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Lachgas als Freizeitdroge: ein gefährlicher Hype

Lachgaspatrone steckt in einem Luftballon
Jugendliche füllen Luftballons mit Lachgas und inhalieren dieses – mit gesundheitsgefährdenden Folgen. | Bild: ink drop / AdobeStock

Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene nutzen Lachgas für einen kurzen Rausch. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) spricht von einem Lachgas-Hype. Angefeuert von den sozialen Medien, verbreitet sich der Trend besonders bei jungen Menschen schnell. 

Das Gas ist relativ billig, leicht zu beschaffen und in Deutschland weder verschreibungspflichtig noch illegal. Eigentlich zum Aufschäumen von Sahne in einem sogenannten Sahnesiphon bestimmt, führt jeder gut sortierte Supermarkt kleine Alukapseln gefüllt mit Lachgas.  

Der Trend: Die unter Druck stehenden Lachgaskartuschen werden geöffnet, das ausströmende Gas wird in einem Luftballon aufgefangen und aus diesem inhaliert.  

Der Rausch ist kurz, aber nicht ungefährlich.  

Lachgas – was ist das eigentlich?

Hinter dem Trivialnamen Lachgas verbirgt sich Distickstoffmonoxid, also N2O. Die saloppe Bezeichnung verdankt es vermutlich seiner euphorisierenden Wirkung und dem „Lachzwang“, den es bei manchen Konsumenten hervorruft.  

Es ist ein farb-, geruchs- und nahezu geschmackloses Gas, das vor allem der Medizin schon lange bekannt ist. 1772 vom englischen Wissenschaftler Joseph Priestley entdeckt, wurde es erstmals 1844 bei einer Zahnoperation verwendet und kommt bis heute als Inhalationsanalgetikum und -anästhetikum zum Einsatz.  

Verwendung von Lachgas in Medizin und Technik

Durch das rasche An- und Abfluten im Körper kann Lachgas als schmerzstillendes Mittel gut dosiert und kontrolliert werden. Allerdings müssen je nach Einsatzgebiet hohe Konzentrationen von bis zu 70 % – bezogen auf die Atemluft – angewendet werden, um die Wirkung zu erzielen. 

In Kombination mit Sauerstoff, um einen Mangel dessen im Körper (Hypoxie) zu vermeiden, wird es heutzutage vor allem in der Zahnmedizin und in der Geburtshilfe zur Schmerzstillung unter den Wehen eingesetzt. Bei chirurgischen Eingriffen in der Klinik verliert das Lachgas immer mehr an Bedeutung. Der aktuelle Standard sieht eine lachgasfreie Anästhesie vor.

Auch außerhalb der Medizin kennt man Lachgas: In der Industrie wird es bei verschiedenen Produktionsschritten oder als Treibgas eingesetzt. Beim Tuning sorgt eine Lachgaseinspritzung in einen Verbrennungsmotor für eine Leistungssteigerung des Autos. 

Am ehesten aber wird es uns wahrscheinlich in Form der genannten Sahnekapseln über den Weg laufen. Zum Aufschäumen von Schlagsahne hergestellt, missbräuchlich für einen aufkeimenden Trend verwendet.

Wodurch kommt der Rausch nach Lachgas?

Gelangt das Lachgas durch Inhalation in die Lunge, diffundiert es nur zu einem geringen Teil ins Blut. Das erklärt das schnelle Anfluten und rasche Abflachen der Wirkung. Ein Rausch dauert nur zwischen 30 Sekunden und wenigen Minuten an. Wie er zustande kommt, ist nicht vollends geklärt. 

Vermutlich sorgt ein Antagonismus an NDMA-Rezeptoren für die wahrnehmungsverändernde und halluzinogene Wirkung, indem es den stimulierenden Neurotransmitter Glutamat dort verdrängt. Zusätzlich werden anscheinend körpereigene Opioide ausgeschüttet, die sowohl die analgetischen als auch die euphorisierenden Effekte hervorrufen.  

Konsumenten beschreiben ein Gefühl des Träumens und des Glücks, eine verzerrte Wahrnehmung von Raum, Zeit und Geräuschen sowie ein Kribbeln in den Gliedmaßen.  

Missbrauch von Lachgas immer häufiger

Schon im 19. Jahrhundert, kurz nach der Entdeckung der Substanz, gab es sogenannte „Lachgas-Partys“. Auch die Hippie-Bewegung in den 1960er- und 1970er-Jahren erfreute sich an der vermeintlich angenehmen Wirkung von Lachgas. 

Der aktuelle Hype ist also nichts Neues. Wir befinden uns mitten in der dritten Welle, so die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA). Die Zahlen von missbräuchlich verwendetem Lachgas steigen rasch an. 

Da es nicht illegal und für jedermann leicht zu beschaffen ist, gestaltet sich eine genaue Erhebung allerdings schwierig. Schätzungsweise jeder 5. bis 10. Jugendliche in Deutschland hat eine Lachgasinhalation schon einmal probiert. Damit hat sich der Wert aus den vergangenen Jahren nahezu verdoppelt.

Das Problem dabei: Das Inhalieren gilt als weitgehend ungefährlich. Ein Trugschluss? Tatsächlich sagen auch Experten, dass eine Inhalation von fünf bis zehn Ballons pro Session an der freien Luft bzw. in gut belüfteten Räumen als sicher angesehen werden kann.  

