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Paracetamol-Challenge: Gefähr­licher TikTok-Trend

Hände von einer Jugendlichen mit einem Tablettenblister; einzelne Tabletten werden ausgedrückt
Paracetamol ist ein beliebtes Schmerzmittel, das jedoch in hohen Dosen lebensgefährlich sein kann. | Bild: Maksymiv Iurii / AdobeStock

Mehreren Medienberichten zufolge sorgt derzeit ein neuer und lebensgefährlicher TikTok-Trend für Aufsehen: die Paracetamol-Challenge. In den sozialen Medien fordern sich Jugendliche dabei gegenseitig auf, möglichst große Mengen Paracetamol einzunehmen. 

Der Trend birgt jedoch erhebliche Gesundheitsrisiken. Experten, Apotheken und Ärzte warnen vor den lebensgefährlichen Konsequenzen.

Paracetamol: Gut verträglich, aber Gefahr von Überdosierung

Arzneimittel mit Paracetamol sind in nahezu jeder Hausapotheke zu finden. Der Wirkstoff gilt als gut verträglich und darf bereits ab Geburt verwendet werden. 

Was viele medizinische Laien allerdings nicht wissen: Eine Überdosis an Paracetamol kann im schlimmsten Fall zum Tod führen. 

Wann wird Paracetamol eingesetzt?

Paracetamol wirkt analgetisch (schmerzlindernd) und antipyretisch (fiebersenkend). Im Gegensatz zu den nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAR), wie beispielsweise Acetylsalicylsäure und Ibuprofen, ist die antientzündliche Wirkung kaum ausgeprägt. 

Die Substanz besitzt eine Zulassung zur Therapie leichter bis mäßig starker Schmerzen sowie bei Fieber. Zum Einsatz kommt der Wirkstoff typischerweise bei Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Regelschmerzen, Sonnenbrand sowie bei Migräne

Obwohl Produkte mit Paracetamol zu den am häufigsten verkauften Arzneimitteln in Deutschland zählen, ist der genaue Wirkmechanismus immer noch nicht genau geklärt. Angenommen wird eine Hemmung zentraler und peripherer Cyclooxygenasen. Diese Enzyme spielen eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Prostaglandinen im Körper. Die hormonähnlichen Botenstoffe sind wesentlich an der Entstehung von Fieber, Schmerzen und Entzündungsreaktionen beteiligt.

Wie wird Paracetamol dosiert?

Paracetamol gilt in therapeutischen Dosen als gut verträglicher Wirkstoff. Die Substanz ist auch Mittel der Wahl zur Behandlung von Fieber und Schmerzen in der Schwangerschaft und darf auch in der Stillzeit angewendet werden. Allerdings ist die therapeutische Breite gering.

Gut zu wissen: Was versteht man unter der therapeutischen Breite?

Bei den meisten Arzneistoffen ist die therapeutische Breite, also der Abstand zwischen der minimal wirksamen und der minimal toxischen Dosis, ausreichend groß. 

Einige Wirkstoffe, zu denen auch Paracetamol gehört, haben jedoch einen schmalen Spielraum zwischen diesen beiden Konzentrationen. Wird die minimal toxische Dosis überschritten, treten unerwünschte Wirkungen bis hin zu Vergiftungssymptomen auf.

Erwachsene und Kinder ab zwölf Jahren mit einem Körpergewicht von mehr als 43 Kilogramm nehmen als Einzeldosis 500 mg bis 1.000 mg Paracetamol ein, die Tageshöchstdosis liegt dabei bei 4.000 mg. 

Bei jüngeren Kindern wird wie üblich nach Körpergewicht und Alter dosiert: Die Einzeldosis beträgt hier 10 bis 15 mg pro Kilogramm Körpergewicht und die Tageshöchstdosis liegt bei 60 mg pro Kilogramm Körpergewicht. 

Das Dosierungsintervall sollte sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen sechs Stunden nicht unterschreiten. 

