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Migräne: Noch immer unterschätzt

Frau mit Kopfschmerzen fasst sich an linke Schläfe
Viele Menschen mit Migräne werden nicht ausreichend versorgt. | Bild: Syda Productions / AdobeStock

Jeden Tag treten etwa 350.000 Migräneattacken in Deutschland auf, so die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. (DMKG). Laut Robert Koch-Institut (RKI) sind 14,8 Prozent der Frauen und 6 Prozent der Männer in Deutschland von Migräne betroffen. Weitere 13,7 Prozent der Frauen und 12 Prozent der Männer hätten wahrscheinlich Migräne, so die Erhebung von 2020.  

Migräne zählt damit zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen und kann zu deutlichen Einschränkungen in der Lebensqualität führen. Allerdings wurde Migräne lange nicht als ernsthafte Krankheit anerkannt.  

Migränetag soll Aufklärung bieten 

Das könnte mitunter daran liegen, dass Migräne sich bei verschiedenen Patienten auf ganz unterschiedliche Weise äußern kann. Ebenso vielfältig ist die Liste möglicher Auslöser. Das macht ihre Behandlung manchmal schwierig.  

Deshalb wird der europäische Kopfschmerz- und Migränetag, der alljährlich am 12. September stattfindet, von diversen Organisationen und Institutionen dazu genutzt, um auf Themen wie Gesundheitskompetenz, neue Behandlungsoptionen und Versorgungsdefizite aufmerksam zu machen. 

Migräne wird oft in der Selbstmedikation behandelt 

Viele Betroffene greifen zu klassischen Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Paracetamol oder ASS, die auch in den Leitlinien von Fachgesellschaften empfohlen werden. Doch wie PTA wissen, sollten rezeptfreie Schmerzmittel nicht leichtfertig über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Denn ein Übergebrauch kann zu einem medikamenteninduzierten Kopfschmerz führen.  

Gudrun Goßrau, Generalsekretärin der DMKG, erklärt: „Als Faustregel gilt, dass man diese an nicht mehr als neun Tagen pro Monat nehmen sollte.“ Außerdem können nichtsteroidale Antirheumatika bei häufigem und mehrjährigem Gebrauch die Nieren schädigen. Andersherum kann eine unbehandelte Migräne chronisch werden, weshalb Betroffene frühzeitig ärztlichen Rat einholen sollten. 

Ärztlicher Rat ist einzuholen, wenn der Kopfschmerz:

  • an mehr als zehn Tagen pro Monat auftritt,  
  • mit weiteren Symptomen einhergeht, z. B. Lähmungen, Gefühls-, Seh-, Gleichgewichtsstörungen, Augentränen oder starkem Schwindel,  
  • mit akuten psychischen Störungen einhergeht, z. B. Störungen des Kurzzeitgedächtnisses oder der Orientierung,  
  • zum ersten Mal im Alter von über 40 Jahren auftritt,  
  • stärker ist, länger andauert oder anders lokalisiert ist als üblich,  
  • erstmals nach körperlicher Belastung auftritt und/oder sehr stark ist und in den Nacken ausstrahlt,  
  • zusammen mit hohem Fieber auftritt,  
  • nach einer Kopfverletzung auftritt und  
  • trotz Behandlung zunimmt.

Migräniker häufig unterversorgt 

„Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt, die auch zu deutlichen Einschränkungen in der Lebensqualität führen kann“, betont indes Christian Maihöfner, Sprecher der Kommission Schmerz der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Eine schwere Migräne könne ähnliche gesundheitsökonomische Folgen haben wie ein Schlaganfall.  

Doch nur bei etwa vier Prozent der Migräniker kommt es zu einer starken bis sehr starken Symptomlinderung durch eine entsprechende Therapie, sodass sie mit der Behandlung zufrieden sind. Das ergab eine Auswertung des Praxisregisters Schmerz mit circa 16.000 Teilnehmenden.  

Demgegenüber empfanden fast 85 Prozent der Befragten durch die Behandlung keine nennenswerte Besserung, der Akutschmerz sei nicht beeinflusst worden.  

Zahlreiche Behandlungsoptionen bei Migräne möglich 

Wenn Schmerzmittel wie ASS, Ibuprofen, Metamizol oder Analgetika-Kombinationen mit Koffein bei Migräneattacken nicht ausreichend wirksam sind, kommen meist Triptane zum Einsatz.  

Am schnellsten und wirksamsten ist eine subkutane Behandlung mit Sumatriptan. Bei den oralen Triptanen wirken Eletriptan und Rizatriptan am raschesten. Naratriptan und Frovatriptan überzeugen aufgrund ihrer langen Wirkdauer bei längeren Migräneattacken.  

Seit kurzem bereichern zudem zwei neue Wirkstoffklassen das Spektrum der Migränetherapeutika: Gepante und Ditane.  

Darüber hinaus werden Betablocker, Antidepressiva und vereinzelt auch Epilepsie-Mittel vorbeugend eingesetzt. Letztere können allerdings fruchtschädigend wirken. Manche Betroffene berichten von positiven Erfahrungen mit Magnesium oder Vitamin B2. Bei chronischer Migräne, von der man bei mehr als 15 Tagen im Monat spricht, können darüber hinaus Botulinumtoxin-Injektionen verschrieben werden. 

Nichtmedikamentöse Prophylaxe bei Migräne testen 

Bevor Prophylaxe-Medikamente genommen würden, sollten allerdings nichtmedikamentöse Optionen versucht werden. „Hier spielen Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung eine wichtige Rolle, aber auch Meditation und Achtsamkeit“, zählt Maihöfner auf. Ebenso könne Ausdauersport in Form von Schwimmen, Joggen oder Nordic Walking helfen.  

Goßrau unterstreicht die Wichtigkeit eines regelmäßigen Tagesablaufs: „Zur gleichen Zeit essen, zur gleichen Zeit und ausreichend schlafen, den Alltag nicht zu voll packen: Gerade bei wiederkehrender Migräne ist das wichtig.“  

Die Neurologin betont auch die Bedeutung von Aufklärung: So kämen Triptane aus Angst vor Nebenwirkungen zu selten zum Einsatz, Männer seien unterbehandelt – nicht zuletzt, weil Migräne als Frauenkrankheit gelte – und zudem werde das Auftreten in jungen Jahren vernachlässigt. Tatsächlich sind laut DMKG fast zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen.  Quellen: dpa, äertzezeitung.de, DMKG