Woran erkennt man psychische Gewalt?
Psychische Gewalt ist schwer nachzuweisen. Betroffene fühlen sich häufig mit ihrem Problem alleingelassen, denn Verständnis und eine konstruktive Unterstützung bekommen sie viel zu selten. Verletzungen, die die psychische Gewalt in der Psyche der Opfer hinterlässt, heilen sehr schwer ab.
Bei den Tätern handelt es sich häufig um vertraute Bezugspersonen, wie Freunde, Partner oder Kollegen – ihnen aus dem Weg zu gehen, ist nicht selten mit Umbrüchen verbunden und bedarf viel Energie.
Psychische Gewalt erfolgt häufig subtil
Im Gegensatz zu körperlicher Gewalt ist die psychische Gewalt von Außenstehenden schwer zu erkennen. Täter sind nicht selten charmant, zeigen sich fürsorglich, entgegenkommend und freundlich.
Sie sind oft sehr beliebt bei Kunden und Kollegen, erwecken Vertrauen, sind fachlich kompetent und haben hohe berufliche Positionen. Sie haben die Fähigkeit, andere Menschen zu begeistern, zu überzeugen, aber auch zu eigenem Vorteil zu manipulieren. Diese Tatsache macht es den Opfern besonders schwer, Verständnis von Außenstehenden zu erhalten.
Die Aggression äußert sich subtil, denn Täter leben ihre Gewalt selten vor Zeugen aus. Sie beleidigen, setzen unter Druck und verunsichern ihre Opfer, streuen Gerüchte und Verleumdungen, am häufigsten dann, wenn sie sich unbeobachtet fühlen.
Unter den Tätern sind oft Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die durch Selbstzweifel, starke Minderwertigkeitskomplexe, Versagensängste sowie andere psychische Krankheiten gekennzeichnet sind. Es handelt sich deshalb bei gewalttätigen Personen häufig um „Wiederholungstäter“.
Hilfe für Opfer psychischer und körperlicher Gewalt:
Das Hilfetelefon ist täglich 24 Stunden erreichbar. Der Anruf ist kostenlos und die Nummer erscheint nicht auf der Telefonabrechnung.
Die Beratung erfolgt vertraulich und auf Wunsch anonym; möglich auch per Chat oder E-Mail. Das Angebot ist mehrsprachig: Die telefonische Beratung kann in 18 Fremdsprachen erfolgen.
Täter-Opfer-Umkehr: eine belastende Strategie
Von Psychoterror betroffene Menschen trauen sich nicht von ihrem Leid zu sprechen. Häufig werden sie von Außenstehenden als Mitschuldige betrachtet, da sie Warnsignale in der Anfangsphase einer Beziehung übersehen oder ignoriert hätten.
Melden sich Betroffene zu Wort oder suchen Hilfe bei den Vorgesetzten oder der Polizei, kommt es häufig zu Täter-Opfer-Umkehr: Täter bestreiten jegliche Vorwürfe und drohen mit juristischen Konsequenzen für falsche Beschuldigungen.
Auf diese Weise kommt es zu weiteren Einschüchterungen und psychischen Druck beim Opfer. Psychische Gewalt ist nicht nur äußerst belastend für Betroffene, sondern auch strafrechtlich schwer nachzuweisen. Fehlen Beweise für die erlebte psychische Gewalt, so ziehen sich Opfer häufig zurück und der Täter bleibt unbestraft. Doch auch Zeugen oder schriftliche Korrespondenz, die eine psychische Gewalt bestätigen, erweisen sich nicht zwangsläufig als wirksame Beweismittel.
Bei psychischer Gewalt ist rasches Handeln gefragt
Psychische Gewalt rechtzeitig zu erkennen und Grenzen zu setzen, ist der wirksamste Schutz, um sie nicht dauerhaft erfahren zu müssen.
Jede Person, die einer psychischen Unterdrückung am Arbeitsplatz oder im Privatleben ausgesetzt wird, sollte deshalb rechtzeitig auf Warnsignale reagieren, damit einzelne Vorfälle nicht in eine täglich erlebte psychische Gewalt münden. Häufig beginnt allerdings psychische Gewalt als ein schleichender Prozess von Grenzverletzungen und Grenzüberschreitungen, vermischt mit wiederholten Entschuldigungen des Täters und wird von Betroffenen deshalb zu spät erkannt. Im beruflichen Kontext kann es auch in einem ausufernden Verhalten des gesamten Teams münden und sich als massives Mobbing oder sogar Bossing äußern.
