrett aufgebracht und dann die einzelnen Unterteile befüllt.
Hinweis zur Festlegung der Aufbrauchfrist
Grundstoffe zur Herstellung von Arzneimitteln können bis zum letzten Tag ihrer Haltbarkeit zur Herstellung von Rezepturen verwendet werden, danach schließt sich ganz normal die Aufbrauchfrist für den Patienten an. Das liegt daran, dass Ausgangsstoffe bis zum Schluss ihrer Haltbarkeit den im Arzneibuch angegebenen Mindestgehalt aufweisen müssen.
Bei Fertigarzneimitteln ist das anders. Hier schließt dessen Spezifikation die zulässige Gehaltsabnahme bereits ein. Kommt bei einer Rezeptur ein Fertigarzneimittel zum Einsatz, kann die daraus hergestellte Zubereitung nie länger haltbar sein als das verwendete Arzneimittel. Quellen:
- DAC/NRF-Rezepturhinweis: Kapseln für die pädiatrische Anwendung (28.05.2020)
- Fachinformation Opsumit 10 mg Filmtabletten
- Bergner A.: Praxishilfe Rezeptur, Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Apotheke, 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart 2021.
- D. Repky, T.Schulz: Kapselherstellung, Vortrag im Rahmen des DAV-Rezeptursommers 2023
Frage aus der Rezeptur?
Sie hatten eine schwer oder gar nicht herstellbare Rezeptur? Die Inhaltsstoffe waren beispielsweise nicht kompatibel? Die Phasen haben sich getrennt oder Ähnliches? Dann schicken Sie uns gerne eine Kopie des Rezepts. Wir greifen interessante Rezepturthemen in unserer Rubrik „Fragen aus der Rezeptur“ auf.
Die Anfragen werden von unserer erfahrenen Rezeptur-Expertin Dr. Annina Bergner oder einem anderen kompetenten Ansprechpartner bearbeitet. Hierfür wird Ihre Anfrage per E-Mail weitergeleitet. Ihre persönlichen Daten werden nach der Bearbeitung gelöscht. Bitte beachten Sie, dass wir keine akute Hilfestellung vor der Abgabe leisten können.