Acetylcystein: Nicht nur als Schleimlöser bekannt
Acetylcystein (ACC) ist in zahlreichen Darreichungsformen zum Einnehmen, wie Brausetabletten, Pulver zur Einnahme oder auch als Saft, erhältlich. Bei akuten Erkrankungen kann Acetylcystein im Rahmen der Selbstmedikation eingesetzt werden, bei chronischer Bronchitis oder Mukoviszidose unterliegt der Wirkstoff dagegen der Verschreibungspflicht. Als Antidot bei Intoxikationen mit Paracetamol wird Acetylcystein intravenös appliziert.
Wie wirkt Acetylcystein als Schleimlöser?
Acetylcystein ist ein Derivat der Aminosäure Cystein und wird nach oraler Einnahme in der Leber wieder in diese aktive Form umgewandelt. Der genaue Wirkmechanismus ist immer noch nicht bekannt. Vermutlich werden Disulfidbrücken zwischen Zuckerketten im Bronchialschleim gespalten, was letztendlich zu einer Verflüssigung des Schleims führt.
Um das Abhusten zu erleichtern, wird Acetylcystein überwiegend bei erkältungsbedingtem Husten eingesetzt. Auch wenn Schleimlöser bei Husten häufig angewendet werden, ist ihr Einsatz nicht unbedingt evidenzbasiert. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) empfiehlt in ihren Leitlinien zur Behandlung von akutem Husten beispielsweise kein Acetylcystein.
Einsatz von Acetylcystein auch als Nasenspray
Seit Januar letzten Jahres ist Acetylcystein auch als Schleimlöser für die Nase in der Selbstmedikation erhältlich. Das Medizinprodukt Salinac® kann zur Therapie von akuten und chronischen Entzündungen der Nase schon ab einem Alter von zwei Jahren eingesetzt werden.
Neben dem Wirkstoff ACC ist zusätzlich noch eine hypertone Kochsalzlösung enthalten. Dadurch sollen Nase und Nasennebenhöhlen bei Schnupfen und Nasennebenhöhlenentzündung befreit werden.
Acetylcystein als Antidot bei Paracetamol-Überdosierung
Bei einer Überdosierung von Paracetamol kann Acetylcystein als Gegengift eingesetzt werden. Aufgrund seiner freien SH-Gruppen kann die Substanz die Bildung von Glutathion in der Leber erhöhen. Das gebildete Glutathion verhindert die Bildung toxischer Stoffwechselprodukte, die ansonsten bei einer Vergiftung mit Paracetamol gebildet werden.
Damit die Behandlung erfolgreich ist, muss möglichst in einem Zeitraum von acht Stunden nach der Vergiftung begonnen werden. Aufgrund seiner Verwendung als Antidot bei Paracetamol-Vergiftungen steht Acetylcystein auch auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Wirkstoffe.
Wie wird Acetylcystein dosiert?
Je nach Einsatzgebiet wird Acetylcystein unterschiedlich dosiert:
- Als Schleimlöser bei akuten Atemwegsinfekten:
- Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren nehmen 400 mg bis 600 mg Acetylcystein ein, diese Tagesgesamtdosis kann auf eine, zwei oder drei Einzelgaben verteilt werden.
- Präparatebeispiele: ACC® akut 200 mg Hustenlöser Brausetabletten, ACC® direkt 600 mg Pulver zum Einnehmen, NAC 200 akut – 1 A Pharma® Brausetabletten, NAC-ratiopharm® akut 600 mg Hustenlöser Brausetabletten
- Als Schleimlöser bei chronischen Atemwegserkrankungen:
- Die empfohlene Dosierung für Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren beträgt 600 mg pro Tag, verteilt auf ein bis zwei Einzelgaben.
- Präparatebeispiele: ACC® long 600 mg Brausetabletten, NAC-ratiopharm® 600 mg Brausetabletten
- Bei einer Vergiftung mit Paracetamol:
- ACC wird nach Körpergewicht dosiert und insgesamt dreimal intravenös verabreicht.