Gut zu wissen: Was versteht man unter Mobbing und Bossing?
Mobbing ist durch Ausübung von systematischem psychischem Druck am Arbeitsplatz gekennzeichnet, durch die betroffene Personen regelmäßig schikaniert und seelisch verletzt werden. Tritt Mobbing am Arbeitsplatz auf, stecken häufig Neid, Konkurrenzkampf und Missgunst dahinter. Aus Angst, selbst Opfer von Mobbinghandlungen zu werden, schließen sich häufig auch andere Arbeitskollegen den Mobbern an und lassen das Opfer allein.
Bossing wird als Mobbing von „oben nach unten“ verwendet: z. B. wenn Vorgesetzte gegenüber Mitarbeitenden Mobbinghandlungen vornehmen.
Gaslighting – eine böse Verunsicherung
Psychische Gewalt hat viele Formen – eine davon ist das Gaslighting. Gaslighting ist sowohl am Arbeitsplatz als auch in der partnerschaftlichen Beziehung ein Beweis einer bösartigen Manipulation.
Dem Betroffenen werden bewusst Sachverhalte anders geschildert, als sie stattgefunden haben, sodass er schließlich selbst an sich zweifelt. Es werden Sachen versteckt, verlegt, Dokumente im PC bewusst gelöscht. Diese zwanghafte Manipulation soll dem Opfer suggerieren, dass es selbst keine Kontrolle hat, vergesslich ist oder unfähig korrekt zu arbeiten.
Wiederholte Vorwürfe wie „Natürlich habe ich dich darüber informiert, dass die Sachen im Abholregal stehen!“, „Alle anderen verstehen dich auch nicht, auch Kunden haben sich über dich schon beschwert!“ und „Wir haben es doch vereinbart, dass du die Verfalldaten kontrollierst!“ können Beispiele von Gaslighting sein, vor allem dann, wenn es wiederholt vorkommt und sich der Betroffene daran nicht erinnern kann, jemals solche Informationen gehört zu haben.
Wann können sich Opfer strafbar machen?
Es kommt häufig vor, dass sich Täter versuchen herauszureden, um sich in einem positiven Licht darstellen zu können. Es hilft allerdings nicht, sich unüberlegt und aggressiv zu wehren, denn das verfehlt leider das Ziel.
Es besteht nämlich die Gefahr, dass Betroffene selbst in ihrer Verzweiflung Grenzen überschreiten und falsch reagieren, indem sie beispielsweise die Arbeit sabotieren, rufschädigende Aussagen in sozialen Netzwerken machen sowie bei gemeinsamen Bekannten oder im Kundenkreis Fakten verbreiten.
Auch wenn Betroffene in ihrer Not sich selbst helfen und Beweise sichern wollen, kann es sein, dass sie sich schlimmstenfalls selbst strafbar machen, wenn sie heimlich Ton- oder Filmaufnahmen von den Taten machen, den Täter beleidigen oder ihm drohen.
Unbefugte Aufnahmen sind im Strafprozess grundsätzlich als Beweismittel nicht zulässig, und auch die Aussagen von Zeugen sind häufig schwer zu bewerten – diesbezüglich ist also Vorsicht geboten, um später Probleme und Anschuldigungen zu vermeiden.
Täter psychischer Gewalt nutzen Manipulation
Menschen, die psychische Gewalt ausüben, streben nach Kontrolle und wollen nicht zu den Verlierern zählen. Sobald sie merken, dass das Opfer sich zu wehren anfängt und bereit ist, ernsthafte Schritte einzuleiten, wechseln Täter häufig ihre Strategie und versuchen sich dem Opfer wieder anzunähern.
Ein feindseliger und mobbender Kollege kann plötzlich einfühlsam und zuvorkommend werden oder ein Freund oder Partner, der gestern noch beschimpfte und drohte, zeigt sich als liebevoller und geduldiger Mensch.
Diese manipulative Strategie wird häufig von Tätern verfolgt – und so werden Opfer über eine lange Zeit verunsichert, gedemütigt und „klein“ gehalten. Es ist daher wichtig, jede Manipulation als ein Signal zu verstehen und entsprechend zu handeln, bevor das Leiden die Leistung und Gesundheit der Betroffenen angreift.