Aktuelles

In der Apotheke werden PTA mit den unterschiedlichsten Themen konfrontiert. Lesen Sie hier die tagesaktuellen News aus den Bereichen Pharmazie, Forschung, Ernährung, Gesundheit und vielem mehr. Bleiben Sie informiert, um Ihre Kunden stets kompetent zu beraten.

4 min merken gemerkt Artikel drucken

Tilidin: Konsum bei jungen Menschen steigt

männliche Hand hält Blister von Stada Tilidin 50 mg
Angeregt durch die Rapper-Szene konsumieren Jugendliche zunehmend Tilidin. | Foto: Tobias Arhelger / AdobeStock

Experten warnen, dass immer mehr junge Menschen in Deutschland starke Schmerzmittel wie Tilidin oder Oxycodon missbrauchen. In manchen Substitutionspraxen und Suchtkliniken beträgt der Anteil junger Personen zwischen 15 und 20 Prozent, wie es in einem aktuellen Bericht des Münchner Instituts für Therapieforschung* heißt. Vor einigen Jahren sei der Anteil noch sehr gering gewesen.

Musikszene verleitet zum Drogenkonsum

„Gib mir Tilidin, ich könnte was gebrauchen.“ Mit solchen Songtexten sorgte Deutschrapper Capital Bra vor einigen Jahren für Aufruhr – und noch heute wird der Konsum des Opioids in der Rap- und Hip-Hop-Szene immer wieder thematisiert. Oft werde er verharmlost oder sogar glorifiziert, meinen Suchtexperten.

Das verleite junge Menschen, ihren Idolen nachzueifern und die „Lifestyle-Droge“ selbst auszuprobieren. Damit beginnt ein gefährlicher Kreislauf. Suchtexperten berichten von jüngeren Konsumenten, die zunächst Tilidin konsumierten, dann auf das stärker wirksame Oxycodon umstiegen und später teilweise Heroin nähmen und in Substitutionsbehandlung gingen.

Besonders empfänglich für die durch Tilidin verursachte „Wärme und Geborgenheit“ sind Jugendliche, die in der Vergangenheit schlimme Erfahrungen wie Misshandlung oder Vernachlässigung erleben mussten, so Maurice Cabanis, Leitender Oberarzt der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten am Klinikum Stuttgart. 

Zur Erinnerung: Wie wirkt Tilidin?

Tilidin ist ein schwach wirksames Opioid, das im WHO-Stufenschema zur Schmerztherapie in Stufe 2 einzuordnen ist. Als Prodrug wird Tilidin in der Leber in seinen aktiven Metaboliten Nortilidin überführt. 

Tilidin kommt bei starken bis sehr starken Schmerzen zum Einsatz, wie sie z. B. nach Verletzungen oder Operationen auftreten. 

Wie kommen die Jugendlichen an Tilidin?

Vermutlich gelangen die Konsumenten auf dem Schwarzmarkt sowohl über lokale Dealer als auch über das Darknet an die Droge. Dabei dürfte vor allem der illegale Erwerb mithilfe gefälschter Rezepte eine Rolle spielen. 

Problematisch ist dem Bericht des Münchner Instituts für Therapieforschung zufolge auch die Verbreitung gefälschter Tabletten, die statt der angegebenen Inhaltsstoffe Fentanyl oder andere Opioide enthalten. 

Im Herbst 2024 habe der deutsche Zoll erstmals rund 1.000 Tabletten sichergestellt, die als Oxycodon-Tabletten deklariert waren, aber zwei Stoffe aus der Gruppe der Nitazene sowie Benzodiazepine enthielten.

Noch keine Opioidkrise, aber bedenklicher Konsumanstieg

Ein steigender Konsum und eine hohe Verfügbarkeit von Fentanyl wird vor allem aus dem Osten Deutschlands berichtet, aus anderen Landesteilen weniger, wie es im Bericht heißt.

Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, sagte beim Besuch einer Notaufnahme in Berlin: „Wir haben keine Opioidkrise wie in Amerika.“ Es gebe aber erste Tendenzen und Anzeichen, auf die man sich vorbereiten müsse, damit es nicht schlimmer werde.  

In den USA waren 2023 rund 75.000 Todesfälle auf synthetische Opioide wie Fentanyl zurückzuführen. In Deutschland sind für 2023 insgesamt 2.227 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von illegalen Substanzen bekannt.

Welchen Beitrag können PTA und Apotheker zur Prävention leisten?

Da Rezeptfälschungen nicht unbedingt als solche zu erkennen sind, ist immer dann erhöhte Wachsamkeit geboten, wenn Jugendliche Verordnungen über Tilidin einlösen wollen, die angegebene Arztpraxis der Apotheke nicht bekannt und zum Zeitpunkt des Einlösens auch telefonisch nicht erreichbar ist (z. B. samstags oder im Notdienst). 

Ein Versuch zur Absicherung kann darin bestehen, den Kunden nach seinem Geburtsdatum bzw. nach Name und Adresse des Patienten zu fragen, falls er angibt, als Bote unterwegs zu sein. Kommt er hier ins Stottern, ist Grund zur Skepsis gegeben. 

Auch wenn sich keinerlei Hinweis auf eine missbräuchliche Anwendung ergibt, muss bei jeder Abgabe eines Tilidin-haltigen Arzneimittels darauf hingewiesen werden, dass das Medikament ausschließlich von der Person eingenommen werden darf, die es verordnet bekommen hat. Eine Weitergabe an Dritte darf auch aus falsch verstandener Hilfeleistung (wenn sich z. B. der Enkel beim Fußballspielen das Knie verdreht hat) keinesfalls erfolgen.

 

*Für den Bericht wurden zwischen Oktober und Dezember 2024 rund 230 Expertinnen und Experten befragt, unter anderem aus dem Bereich der Suchthilfe und der Strafverfolgung. Außerdem wurden Gespräche mit 14 Opioid-Konsumenten geführt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ.