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Deprescribing: Was denken Patienten darüber?

Senior verteilt seine Tabletten in Tablettenbox
Viele Patienten würden gerne Arzneimittel absetzen. | Bild: Juanma Cuevas / AdobeStock

Aus pharmazeutischer Sicht ist Deprescribing – zumindest in der Theorie – eine klare Angelegenheit: Vom Medikationsplan gestrichen werden sollten alle Präparate, zu denen keine passende Indikation vorliegt und ebenso alle, bei denen die möglichen Risiken den zu erwartenden Nutzen übersteigen. Aber was denken Patienten zum Thema Absetzen von Medikamenten?

Deprescribing: Befragung von geriatrischen Patienten

Diese Frage bildete die Grundlage für eine Forschungsarbeit, die kürzlich im „JAMA Open“ veröffentlicht wurde. Insgesamt 1.340 geriatrische Patienten wurden von ihren Hausärzten rekrutiert und füllten einen entsprechenden Fragebogen aus, den das Forschungsteam um die Doktorandin Renata Vidonscky Lüthold konzipiert hatte. 

Alle Teilnehmenden waren mindestens 65 Jahre alt und nahmen mindestens fünf Arzneimittel regelmäßig ein. Die Patienten stammten aus insgesamt 14 Ländern, darunter auch Deutschland.

Medikationsplan: Patienten würden gerne reduzieren

Die Teilnehmenden nahmen im Median sieben Medikamente regelmäßig ein und die Mehrheit (82 %) zeigte sich grundsätzlich zufrieden mit ihrer Medikation. Allerdings: Fast ebenso viele Teilnehmende (81 %) stimmten der Aussage „Wenn mein Arzt/meine Ärztin es für möglich hält, wäre ich bereit, eines oder mehrere meiner Medikamente abzusetzen“ zu. 

Etwa die Hälfte der Befragten (44 %) bejahte auch die Aussage „Wenn Sie an Ihre derzeitige Medikamentenliste denken, gibt es Medikamente, die Sie gerne absetzen oder deren Dosis reduzieren würden?“, bei der die ärztliche Empfehlung keine Rolle mehr spielte. Unter den 94 Teilnehmenden aus Deutschland lag die Zustimmung zu dieser Aussage sogar bei über 50 %.

Ein grundsätzliches Interesse daran, den Medikationsplan zu verschlanken, lag in dem Patientenkollektiv also vor. Weiterhin untersuchten die Forschenden, welche Arzneimittel die Befragten besonders gerne absetzen würden sowie welche Faktoren dem Absetz-Wunsch zugrunde liegen.

Welche Arzneimittel möchten Patienten absetzen?

Auf die Frage hin, welche ihrer Medikamente sie gerne absetzen würden, nannten die Befragten besonders häufig Diuretika, Lipidsenker und Arzneimittel, die auf das Renin-Angiotensin-System (RAAS) wirken. 

Aber auch Arzneimittel, die aus apothekerlicher Sicht häufig geeignete Kandidaten für das Deprescribing sind, wurden von den Befragten vermehrt aufgeführt, so etwa Psychotropika und Mittel gegen Magensäure. 

In Deutschland waren neben den Lipidsenkern und RAAS-aktiven Wirkstoffen Antithrombotika unter den drei meistgenannten Arzneimittelgruppen.

Die zehn Arzneimittelgruppen, die Patienten am häufigsten als Absetz-Wunsch angegeben hatten

  • Diuretika
  • Lipidsenker
  • Arzneimittel, die auf das Renin-Angiotensin-System (RAAS) wirken
  • Antidiabetika
  • Betablocker
  • Antithrombotika
  • Analgetika
  • Calciumkanalblocker
  • Psychotropika
  • Mittel gegen Magensäure

Warum wollen Patienten Arzneimittel absetzen und warum nicht?

Als Gründe, weshalb sie gerne Arzneimittel absetzen würden, gaben die Patienten das Auftreten von Nebenwirkungen, die Ablehnung des Arzneimittels sowie Schwierigkeiten bei der Einnahme an.

Auf der anderen Seite gaben Befragte, die kein Arzneimittel absetzen wollten, als Gründe hierfür an, von der Medikation zu profitieren. Außerdem gingen sie davon aus, dass ihr Behandler nur notwendige Medikamente verschreibe und dass sie die Arzneimittel nun schon so lange einnähmen, dass es besser sei, nichts daran zu ändern.

Studie hilfreich für Integration der Patienten in Deprescribing

Parallel hatten die Forschenden weitere persönliche und demografische Angaben erhoben. Hierbei stellten sie fest, dass die Befragten eine hohe Gesundheitskompetenz, ein hohes sozioökonomisches Level und in der eigenen Wahrnehmung auch einen guten Gesundheitszustand aufwiesen. 

Der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund war unter den Befragten gering. Daraus schlossen die Autoren, dass die Teilnehmenden keine vollständig repräsentative Stichprobe der Gesellschaft darstellten. 

Dennoch können die von dieser Kohorte geäußerten Präferenzen ein Anhaltspunkt dafür sein, wie sich die Patienten mit Polymedikation generell in das Deprescribing integrieren lassen. Literatur:
Vidonscky Lüthold R, Jungo KT, Weir KR et al. Older Adults' Attitudes Toward Deprescribing in 14 Countries. JAMA Netw Open. 2025:3;8(2):e2457498. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.57498