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Insomnie als unerwünschte Nebenwirkung

Rund ein Drittel der Menschheit schläft schlecht – wobei die lokale Prävalenz stark zwischen 5 und 30 Prozent schwankt. Für Deutschland gibt das Robert Koch-Institut (RKI) eine Prävalenz von Schlaflosigkeit mit 5,7 Prozent an.
Insomnie, also Ein- oder Durchschlafstörungen, ist dennoch insgesamt weit verbreitet und hat Folgen für die Gesundheit. Neben einer verschlechterten Lebensqualität, Tagesmüdigkeit und Gereiztheit kann auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Angststörungen und viele weitere Erkrankungen steigen.
Insomnie bei vielen Arzneimitteln eine Nebenwirkung
Die Ursachen sind vielfältig. Eine wird aber oft nur wenig beachtet oder ist sogar manchmal recht überraschend. Viele Arzneimittel bringen nämlich Insomnie als unerwünschte Wirkung mit sich – in manchen Fällen direkt, weil sie eine aufputschende, stimulierende und wachmachende Wirkung insbesondere auf das Nervensystem haben, in anderen Fällen indirekt, weil sie Effekte erzeugen, die die Anwendenden wachhalten können.
Ein Blick in die „Nebenwirkungs“-Datenbank Sider offenbart allein 636 Wirkstoffe, für die Insomnie als unerwünschte Wirkung bekannt ist.
Bei Erkältung: Kombipräparate können wach halten
Bei einigen Arzneimitteln ist die schlafstörende Wirkung relativ offensichtlich. Dazu zählen beispielsweise Kombipräparate gegen die Symptome grippaler Infekte. Einige davon enthalten Coffein als „Muntermacher“ gegen das Krankheitsgefühl, in anderen stecken Derivate von Pseudoephedrin, was sowohl abschwellend als auch aufputschend wirkt.
Für viele Menschen sind daher solche Erkältungskombipräparate vor dem Zubettgehen eher kontraindiziert. Einige Hersteller haben mittlerweile allerdings unterschiedlich kombinierte Präparate im Angebot, also eines für den Tag und eine andere Kombination für die Nacht.
Stimmungsaufhellende Psychopharmaka stören den Schlaf
Eine andere Wirkstoffklasse, bei der im Allgemeinen eine schlafstörende Wirkung angenommen wird, sind die verschiedenen Psychopharmaka, die mit Neurotransmittern und deren Rezeptoren im Zentralen Nervensystem interagieren. Das stimmt allerdings nur zum Teil – es kommt auf den Wirkstoff an und auf das Individuum.
Zu den Klassen mit bekannter Nebenwirkung Insomnie gehören etwa:
- Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie etwa Fluoxetin
- Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) wie etwa Venlafaxin
- Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer (SNDRI) wie etwa Bupropion
Sie haben eine stimmungsaufhellende und antriebssteigernde Wirkung – und bewirken damit bereits primär das Gegenteil von Müdigkeit.
Andere Antidepressiva allerdings wie etwa Mirtazapin aus der Gruppe der noradrenergen und spezifisch serotonergen Antidepressiva (NaSSA) wirken eher beruhigend. Auch etliche tricyclische Antidepressiva wie etwa Doxepin haben eher stark dämpfende Wirkungen.
Der Welttag des Schlafes auf PTAheute.de
Jedes Jahr am dritten Freitag im März wird der Weltschlaftag begangen. Dieses Datum liegt immer kurz vor der Tagundnachtgleiche – also jenem Tag, an dem der Tag und die Nacht gleich lang sind.
Schlaf ist nicht nur wichtig, um sich vom Tag zu erholen. Ausreichend und erholsamer Schlaf spielt eine wesentliche Rolle für unsere Gesundheit. Deshalb widmen wir uns auf PTAheute.de anlässlich des Weltschlaftages dem Thema Schlaf.
Ausgewählte Artikel informieren Sie darüber, wie wir im Schlaf lernen, was hinter der Wolfsstunde steckt und ob Mittagsschlaf wirklich gesund ist. Wir sprechen aber auch darüber, wenn es mit dem Schlaf nicht klappen will: Insomnie als Nebenwirkung von Arzneimitteln und in welchen Arzneimitteln Melatonin steckt und worin sie sich unterscheiden.
Wirkung auf den Schlaf oft individuell
Auch bei vielen Antipsychotika (Neuroleptika) ist Insomnie eine mögliche unerwünschte Wirkung – in vielen Fällen ist das aber sehr individuell. So kann es bei einem Patienten unter Wirkstoffen wie Perphenazin, Fluphenazin, Chlorprothixen, Risperidon, Ziprasidon oder Haloperidol zu Schlafstörungen kommen, in anderen Fällen machen sie eher müde. Bekannt ist, dass insbesondere abruptes Absetzen der Wirkstoffe zu Schlaflosigkeit führen kann.
