Almotriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan: Rezeptfreie Triptane: Für wen ist welches geeignet?
Reichen Analgetika und NSAR nicht aus, um eine Migräneattacke zu lindern, können Migränepatienten Triptane anwenden. Sie sind der S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ (gültig bis 2026) zufolge die derzeit wirksamsten Migräne-Arzneimittel.
Naratriptan (Formigran®) gibt es bereits seit 2006 auch rezeptfrei in der Apotheke. Seit 2011 und 2020 ergänzen Almotriptan (Dolortriptan®) und Sumatriptan die Migräne-Selbstmedikation. Nun soll mit Rizatriptan (Maxalt® und Generika) ein vierter Vertreter aus der Verschreibungspflicht entlassen werden. Doch welches Triptan eignet sich für welchen Migränepatienten?
Selbstmedikation möglich nach ärztlicher Diagnose
Grundvoraussetzung für die Selbstmedikation mit Triptanen ist, dass ein Arzt die Migräne bereits diagnostiziert hat – so schreibt es die Anlage 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) vor. (Zur Erinnerung: Diese Anlage enthält alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel sowie deren Ausnahmen von der Verschreibungspflicht.)
Daher darf das Apothekenpersonal Triptane in der Selbstmedikation nur dann abgeben, wenn die Diagnose Migräne bereits steht und Kontraindikationen – wie z. B. unzureichend behandelter Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung (KHK), Angina pectoris, Herzinfarkt in der Vorgeschichte, M. Raynaud, pAVK, TIA oder Schlaganfall, Schwangerschaft, Stillzeit, schwere Leber- oder Niereninsuffizienz – ausgeschlossen sind.
Auszug aus Anlage 1 der AMVV
„Verschreibungspflichtig sind, sofern im Einzelfall nicht anders geregelt (…)
Almotriptan: ausgenommen zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit und ohne Aura, nach Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 12,5 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 25 mg je Packung.
Naratriptan: ausgenommen zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit und ohne Aura, nach Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 2,5 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 5 mg je Packung.
Sumatriptan: ausgenommen zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase bei Migräneanfällen mit und ohne Aura, nach Erstdiagnose einer Migräne durch einen Arzt, in festen Zubereitungen zur oralen Anwendung in Konzentrationen von 50 mg je abgeteilter Form und in einer Gesamtmenge von 100 mg je Packung.“
Sollte jeder Migräniker ein Triptan erhalten?
Bei leichten Migräneanfällen sind zunächst Schmerzmittel und NSAR die Arzneimittel der Wahl. Triptane kommen hingegen erst bei starken Kopfschmerzen zum Einsatz oder wenn Schmerzmittel – auch in Kombination mit Koffein – bzw. NSAR nicht ausreichen, um die akute Migräneattacke zu lindern.
Wichtig ist zudem zu wissen, dass schwere Migräneanfälle Analgetika und NSAR als Therapeutika nicht grundsätzlich ausschließen. Manche Migränepatienten mit schweren akuten Attacken sprechen auch auf diese Arzneimittel ausreichend an.
Wie schnell wirken die Triptane?
Der Leitlinie zufolge ist Rizatriptan (neben dem rezeptpflichtigen Eletriptan) das am schnellsten wirksame orale Triptan. Die Wirkung setzt bereits 30 Minuten nach Einnahme ein.
Almotriptan und Sumatriptan wirken ebenfalls rasch, jedoch erst nach 45 bis 60 Minuten (die Fachinformationen nennen 30 Minuten). Naratriptan ist von den rezeptfreien Triptanen das „langsamste“, es benötigt bis zu vier Stunden bis zum Wirkungseintritt.
Zur Erinnerung: Frühe Anwendung sinnvoll
Wichtig ist in diesem Kontext auch der Hinweis, dass Triptane so rasch wie möglich – d. h. zu Beginn der Migräneattacke – angewendet werden sollen. Denn die Wirksamkeit ist höher, wenn diese „früh in der Kopfschmerzphase der Migräne eingenommen werden“, erklärt die Leitlinie.
Ist also eine besonders rasche Wirkung gewünscht, was vor allem bei Kunden mit schweren Attacken der Fall sein dürfte, könnte Rizatriptan vorteilhaft sein. Doch auch Naratriptan bringt für manche Migräniker Vorzüge mit sich.
Naratriptan – bei längeren Attacken
Die Wirkung von Naratriptan setzt zwar verzögert ein, doch hält sie besonders lange: Die Halbwertszeit liegt bei 6 Stunden. Almotriptan hat hingegen eine Halbwertszeit von 3,5 Stunden, Rizatriptan von 2–3 Stunden, und bei Sumatriptan liegt die Eliminationshalbwertszeit bei 2 Stunden.
Die lange Halbwertszeit beeinflusst auch die Wirkdauer: Naratriptan (und das verschreibungspflichtige Frovatriptan) wirkt am längsten und eignet sich deswegen vor allem für Migränepatienten mit lang anhaltenden Attacken.
… und bei Wiederkehrkopfschmerz
Ein weiterer Vorteil von langwirksamen Triptanen wie Naratriptan ist, dass sie „tendenziell etwas geringere Recurrence-Raten als solche mit kurzer Halbwertszeit“ haben. Immerhin 15–40 Prozent der Patienten berichten über wiederauftretende Kopfschmerzen („Headache Recurrence“), nachdem sie ein Triptan eingenommen haben. Dann kann eine zweite Dosis wirksam sein.
Gut zu wissen: Wann spricht man von Wiederkehrkopfschmerz?
Tritt nach einer ersten wirksamen Arzneimitteleinnahme (Kopfschmerzfreiheit) innerhalb von 2–24 Stunden der Kopfschmerz wieder auf oder verschlechtert er sich von leichten zu mittelschweren bis schweren Kopfschmerzen, spricht man von Wiederkehrkopfschmerz oder „Headache Recurrence“.
Das pharmazeutische Personal sollte in der Beratung darauf hinweisen, dass bei Almotriptan, Rizatriptan und Sumatriptan eine zweite Dosis frühestens zwei Stunden nach der ersten Tablette eingenommen werden darf. Bei Naratriptan müssen sogar vier Stunden bis zur Einnahme einer zweiten Dosis vergehen. Dadurch soll verhindert werden, dass bereits nachdosiert wird, bevor die Wirkung der ersten Tablette überhaupt einsetzen konnte.
Welches Triptan wirkt am „besten“?
Triptane sind die derzeit bei akuten Migräneattacken am besten wirksamen Arzneimittel und sowohl Analgetika, NSAR als auch Mutterkornalkaloiden überlegen. In Studien wird die Wirksamkeit anhand der Schmerzfreiheit oder Schmerzreduktion zwei Stunden nach Anwendung bewertet.
Betrachtet man die OTC-Triptane, bessern Rizatriptan und Sumatriptan die Kopfschmerzen zwei Stunden nach Einnahme wirksamer als Naratriptan. Die Wirksamkeit von Naratriptan ist erst vier Stunden nach Anwendung mit der von Sumatriptan vergleichbar.
Generell kommen die Leitlinienautoren zu dem Schluss, dass zwischen den einzelnen oralen Triptanen „nur geringe Unterschiede in der Wirksamkeit“ bestehen, jedoch können diese individuell erheblich variieren. Das bedeutet: Sollte ein Triptan bei einem Migränepatienten nicht wirken – und das bei drei aufeinanderfolgenden Migräneattacken –, kann ein anderes Triptan dennoch wirksam sein.
Welches Triptan ist am besten verträglich?
Almotriptan bescheinigen die Leitlinienautoren (gemeinsam mit dem verschreibungspflichtigen Eletriptan) „das beste Nebenwirkungsprofil“. Auch Naratriptan zeigt weniger Nebenwirkungen als Rizatriptan oder Sumatriptan.
Zu den typischen Nebenwirkungen einer Triptanbehandlung zählt ein Engegefühl in der Brust – bei Rizatriptan und Sumatriptan tritt diese unerwünschte Wirkung „häufig“ auf (also bei 1 bis < 10 Prozent der Behandelten), bei Almotriptan und Naratriptan „gelegentlich“ (bei 0,1 bis < 1 Prozent).
Zusammenfassung: Wann welches Triptan?
- Almotriptan, Naratriptan, Rizatriptan (bald) und Sumatriptan dürfen in der Selbstmedikation bei mittelschweren und schweren Migräneattacken abgegeben werden.
- Eine ärztliche Erstdiagnose der Migräne muss gestellt sein.
- Bei starken Attacken und dem Wunsch nach schnellem Wirkeintritt eignet sich vor allem Rizatriptan, die Wirkung setzt nach 30 Minuten ein. Almotriptan und Sumatriptan wirken ebenfalls rasch. (Sind die Attacken tendenziell kürzer, könnte aufgrund der kürzeren Halbwertszeit auf Sumatriptan zurückgegriffen werden, bei etwas längeren auf Almotriptan.)
- Bei längeren Attacken kann Naratriptan vorteilhaft sein (auch Almotriptan ist eine Option).
- Berichten die Patienten über Wiederkehrkopfschmerzen, eignet sich Naratriptan.
- Nebenwirkungsempfindliche Patienten könnten mit Almotriptan oder Naratriptan besser zurechtkommen.