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Paracetamol: Vergiftung durch Überdosierung

Für Erwachsene gilt eine Einzeldosis von 500 mg bis 1.000 mg Paracetamol. Die Tageshöchstdosis liegt bei 4.000 mg. | Bild: Tobias Arhelger / AdobeStock

Vergiftungen mit Arzneimitteln stellen in Deutschland die häufigste Ursache für akutes Leberversagen dar, an vorderster Stelle stehen dabei Überdosierungen mit Paracetamol. Dabei handelt es sich nicht nur um Einnahmen in suizidaler Absicht, häufig sind auch unbeabsichtigte Fehlanwendungen. 

Kunden, die rezeptfreie Schmerzmittel in der Apotheke kaufen, halten diese meist für relativ ungefährlich. Bei akuten Schmerzen werden daher schon mal mehrere Tabletten auf einmal angewendet oder nach kurzer Zeit eine weitere Dosis eingenommen, wenn die beabsichtigte Wirkung ausbleibt.

Wie wirkt Paracetamol?

Paracetamol besitzt eine fiebersenkende und analgetische Wirkung. Im Gegensatz zu den nichtsteroidalen Antiphlogistika wie Ibuprofen und Diclofenac wirkt der Arzneistoff jedoch kaum entzündungshemmend. Die Anilin-Verbindung kommt daher überwiegend bei Schmerzen niedriger bis mittlerer Intensität sowie Fieber zum Einsatz. 

Gastrointestinale Störungen und eine Hemmung der Thrombozytenaggregation – typische Nebenwirkungen der nichtsteroidalen Antiphlogistika – sind bei Paracetamol weniger stark ausgeprägt. Obwohl Paracetamol so häufig eingesetzt wird, ist der genaue Wirkmechanismus bis heute nicht eindeutig geklärt.

Wie wird Paracetamol dosiert?

Bei kurzzeitiger Anwendung und in üblichen Dosen gilt Paracetamol als gut verträglich, allerdings ist die therapeutische Breite gering. Bei Erwachsenen mit gesunder Leber beträgt die Einzeldosis 500 mg bis 1.000 mg, die Tageshöchstdosis liegt bei 4.000 mg. 

Bereits Dosen von 10 g Paracetamol an einem Tag – also das 2,5-Fache der Höchstdosis – können unbehandelt zum Tod führen. Gesundheitliche Probleme können schon bei einer täglichen Dosierung von 7 g Paracetamol auftreten.

Gut zu wissen: Paracetamol teilweise rezeptpflichtig

Präparate zum Einnehmen, die nicht mehr als 10 g Paracetamol pro Packung enthalten, stehen in Deutschland zur Anwendung in der Selbstmedikation zur Verfügung. Sind in einer Packung dagegen mehr als 10 g Wirkstoff enthalten, so dürfen diese nur aufgrund einer ärztlichen Verschreibung abgegeben werden.

Bei Kindern erfolgt die Dosierung nach Körpergewicht und Alter: Die Einzeldosis liegt bei 10 bis 15 mg/kg Körpergewicht und die Tageshöchstdosis bei 60 mg/kg Körpergewicht. Die einzelnen Dosen können maximal 4-mal täglich verabreicht werden, mit einem zeitlichen Abstand von jeweils vier Stunden. Bei einer Einzeldosis von 15 mg/kg beträgt das Verabreichungsintervall sogar sechs Stunden.

Zahlreiche Kombinationspräparate im Handel 

Bei der Anwendung von Paracetamol ist das Einhalten der Tageshöchstdosis also äußerst wichtig. Problematisch ist dabei, dass zahlreiche Kombinationspräparate auf dem Markt sind, die zur Linderung von Symptomen bei Erkältungen und grippalen Infekten beworben werden und bei denen vielen Kunden nicht unbedingt klar ist, dass Paracetamol enthalten ist. Zur Behandlung von Schmerzen werden teilweise dann noch zusätzlich Tabletten mit Paracetamol eingenommen.

Beispiele für Kombinationspräparate mit Paracetamol:

Name des ArzneimittelsWirkstoffe pro Einzeldosis
Grippostad® Hartkapseln

Grippostad® Hartkapseln Paracetamol 400 mg

Chlorphenaminmaleat 5 mg

Coffein 50 mg

Ascorbinsäure 300 mg

Doregrippin® Tabletten

 

Paracetamol 500 mg

Phenylephrinhydrochlorid 10 mg

WICK DayMed Kombi Erkältungsgetränk

Pro Beutel:  

Paracetamol 500 mg

Guaifenesin 200 mg

Phenylephrinhydrochlorid 10 mg

WICK MediNait Erkältungssirup

In 30 ml:

Paracetamol 600 mg

Dextromethorphanhydrochlorid 15 mg

Ephedrinhemisulfat 8 mg

Doxylaminsuccinat 7,5 mg

Cetebe® antiGrippal Erkältungs-Trunk forte

Paracetamol 500 mg

Phenylephrinhydrochlorid 10 mg

Dextromethorphanhydrobromid x H2O 15 mg

 

Werden solche Kombinationspräparate in der Apotheke abgegeben, sollten die Patienten darauf aufmerksam gemacht werden, dass keine weiteren Arzneimittel mit Paracetamol eingenommen werden dürfen. Die empfohlenen Einzel- und Tagesdosen sind genau einzuhalten und ohne ärztlichen Rat sollten die Präparate nicht länger als drei Tage eingenommen werden.

Was passiert bei einer Paracetamol-Vergiftung?

