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Orales Cannabis bei chronischen Rückenschmerzen

Forscher mit Mundschutz, SChutzbrlle und Handschuhen hält Cannabis-Pflanze
Eine Phase-III-Studie zeigt positive Ergebnisse für die Wirksamkeit von Cannabis bei chronischen Kreuzschmerzen. | Bild: Kitreel / AdobeStock

Bereits seit 1989 lädt die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) regelmäßig zu den Deutschen Palliativ- und Schmerztagen ein. Dieses Jahr fand die Veranstaltung vom 13. bis 15. März in Frankfurt statt. Unterstützt wurde sie von dem deutschen Biopharmaunternehmen Vertanical, das in diesem Rahmen einen Kandidaten aus ihrer Entwicklungspipeline vorstellte: VER-01.

Medizinisches Cannabis zur oralen Einnahme

Hierbei handelt es sich um einen medizinischen Cannabis-Vollextrakt für die orale Einnahme. Neben Tetrahydrocannabinol (THC) sind gemäß Herstellerangaben aufgrund der ausgewählten Pflanzengenetik insbesondere Terpene wie Myrcen und β-Caryophyllen enthalten. Der Cannabidiolgehalt soll unterdessen gering sein. 

Zugutekommen soll der in einer GMP-zertifizierten Produktionsstätte in Dänemark hergestellte Extrakt chronischen Schmerzpatienten. Für die Indikation chronische Kreuzschmerzen sind bereits zwei klinischen Studien der Phase III abgeschlossen.

Studie: Cannabis-Vollextrakt reduziert Schmerzen signifikant

Bei der Therapie chronischer Schmerzen besteht ein Bedarf an weiteren Arzneimitteln. Weltweit leiden Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. Oft erhalten sie Opioide – die jedoch nur bei einem Teil der Patienten langfristig wirksam sind und zudem das Risiko von Nebenwirkungen und Abhängigkeit mit sich bringen. Dies führte Dr. Richard Ibrahim, Präsident der DGS, aus.

Diese Lücke soll mit dem vorgestellten Cannabis-Vollextrakt adressiert werden. Prof. Dr. Matthias Karst, Oberarzt und Leiter der Schmerzambulanz an der Medizinischen Hochschule Hannover, präsentierte erste Daten aus einer Phase-III-Studie mit 820 Patienten, die im „Lancet“ zur Veröffentlichung eingereicht ist. 

Er hob vor allem hervor, dass sich bei den Patienten in der Verum-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe nicht nur signifikant die Schmerzen reduziert, sondern sich auch ihre Schlafqualität und die physische Funktion verbessert hätten. Dies seien zwei entscheidende Faktoren für die Lebensqualität der Betroffenen. 

Weiterhin sei der THC-haltige Extrakt gut verträglich. Karst habe außerdem im Laufe der Studie keine Dosiseskalation bei den Patienten beobachtet. Daraus schließt er, dass es nicht zu einem Gewöhnungseffekt oder einer Abhängigkeit gekommen sei.

Orales Cannabis: Für welche Patienten wäre es geeignet?

Studienarzt Dr. Philipp Müller-Schwefe betonte, dass seiner Erfahrung nach drei Patientengruppen besonders von dem Arzneimittelkandidaten profitiert hätten:

  • Personen mit neuropathischer Schmerzkomponente,
  • Personen, die „voll im Alltag stehen“ und die Einnahme von Opioiden scheuen, sowie
  • Personen, bei denen sich die Kreuzschmerzen bereits vor langer Zeit chronifiziert haben.

Er freue sich als Arzt besonders, dass für den Cannabinoid-basierten Extrakt eine Zulassung als Arzneimittel angestrebt wird und Behandlern somit künftig rechtssicher und unbürokratisch verordnungsfähige Optionen zur Verfügung stehen könnten. Zu bedenken bleibe, dass das Präparat nicht bei jedem Patienten anschlägt: Die Drop-out-Rate der vorgestellten Studie lag bei 17 %.

Zulassungsanträge für orales Cannabis gestellt

Für die Indikation chronische Kreuzschmerzen sind bereits Zulassungsanträge in Deutschland und in Österreich gestellt. Mit der Zulassung rechnet der Hersteller in diesen beiden Ländern im Juli 2025. 

Der Handelsname des Extraktes wird voraussichtlich Exilby lauten. Daneben hat Unternehmensgründer Dr. Clemens Fischer noch weitere Pläne mit dem Cannabinoid-basierten Extrakt. 

Bei erteilter Zulassung in Deutschland und Österreich soll eine europäische Zulassung über das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure) folgen. Diese erwartet das Unternehmen 2025/2026. 

Für einen Zulassungsantrag in den USA läuft darüber hinaus gerade eine weitere Phase-III-Studie in der Indikation chronische Kreuzschmerzen. Zudem sind weitere Phase-III-Studien in der Indikation der neuropathischen Schmerzen geplant. Wenn diese positive Ergebnisse liefern, wird der Hersteller eine Zulassungserweiterung anstreben.