- Zu Beginn werden 150 mg pro Kilogramm Körpergewicht über 15 bis 60 Minuten appliziert, danach 50 mg/kg über vier Stunden und anschließend 100 mg/kg über 16 Stunden.
- Verabreicht werden insgesamt 300 mg Acetylcystein pro Kilogramm Körpergewicht.
- Präparatebeispiel: Fluimucil Antidot 20 % Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
Welche Nebenwirkungen können unter Acetylcystein auftreten?
Normalerweise wird Acetylcystein bei oraler Anwendung gut vertragen. Teilweise kann es aber zu gastrointestinalen Beschwerden wie Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall kommen. In seltenen Fällen können auch schwere Hautreaktionen wie das Stevens-Johnson-Syndrom auftreten.
Sollten also im Zusammenhang mit der Einnahme von ACC Haut- und Schleimhautveränderungen auftreten, ist die Anwendung zu beenden und ein Arzt aufzusuchen.
Zur Erinnerung: Was ist das Stevens-Johnson-Syndrom?
Das Stevens-Johnson-Syndrom ist eine schwere, lebensbedrohliche Überempfindlichkeitsreaktion der Haut. Auslöser sind meist Arzneimittel, vor allem Sulfonamide, andere Antibiotika sowie Antiepileptika. Die Krankheit kommt sehr selten vor, etwa zwei Fälle je 1 Million Menschen pro Jahr.
Die Krankheit beginnt häufig mit Fieber, grippeähnlichen Symptomen und Beschwerden an den Schleimhäuten und den Augen. Nach 1–3 Tagen kommt ein roter, masernartiger Hautausschlag im Gesicht und am Hals dazu, der sich schnell über die Extremitäten ausbreitet und zu Blasenbildung und stellenweise auch zur Ablösung der Haut führen kann.
Vor allem bei einer intravenösen Therapie mit Acetylcystein sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu beobachten, diese können unter Umständen zu schweren anaphylaktischen Reaktionen mit Luftnot führen.
Wichtig für die Beratung: Worauf ist bei der Einnahme von Acetylcystein zu achten?
Bei der Abgabe von Acetylcystein sollten die Patienten zunächst darüber informiert werden, während der Anwendung ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Nur so kann der Schleimlöser gut wirken. Sollte sich der Husten nach 4 bis 5 Tagen nicht gebessert haben, ist ein Arzt aufzusuchen. Eine Kombination mit Antitussiva wie Codein, Dextromethorphan oder Pentoxyverin sollte nur nach ärztlicher Anweisung und bei zeitversetzter Einnahme erfolgen, ansonsten kann es aufgrund des verminderten Hustenreflexes zu einem gefährlichen Sekretstau kommen.
Soll eine Einnahme von Acetylcystein zusammen mit einer antibiotischen Therapie erfolgen, muss bei oraler Applikation ein Einnahmeabstand von mindestens zwei Stunden eingehalten werden. Denn: Bei In-vitro-Versuchen kam es beim Vermischen des Wirkstoffs mit verschiedenen Antibiotika wie Tetracyclinen und Penicillinen zu einer Inaktivierung der antibiotischen Substanz.
Bei der Einnahme von Acetylcystein kann bei Asthmatikern ein gefährlicher Bronchospasmus auftreten, daher muss die Anwendung ärztlich abgeklärt werden.
Nicht zuletzt sollten die Patienten auch darüber aufgeklärt werden, dass bei längerer Lagerung der Präparate ein leichter Geruch nach Schwefelwasserstoff auftreten kann. Dieser beruht auf einer normalen Alterung und ist innerhalb des Verfallsdatums unbedenklich. Quellen:
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Acetylcystein_293
- Fachinformation ACC® akut Hustenlöser
- https://www.ptaheute.de/aktuelles/2023/01/09/wie-gut-hilft-ein-nasenspray-mit-acetylcystein
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2024/daz-13-2024/ein-arzneistoff-zwei-indikationen
- https://www.thieme.de/statics/bilder/thieme/final/de/bilder/zw_pneumologie/062_PN935_Kardos_Print-PDF.pdf