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Kreuzschmerzen: Was die WHO-Leitlinie dazu sagt

Mann mit Kreuzschmerzen hält Hände an unteren Rücken
Chronische Kreuzschmerzen können am besten ganzheitlich aufgelöst werden. | Bild: Dragana Gordic / AdobeStock

Viele von uns werden sie kennen. Die Stammkunden, die zu jeder nur möglichen Rabatt-Aktion in der Apotheke ihr Schmerzgel immer und immer wieder kaufen: „Das starke, bitte.“ 

Natürlich haben auch topisch anzuwendende Schmerzmittel ihre Daseinsberechtigung und können lokale Schmerzen lindern. Was können wir aber Kunden mit Kreuzschmerzen noch mit an die Hand geben? 

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) veröffentlichte 2023 eine neue Leitlinie zur nicht operativen Behandlung von chronischen Schmerzen im unteren Rücken. 

Kreuzschmerzen – was ist das überhaupt?

Zeichnung des Aufbaus der Wirbelsäule
Aufbau der Wirbelsäule | Bild: DAZ / Hammelehle

Kreuzschmerzen betreffen den Bereich unterhalb des Rippenbogens bis oberhalb des Gesäßes, können aber bis in die Beine ausstrahlen. 

Oberhalb des Steißbeines befindet sich der Teil der Wirbelsäule, der Kreuzbein genannt wird. Daher der Begriff „Kreuzschmerzen“. Diese können akut auftreten, z. B. als der allseits bekannte „Hexenschuss“, und sollten spätestens nach 6 Wochen vollständig abgeklungen sein. 

Dauern die Schmerzen länger an, spricht man von subakuten Schmerzen (6–12 Wochen) oder von einem chronischen Verlauf (> 12 Wochen). 

Der Großteil – circa 90 % –  dieser chronischen Kreuzschmerzen ist weder auf eine Grunderkrankung (wie Bandscheibenvorfall, Lumbale Spinalkanalstenose oder Krebs) noch auf ein Trauma (wie Sturz, Unfall oder Wirbelfraktur) zurückzuführen. 

Oft lässt sich kein eindeutiger Grund für die Schmerzen finden. Fachleute sprechen in diesem Fall von nichtspezifischen oder chronisch primären Kreuzschmerzen. Genau um eben jene geht es in der WHO-Leitlinie.

Wer ist von Kreuzschmerzen besonders betroffen?

Einer von 13 Menschen leidet unter nichtspezifischen chronischen Kreuzschmerzen, zeigen Zahlen aus dem Jahr 2020. Weltweit sind das hochgerechnet rund 619 Millionen Betroffene, Tendenz steigend. 

2050 soll die Zahl schon auf 843 Mio. gestiegen sein. Laut WHO sind Schmerzen im unteren Rücken die häufigste Ursache für Behinderung und der häufigste Grund für Arbeitsunfähigkeiten. 

Aus den wahrscheinlichsten Ursachen für chronische Kreuzschmerzen (siehe Kasten) können wir erkennen: Das ist kein alleiniges Problem der geriatrischen Patienten, sondern zieht sich auch durch jüngere Altersschichten. 

Ursachen von chronisch-primären Kreuzschmerzen

Primäre Kreuzschmerzen können verschiedene Gründe haben. Vor allem Verhaltensweisen, aber auch seelische und berufliche Umstände tragen dazu bei, dass Beschwerden chronisch werden.

Dazu zählt:

  • viel Sitzen,
  • geringe körperliche Fitness,
  • einseitige Körperhaltung,
  • körperliche Schwerstarbeit und Fehlhaltung beim Heben,
  • Überstrapazieren, 

    aber auch
  • Schon- und Vermeidungshaltung bei akuten Rückenschmerzen,
  • Niedergeschlagenheit, Stress oder Ängste
  • Mobbing, berufliche Unzufriedenheit oder Arbeitslosigkeit,
  • Rauchen, Übergewicht und Alkohol.

Das empfiehlt die WHO bei Kreuzschmerzen

In der Leitlinie von 2023 werden 37 sogenannte Interventionen beschrieben und bewertet, die zur Behandlung chronischer, nichtspezifischer Kreuzschmerzen zur Verfügung stehen. Operative Verfahren sind nicht Gegenstand der Leitlinie.

Die Leitlinie ist rund 200 Seiten lang, aber tabellarisch gut zusammengefasst: Schon auf den ersten Seiten bekommt man einen guten tabellarischen Überblick über mögliche Behandlungsansätze. 

Mithilfe eines Ampelsystems verdeutlicht die WHO, welche Maßnahmen empfohlen werden, aber auch, von welchen Strategien Behandelnde lieber die Finger lassen sollten.

Folgende Interventionen werden bei chronischen Kreuzschmerzen empfohlen:

Wenn einzelne Interventionen die chronischen Schmerzen nicht lindern können, hat sich eine multimodale Behandlung bewährt. Damit ist ein Disease-Management-Programm (DMP) gemeint: Es besteht aus mehreren Behandlungsansätzen und einer ganzheitlichen Betreuung des Patienten – sowohl körperlich als auch seelisch –, was chronische Kreuzschmerzen lindern kann. 

Auch die Beratung in der Apotheke kann hierzu einen Beitrag leisten. So können PTA die Kunden sensibilisieren, wie wichtig ein gesunder Geist und Körper auch für den Rücken sind. 

Kreuzschmerzen: Diese Interventionen sind nicht geeignet

Der Vollständigkeit halber: 14 Maßnahmen führt die WHO-Leitlinie auf, die ausdrücklich nicht als Standard-Therapie genutzt werden sollten, weil das Risiko während der Anwendung größer ist als der zu erwartende Nutzen (Einzelfallentscheidungen ausgenommen).

Interventionen mit einer ausdrücklichen Empfehlung dagegen (ein Auszug):

  • TENS: Transkutane Elektrische Nervenstimulation (Ziel: Schmerzlinderung)
  • Ultraschalltherapie
  • Traktionstherapie (Dehnung der Wirbelsäule)
  • Opioide
  • Antidepressiva und Psychopharmaka als Schmerztherapie
  • Teufelskrallen-Präparate
  • Glucocorticoide
  • Muskelrelaxantien
  • Pharmakologisch unterstützte Gewichtsabnahme

Zahlreiche weitere Maßnahmen werden aufgrund fehlender Evidenz bzw. des fehlenden Nutzens nicht empfohlen, dazu gehört: Paracetamol zeigt keine ausreichende Wirkung bei chronischen Kreuzschmerzen. Von Schmerzgelen und -cremes, aber auch von Injektionen (GC, Lokalanästhetika) sollte aufgrund unzureichender Wirkung Abstand genommen werden. Auch Kälteanwendungen, Magnettherapie und Kinesio-Taping bringen bei chronischen Kreuzschmerzen nicht den gewünschten Effekt. Quellen:

https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/kreuzschmerzen/behandlung
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/143397/Schmerzen-im-unteren-Ruecken-haeufigste-Ursache-fuer-Arbeitsunfaehigkeit
https://www.patienten-information.de/patientenleitlinien/kreuzschmerz/kapitel-9

WHO Leitlinie:
https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/374726/9789240081789-eng.pdf