Auch Antiepileptika und Dopaminersatzstoffe, die bei Morbus Parkinson gegeben werden, beeinflussen den Schlaf. Die meisten Antikonvulsiva machen zwar tendenziell eher müde, wenn sie das GABA (Gamma-Amino-Buttersäure)-Rezeptor-System beeinflussen (indem sie GABA hochregeln oder substituieren) – einige Natriumkanalblocker wie etwa Lamotrigin können allerdings sowohl müde machen als auch zu Insomnie führen.
Dopamin-beeinflussende Wirkstoffe können in hohen Dosen zu Insomnie führen. Tatsächlich lässt sich aber insgesamt bei Wirkstoffen, die unmittelbar im Nervensystem wirken, die tatsächliche Wirkung auf den Schlaf nur individuell ermitteln.
Arzneimittel, die indirekt den Schlaf beeinflussen können
Erwartet man von neurologisch aktiven Wirkstoffen oder Anregungsmitteln bereits eine Wirkung in Richtung Insomnie, ist das bei vielen anderen Wirkstoffen eine mitunter unerwartete unerwünschte Wirkung.
Dazu gehören einige Analgetika, Wirkstoffe gegen Bluthochdruck, Herzmittel, Appetitzügler, Diuretika und auch Hustenmittel sowie einige Antibiotika. Dabei ist die Wirkung in einigen Fällen direkt, weil das Nervensystem oder das Hormonsystem beeinflusst werden, in manchen Fällen aber auch indirekt.
Diuretika zum Beispiel können den Schlaf stören, indem sie zu nächtlichem Harndrang führen. Anderseits können sie auch müde machen: als Nebeneffekt einer Austrocknung oder wenn der Kaliumspiegel durch den vermehrten Harndrang nach unten oder auch nach oben aus dem Normbereich gerät.
Bei Analgetika gibt es ebenfalls eher eine indirekte Wirkung auf den Schlaf. Wer regelmäßig Schmerzmittel einnimmt, kann um den Schlaf gebracht werden durch Verdauungsstörungen, Sodbrennen oder Magenschmerzen, die aus dem häufigen Gebrauch etwa von Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Paracetamol entstehen können. Protonenpumpenhemmer können dagegen oft vorsorgen.
Insomnie bei Betablockern bekannte Nebenwirkung
Opioide wie Fentanyl oder Tilidin allerdings, die ja unmittelbar im Nervensystem an den entsprechenden Opioid-Rezeptoren wirken, können den Schlaf-wach-Rhythmus unmittelbar verändern. Dann sind Betroffene etwa tagsüber schläfrig, aber nachts hellwach.
Bei den Antihypertonica ist für Betablocker Insomnie als mögliche Nebenwirkung bekannt – wobei schlechter Schlaf auch zu hohem Blutdruck führen kann. Dabei ist eine gute Einstellung auf die Wirkstoffe wichtig.
Forschungen zeigen, dass es dabei unter anderem auf die Lipophilie des Wirkstoffs ankommt. Sehr lipophile Moleküle wie beispielsweise Metoprolol können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und gelten als eher Insomnie auslösend im Zentralen Nervensystem.
Bisoprolol beispielsweise gilt als weniger schlafstörend. Eine Wechselwirkung mit dem Melatoninsystem der Hypophyse wird vermutet – in einigen Fällen ließen sich Schlafstörungen durch Betablocker mithilfe einer Melatonin-Gabe verbessern.
Unter den Herzmitteln und Appetitzüglern, die zu Schlaflosigkeit führen können, betrifft dies vor allem die Wirkstoffe, die einen direkten Einfluss auf das Nervensystem beziehungsweise auf Neurotransmitter haben.
Auch Antibiotika können schlafstörend wirken
Dass auch einige Antibiotika zu Insomnie führen können, ist oft eher überraschend. Die genauen Wirkmechanismen sind zum Teil nicht bekannt – vermutet wird unter anderem ein Einfluss auf das Darmmikrobiom.
Aus dem weiten Spektrum der vielen verschiedenen Antibiotika interagieren aber auch manche unerwünscht, etwa direkt mit dem Nervensystem. Beispielsweise kann ein oft angewendeter Wirkstoff wie Amoxicillin zu Psychosen führen.
Fazit: Es gibt viele Wirkstoffe, die zu Insomnie als unerwünschte Wirkung führen können. Das ist in den meisten Fällen selten oder individuell verschieden. Oft kann eine Umstellung der Medikation nach Rücksprache mit dem Behandelnden dabei helfen. Quellen:
https://edoc.rki.de/handle/176904/1502
http://sideeffects.embl.de/se/C0917801/
https://www.nature.com/articles/s41598-020-76562-9
https://www.akdae.de/arzneimittelsicherheit/bekanntgaben/newsdetail/akute-psychotische-reaktion-nach-amoxicillin/clavulansaure-uaw-news-international
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/10/16/insomnie-als-nebenwirkung-von-arzneimitteln