In therapeutischen Dosen werden rund ein Viertel der eingenommenen Dosis in der Leber metabolisiert und unterliegen dem First-Pass-Effekt. Paracetamol wird dabei überwiegend mit Glucuronsäure oder Sulfat konjugiert und über die Nieren ausgeschieden. Ein geringer Teil davon wird auch mit Hilfe von Cytochrom-P450-Enzymen oxidiert und es entsteht als reaktiver Metabolit N-Acetyl-p-benzochinonimin (NAPQI). 

Bei lebergesunden Patienten kann diese toxische Verbindung durch SH-Gruppen des Peptids Glutathion abgefangen und in unschädliche Verbindungen umgewandelt werden. Bei einer Überdosierung von Paracetamol ist die Metabolisierung mit Glucuronsäure und Sulfat dagegen schnell erschöpft und eine größere Menge an Wirkstoff wird über Cytochrom-P450-Enzyme verstoffwechselt. 

Daraufhin wird verstärkt N-Acetyl-p-benzochinonimin gebildet und die Menge an Glutathion reicht nicht mehr aus, diese toxische Verbindung zu neutralisieren. Das reaktive NAPQI bindet dann an Proteine der Hepatozyten und es kommt zum Zelltod dieser Leberzellen und damit zum Leberschaden.

Welche Symptome treten auf?

Häufig ist der Verlauf einer Paracetamol-Vergiftung schleichend, meist kommt es aber zu unspezifischen Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Oberbauch. Die ersten 24 Stunden können aber auch ohne Symptome verlaufen. Am zweiten Tag der Vergiftung können sich die auftretenden Beschwerden sogar verbessern, die Leber ist jedoch bereits geschädigt. 

Im Blut kann schon ein Anstieg bestimmter Leberenzyme, der Transaminasen, und des Gallenfarbstoffs Bilirubin nachgewiesen werden. In den darauffolgenden Tagen schreitet die Schädigung der Leber weiter fort und es kommt zum Leberkoma und schließlich zum tödlichen Leberversagen.

Gut zu wissen: Welche Rolle spielt regelmäßiger Alkoholkonsum?

Bei Patienten, die regelmäßig Alkohol trinken, wird die Bildung von Cytochrom-P450-Enzymen stimuliert. Paracetamol wird daher verstärkt über dieses Enzymsystem abgebaut und es bildet sich schon in niedrigeren Dosen eine toxische Menge an N-Acetyl-p-benzochinonimin. 

Bei Alkoholmissbrauch gelten daher deutlich niedrigere Grenzwerte für die Einnahme von Paracetamol: Schon ab 4 g Tageshöchstdosis kann es zu Schäden kommen. Bei regelmäßigem Alkoholkonsum sowie bei einer Vorschädigung der Leber ist Paracetamol als Schmerzmittel daher nicht zu empfehlen. 

Auch bei der Einnahme von Arzneistoffen, die als Cytochrom-P450-Induktoren gelten, wie Carbamazepin, Rifampicin und Phenobarbital, liegt die toxische Schwellenkonzentration niedriger.

Da sich die Beschwerden einer Paracetamol-Überdosierung erst nach mehreren Stunden zeigen, werden Intoxikationen nicht selten zu spät bemerkt. Schon nach 24 Stunden kann die Leber irreparabel geschädigt sein und eine Lebertransplantation nötig werden.

Acetylcystein als Antidot

Zur Therapie einer Paracetamol-Vergiftung steht als wirksames Antidot die Verbindung Acetylcystein (ACC) zur Verfügung. Acetylcystein wird in niedrigen Dosen (100 mg, 200 mg und 600 mg als Einzeldosis) auch als Expektorans eingesetzt und steht in Form von Brausetabletten, Pulver zur Einnahme oder als Saft zur Verfügung. 

Es handelt sich bei der Substanz um eine Verbindung mit einer freien SH-Gruppe, die die Bildung von Glutathion in der Leber erhöht. Glutathion kann die aus Paracetamol gebildete toxische Verbindung N-Acetyl-p-benzochinonimin entgiften. Wenn Acetylcystein rechtzeitig eingesetzt wird, können Leberschäden durch eine Überdosierung von Paracetamol meist vermieden werden. 

Am effektivsten ist die Behandlung, wenn in einem Zeitraum bis zu acht Stunden nach einer Vergiftung damit begonnen wird. Schützende Effekte auf die Leber können aber auch noch für längere Zeit nachgewiesen werden.

Acetylcystein: Verabreichung als Infusion

Acetylcystein wird intravenös verabreicht und steht beispielsweise als Fluimucil® Antidot 20 % Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung zur Verfügung. Bei einer Vergiftung mit Paracetamol wird Acetylcystein nach Körpergewicht dosiert, benötigt werden drei aufeinanderfolgende Infusionen in unterschiedlichen Dosierungen. 

Begonnen wird dabei mit 150 mg/kg über 15 bis 60 Minuten, anschließend 50 mg/kg über vier Stunden und schließlich 100 mg/kg über 16 Stunden. Über einen Zeitraum von rund 21 Stunden werden also 300 mg Acetylcystein pro kg Körpergewicht appliziert. 

Unter einer intravenösen Acetylcystein-Therapie treten relativ häufig unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf: Insbesondere während der ersten Stunden kann es zu Übelkeit, Erbrechen und zu anaphylaktischen Reaktionen mit Juckreiz, Hautausschlag und Luftnot kommen. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-28-2016/ueberdosis-paracetamol
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2019/daz-48-2019/paracetamol
- https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/46051/pdf/dissertation.pdf?sequence=1
- https://www.rote-liste.de/suche/praep/8758-0/Fluimucil%C2%AE%20Antidot%2020%25%20Konzentrat%20zur%20Herstellung%20einer%20Infusionsl%C3%B6sung
 

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