Zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen: Wie man Gewaltopfern in der Apotheke helfen kann
Auch im 21. Jahrhundert ist körperliche, seelische und sexuelle Gewalt an Frauen und nicht-binären Personen weltweit keine Seltenheit. So wird einer EU-Studie aus dem Jahr 2014 zufolge jede dritte Frau in Europa irgendwann in ihrem Leben Opfer von körperlicher und/oder sexueller Gewalt. Während Krisenzeiten (wie z. B. der Corona-Pandemie oder Kriegen) steigen die Zahlen laut UN Women weiter an.
Was versteht man unter Gewalt gegen Frauen?
Laut der Istanbul-Konvention wird als Gewalt gegen Frauen „eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung der Frau verstanden“. Demnach zählen alle Handlungen dazu, die „zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben“.
UN Women nennt als Beispiele: Demütigungen, Beleidigungen, Einschüchterungen, sexualisierte Belästigungen und Übergriffe, Jungfräulichkeitstests, Gewalt in der Geburtshilfe, Schläge, Vergewaltigungen, Zwangsheirat, Zwang zu Sterilisation und Abtreibung, Säureattacken, Genitalverstümmelung, Massenvergewaltigungen, Frauenhandel und Mord.
Gut zu wissen: Gewalt in der Geburtshilfe
Auf eine spezielle Form der Gewalt wird mit der Rose Revolution aufmerksam gemacht. Dabei geht es um die Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe. Schätzungsweise 10–50 Prozent der Geburten sind in Deutschland davon betroffen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert diese Form der Gewalt wie folgt: „Körperliche Misshandlung, tiefe Demütigung und verbale Beleidigung, aufgezwungene oder ohne ausdrückliche Einwilligung vorgenommene medizinische Eingriffe (darin eingeschlossen die Sterilisation), Missachtung der Schweigepflicht, Nichteinhaltung der Einholung einer vollumfänglich informierten Einverständniserklärung, Verweigerung der Schmerzbehandlung, grobe Verletzung der Intimsphäre, Verweigerung der Aufnahme in medizinische Einrichtungen, [sowie] Vernachlässigung von Frauen unter der Geburt (...).“
Als Zeichen legen betroffene Frauen jährlich am 25. November eine rosafarbene Rose an dem Ort nieder, an dem sie die besagte Gewalt erfahren haben.
Was Apotheken bei Verdachtsfällen tun können
Entsteht im vertraulichen Beratungsgespräch mit einer Kundin der Verdacht auf eine Gewalttat, sollten Apothekenangestellte dies keinesfalls ignorieren. Denn auch wenn in der Apotheke in der Regel nicht direkt geholfen werden kann, so kann man doch auf spezielle Hilfsangebote verweisen. Dabei ist zu beachten, dass auch in derartigen Fällen die Schweigepflicht gilt.
Bei Gewalt: Hilfetelefon und Beratungsstellen
Als bundesweite, niedrigschwellige und anonyme Anlaufstelle steht Betroffenen das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der Nummer 08000 116 016 bzw. via Online-Beratung zur Verfügung – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr.
Das Beratungsangebot richtet sich sowohl an Frauen aller Nationalitäten, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben, als auch an Angehörige und Fachkräfte.
Wird eine Hilfe vor Ort gewünscht, kommen lokale Frauenberatungsstellen infrage. Eine Übersicht der zur Verfügung stehenden Stellen hat Frauen gegen Gewalt e.V. zusammengestellt.
Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November
Der „Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen“ wurde 1999 durch die vereinten Nationen ins Leben gerufen. Hintergrund war die Entführung, Vergewaltigung, Folterung und Ermordung dreier Schwestern am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik.
Seit 1991 findet die UN-Kampagne „Orange The World“ vom 25. November bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, statt. Der Fokus liegt in diesem Jahr auf dem Thema „Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften“. Quelle: UN Women - Kampagne "Orange the World"
Soforthilfe nach Vergewaltigung
Nach einer Vergewaltigung kommt für viele Frauen und Mädchen eine polizeiliche Anzeige vorerst nicht infrage. Da sie befürchten, zu einer Anzeige gedrängt zu werden, bleiben die Betroffenen dann oft medizinisch unterversorgt.
Einige Kliniken bieten Betroffenen (dazu zählen auch Jungs und Männer) nach einer Vergewaltigung eine diskrete Lösung an: Neben der Akutversorgung nach einer Vergewaltigung findet in der gynäkologischen Ambulanz auf Wunsch eine vertrauliche und gerichtsverwertbare Befunderhebung statt.
Nach der medizinischen Untersuchung werden die Materialien für ein Jahr gesichert. Dadurch haben die Betroffenen Zeit, sich über die Erstattung einer Anzeige Gedanken zu machen, ohne in der Zwischenzeit wichtiges Beweismaterial zu verlieren. Bleibt die Anzeige durch die/den Betroffenen aus, wird das sichergestellte Material nach einem Jahr vernichtet.
Mehr Informationen zum Angebot sowie teilnehmende Kliniken finden sich auf der Website www.soforthilfe-nach-vergewaltigung.de.
Hinweis auf Pille danach
Sofern nach einer Vergewaltigung eine ungewollte Schwangerschaft nicht ausgeschlossen werden kann, kann die Betroffene innerhalb von 72 Stunden bzw. 120 Stunden die „Pille danach“ anwenden. Über diese Möglichkeit können Apothekenangestellte die Betroffene informieren und ggf. die ausführliche Beratung zur Anwendung anschließen.
Gut zu wissen: Was kann nach einer Vergewaltigung getan werden?
- (Psychologische) Unterstützung suchen und sich jemandem anvertrauen z. B. via Hilfetelefon 08000/116016.
- Zeitnah medizinische Hilfe suchen, auch bei nicht sichtbaren Verletzungen.
- Spuren und Verletzungen für den Anzeigefall sichern lassen.
- Vor Sicherstellung der Beweise nicht duschen und Kleidung bzw. Bettwäsche nicht wechseln.
- Ggf. Anzeige bei der Polizei erstatten.
- Ggf. Anwendung der „Pille danach“, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern.