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Wer als Kind zu dick ist, bleibt das oft auch als Erwachsener

Dicker Junge hält Massband um Bauch
Das Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen hat durch die Pandemie stark zugenommen. Wie kann Kindern geholfen werden? | Bild: kwanchaichaiudom / AdobeStock

Die Analyse von Versichertendaten verschiedener Krankenkassen hat in den letzten Jahren gezeigt, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit krankhaftem Übergewicht deutlich gestiegen ist. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnten einer Analyse zufolge in 25 Jahren rund ein Drittel der Kinder und jungen Erwachsenen weltweit übergewichtig oder fettleibig sein.

Was sind die Ursachen dafür und wie kann dieser Trend abgewendet werden?

Zahl der Übergewichtigen weltweit stark gestiegen

Ein Forschungsteam um Jessica Kerr vom Murdoch Children’s Research Institute in Melbourne (Australien) kommt zu der Prognose: Jeder dritte junge Mensch mit Adipositas (130 Millionen) wird in 25 Jahren in einer von zwei Regionen leben: Nordafrika/Naher Osten oder Lateinamerika/Karibik.

In den vergangenen Jahren hatte sich die Adipositas-Krise immer deutlicher gezeigt. Der Berechnung zufolge haben sich die Raten von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen ab 25 Jahren sowie Kindern und Jugendlichen zwischen 5 und 24 Jahren in den letzten drei Jahrzehnten (1990 bis 2021) global mehr als verdoppelt. 

Mit einem weiteren deutlichen Anstieg sei gerade bei Adipositas zu rechnen: Bis 2050 könne die Gesamtzahl fettleibiger Kinder und Jugendlicher von rund 174 Millionen auf dann etwa 360 Millionen steigen.

Die Gruppe um Kerr hatte für die im Fachmagazin „The Lancet“ vorgestellte Studie Daten des Projekts „Global Burden of Disease“ (GBD) genutzt. Bei 18- bis 24-Jährigen wurde der BMI als Referenzwert für Übergewicht und Adipositas herangezogen. Für Kinder und Jugendliche gelten andere Grenzwerte nach den Kriterien der International Obesity Task Force.

Für 2050 errechneten die Wissenschaftler, dass der Anteil der Fettleibigen unter den männlichen Kindern zwischen 5 und 14 Jahren im globalen Mittel sogar höher liegen könnte als der Anteil der Übergewichtigen. 

In Ländern mit hohem Einkommen, zu denen auch Deutschland zählt, erwarten sie etwa gleiche Anteile an Übergewichtigen und Fettleibigen in dieser Altersgruppe.

Übergewicht hat weitreichende Folgen für Gesellschaft

Die immense Zunahme werde sowohl gesundheitliche als auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen haben, warnt das Forschungsteam. Mehr Herz-, Atem- und Fruchtbarkeitsprobleme, Diabetes, Krebs sowie psychische Probleme könnten die Folge sein. 

Die Ergebnisse wiesen auf „monumentale gesellschaftliche Versäumnisse und einen Mangel an koordinierten globalen Maßnahmen“ hin, so Kerr. Zumindest einige Länder sind bereits aktiv geworden: Beispielhaft werden das Verbot zuckerhaltiger Getränke an Schulen sowie Veränderungen beim Schulessen und beim Sportunterricht genannt.

Corona-Pandemie führte zum Anstieg der Fallzahlen

Als Ursache für die Entwicklung nennen die Studienautoren recht allgemein Veränderungen etwa bei der Mediennutzung und die Umstellung hin zu westlichen Ernährungsweisen. 

Neue Therapien wie die sog. Abnehmspritzen werden in der Studie nicht speziell erwähnt. Sie stützt sich jedoch auf Daten der Jahre 1990 bis 2021, in denen diese Therapien noch keine große Rolle spielten, schon gar nicht bei Kindern – künftig könnte also ein Effekt deutlich werden. 

Keine Erwähnung findet zudem, dass die Corona-Pandemie mit den damit verbundenen Einschränkungen – etwa Sportangebote betreffend – den Anteil Übergewichtiger in vielen Ländern steigen ließ

Ob sich das Problem damit nur zeitweise oder aber anhaltend verschärfte, ist vielfach noch unklar. Beide Faktoren könnten großen Einfluss auf die Entwicklung der Zahlen in den kommenden Jahrzehnten haben.

Wie kann Kindern mit Adipositas geholfen werden?

„Dieser Trend ist dramatisch, denn im Kindesalter werden die Grundsteine für eine gute Gesundheit im Erwachsenenalter gelegt“, erklärt Aileen Könitz, Ärztin und Expertin für psychiatrische Fragen bei der Kaufmännischen Krankenkasse in Hannover (KKH).

Sei Übergewicht schon in jungen Jahren extrem, drohten gesundheitliche Folgen wie Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen oder auch Gelenkverschleiß und eine geringere Lebenserwartung.

Kinder und Jugendliche, die an Adipositas leiden, sind häufig auch Diskriminierung und Mobbing ausgesetzt. Das schwäche nicht nur das Selbstwertgefühl, sondern könne auch „zu psychischen Erkrankungen wie Ängsten oder einer Depression führen“, erklärt die Ärztin. Aber gegen Fettsucht kann man etwas unternehmen. Hier sieht Könitz vor allem die Eltern als zentrales Vorbild zur Vorbeugung. Sie rät ihnen:

Schaffen Sie bei Ihrem Kind ein Bewusstsein für die Risiken von Übergewicht und die persönliche Verantwortung für die eigene Gesundheit.“

Im Kampf gegen unliebsame Pfunde komme es vor allem darauf an, dass Kinder ihren Lebensstil und ihr Verhalten ändern wollen, motiviert mitarbeiten und psychisch gestärkt werden – was Eltern „viel Kraft, Geduld und Durchhaltevermögen“ abverlange.

Falsche Ernährung und Bewegungsmangel schon vor Corona ein Thema

Christine Joisten, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindesalter der KKH, macht darauf aufmerksam, dass die Pandemie zwar die Rolle der digitalen Medien „hochgespült“ habe, aber schon vorher hätten sich die Kinder zu wenig bewegt und hochkalorische Lebensmittel konsumiert. 

Gleichzeitig beklagt sie den Rückgang bei ambulanten Therapiezentren: „Wir kriegen diese Kinder nicht versorgt.“ Sie fordert, die richtigen Schlüsse aus der Untersuchung zu ziehen und ein einheitliches System der Kostenübernahme einzurichten – bislang könnten Krankenkassen die Kosten übernehmen, müssten es aber nicht.

„Das Ausmaß der Epidemie ist so groß, dass Lösungen in Form von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit gefunden werden müssen“, betont auch Thorkild Sørensen von der Universität Kopenhagen, in einem Kommentar in „The Lancet“ zur oben genannten Studie. Noch sei unklar, welche Maßnahmen dabei sowohl machbar als auch wirksam sein werden. Quelle: dpa / mia