Trotzdem häufen sich auch schwere Komplikationen in Verbindung mit Lachgas bei fehlerhafter Anwendung.

Welche Folgen kann das Inhalieren von Lachgas haben?

Die eigentliche Gefahr entsteht dadurch, dass die Sessions immer extremer werden und Konsumenten immer mehr vom kurzen Rausch spüren wollen.

So werden zum Beispiel Plastiktüten während der Inhalation über den Kopf gezogen oder extrem viel Lachgas hintereinander in kleinen geschlossenen Räumen wie Autos eingeatmet. 

Der dadurch entstehende Sauerstoffmangel soll den Rausch verstärken, führt aber im schlimmsten Fall zum Erstickungstod. Auch Kopfschmerzen, Übelkeit, Verwirrtheit und ein erhöhtes Sturzrisiko können sich schon nach wenigen Inhalationen bemerkbar machen.  

Ein weiteres Risiko: Wird das Gas direkt aus den kleinen Alukartuschen und nicht über den Umweg „Luftballon“ inhaliert, kann es an Händen, Mund und sogar Teilen der Lunge zu Erfrierungen kommen. Beim Ausströmen des Gases kühlen dieses und auch der Behälter schlagartig auf –55 °C ab. Im Rausch wird diese Kälte oftmals nicht wahrgenommen.  

Im Rollstuhl durch exzessives Inhalieren von Lachgas

Und was passiert im Körper, wenn nicht 10 Ballons, sondern 100 direkt nacheinander inhaliert werden? Einigen Jugendlichen reicht eine normale Session nicht aus. 50 bis 100 Ballons werden in Reihe weggeatmet. 

Online lassen sich auch größere Lachgasflaschen für relativ kleines Geld bestellen. Damit fällt das Umfüllen aus einer Sahnekapsel pro Ballon weg. Der Rausch ist einfacher und schneller zu bekommen, die Pausen werden noch kürzer. 

Experten nehmen einen direkten Zusammenhang zwischen der steigenden Anzahl von schwerwiegenden Komplikationen nach Inhalation und den XXL-Flaschen an.  

Denn wird häufiger und mehr Lachgas inhaliert, drohen Nervenschäden und Lähmungen. Manche Konsumenten, darunter auch der prominente Rapper Capital Bra, sind deswegen im Rollstuhl gelandet. Die Schäden sind meist kurierbar, aber auch irreversible Verläufe sind bekannt.  

Vitamin-B12-Mangel durch Lachgas-Missbrauch

N2O verändert im Körper Vitamin B12. Das führt zu einem funktionellen Mangel, da das B12 vom Körper nicht mehr verwendet werden kann. (Achtung! Funktioneller Mangel heißt: Die Vitamin-B12-Blutspiegel zeigen keine Abweichungen.)

Durch das unbrauchbare Vitamin kann unter anderem Myelin nicht mehr hergestellt werden. Myelin ist eine fetthaltige Substanz, die die Nervenfasern umwickelt (sog. Myelinscheiden) und dadurch maßgeblich an der Signalweiterleitung beteiligt ist. 

Kommt es zu einer Demyelinisierung der Neuronen, ist die Weiterleitung gestört. Dadurch entstehen periphere Neuropathien: Arme und Beine kribbeln oder werden taub, die Konsumenten verlieren die Kontrolle über ihre Muskulatur bis hin zu Gangstörungen, die schlimmstenfalls im Rollstuhl enden. 

Mit sofortigem Stoppen der Lachgasinhalationen und einer hohen Vitamin-B12-Zufuhr kann den meisten Betroffenen geholfen werden. Doch auch Rückenmarksschädigungen und hämatologische Schäden, also Veränderungen im Blutbild, wurden in Verbindung mit exzessivem Lachgaskonsum dokumentiert.

Aufklärung kann schlimme Verläufe verhindern

Durch die vermehrt auftretenden heftigen Folgeschäden haben sich einige europäische Länder, wie die Niederlande oder England, zu einem Verbot von Lachgas entschieden. In Deutschland ist es nach wie vor legal zu bekommen. 

Deutsche Experten sind der Ansicht, dass ein striktes Verbot nicht der richtige Weg ist. Besser sei es, die Jugendlichen über die „korrekte“ Anwendung (siehe Kasten) und über die Risiken aufzuklären und für eine gewisse Regulierung zu sorgen. Quellen:
- https://www.spektrum.de/news/lachgas-wie-gefaehrlich-ist-die-neue-trenddroge/2199087
- https://www.uni-frankfurt.de/146663665/MoSyD_Jahresbericht_2022_final.pdf
- https://flexikon.doccheck.com/de/Lachgas
 

Wenn schon Lachgas, dann „sicher“:

  • Nicht mit anderen Drogen (auch Alkohol!) kombinieren
  • Maximal fünf bis zehn Ballons pro Session
  • Nur im Freien oder in gut belüfteten Räumen
  • Im Sitzen, nicht in der Nähe von Straßen oder Gewässern
  • Min. eine Person sollte nüchtern bleiben, falls etwas schiefgeht
  • Pausen zwischen den Ballons, längere Auszeiten zwischen zwei Sessions (Vitamin-B12-Speicher!)
  • Bei Kribbeln, Taubheit oder Schwäche in Fingern, Füßen, Armen oder Beinen sofort zum Arzt