In Deutschland erhältliche Fertigarzneimittel enthalten pro Tablette 500 mg oder 1.000 mg Paracetamol. Enthalten die Produkte dabei nicht mehr als 10 g Wirkstoff pro Packung, steht das Arzneimittel in der Selbstmedikation zur Verfügung. Bei mehr als 10 g Paracetamol pro Packung ist zur Abgabe eine ärztliche Verordnung notwendig.

Was passiert bei einer Paracetamol-Überdosierung?

Paracetamol wird in der Leber verstoffwechselt und über die Nieren ausgeschieden. Ein geringer Teil des aufgenommenen Wirkstoffs wird zu einer reaktiven Verbindung, dem N-Acetyl-p-benzochinonimin, oxidiert. 

Bei lebergesunden Menschen stellt dies normalerweise kein Problem dar. Die toxische Substanz kann durch das körpereigene Antioxidans Glutathion abgefangen und in eine unschädliche Verbindung umgewandelt werden. 

Bei einer Überdosierung wird dagegen eine größere Menge an Paracetamol zu N-Acetyl-p-benzochinonimin umgewandelt. Die Menge an Glutathion im Körper reicht dann nicht mehr aus, um diese reaktive Substanz zu neutralisieren. Dadurch kommt es zum Absterben von Leberzellen und damit zur Schädigung der Leber.  

Diese schwerwiegenden Probleme können bereits ab einer Menge von 7 g Paracetamol – enthalten in 14 Tabletten mit 500 mg Wirkstoff – auftreten. Dosen von 10 g Paracetamol können bereits zum Tod führen, das entspricht dem 2,5-Fachen der empfohlenen Tageshöchstdosis.

Bei einer Paracetamol-Vergiftung schnell handeln!

Bei einer Vergiftung mit Paracetamol können die ersten Stunden ohne Symptome verlaufen. Meist leiden die Betroffenen aber an Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Diese unspezifischen Beschwerden können sich dann zunächst wieder bessern, die Leber wird aber weiter geschädigt. Das Absterben der Leberzellen schreitet weiter fort und es kann zum tödlichen Leberversagen kommen. 

Eine Überdosierung mit Paracetamol ist also immer ein medizinischer Notfall und erfordert sofortige ärztliche Behandlung. Wird eine Vergiftung innerhalb der ersten acht Stunden behandelt, können Schäden an der Leber größtenteils noch verhindert werden. 

Dazu wird als Antidot Acetylcystein intravenös appliziert. Die Substanz kann die aus Paracetamol gebildete gefährliche Verbindung N-Acetyl-p-benzochinonimin unschädlich machen.

Gut zu wissen: Darf Paracetamol überhaupt an Jugendliche verkauft werden?

Der Kauf von Arzneimitteln fällt in Deutschland unter das Zivilrecht. Kinder unter sieben Jahren gelten darin als geschäftsunfähig und dürfen auch keine Medikamente kaufen. 

Minderjährige zwischen dem 7. und dem 18. Geburtstag sind demnach beschränkt geschäftsfähig. Haben sie Geld zur freien Verfügung und können den Kaufpreis für eine Ware damit begleichen, kann ein wirksamer Kaufvertrag zustande kommen. Wann dies genau der Fall ist, ist im Einzelnen jedoch nicht geregelt. 

Möchte nun ein Teenager in der Apotheke rezeptfreies Paracetamol kaufen, muss das pharmazeutische Personal entscheiden, ob eine Abgabe möglich ist. Dazu ist es wichtig, dass die kognitiven Fähigkeiten des Jugendlichen ausreichen, um die nach § 20 Apothekenbetriebsordnung verpflichtende Beratung auch tatsächlich zu verstehen. 

Bestehen daran Zweifel, darf das Arzneimittel nicht abgegeben werden. Selbstverständlich muss der Verkauf auch verweigert werden, wenn ein Verdacht auf eine missbräuchliche Anwendung besteht.

Quellen:
- https://www.apothekerkammer-bremen.de/documents/am_abgabe_kinder0_1576583880.pdf
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-28-2016/ueberdosis-paracetamol
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2019/daz-48-2019/paracetamol
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/abgabe-von-arzneimitteln-an-teenager-137221/