Was ist eigentlich das Raynaud-Syndrom?
Es kann beängstigend sein: Auf einmal werden die Finger ganz weiß, fühlen sich taub an, kribbeln oder schmerzen. Manchmal verfärben sie sich noch bläulich. Sie scheinen gänzlich abgeklemmt zu sein von jeglicher Blutversorgung. Nach einigen Minuten ist die Attacke meist vorbei. Dabei kann aber noch eine weitere Erscheinung beunruhigen: Die vorher wie abgestorben wirkenden Finger werden plötzlich feuerrot.
Raynaud-Syndrom: Finger wie bei einer Leiche
Der französische Arzt Maurice Raynaud (1834–1881) hat dieses Phänomen erstmals wissenschaftlich beschrieben. So kam die Krankheit zu ihrem Namen. Das Raynaud-Syndrom erhielt zwischenzeitlich noch weitere Bezeichnungen, zum Beispiel „Weißfinger-Krankheit“ oder „Leichenfinger“.
Raynaud-Syndrom ist weit verbreitet
Vielen mag die Beschreibung des Raynaud-Phänomens bekannt vorkommen. Solche „Leichenfinger“ hat mancher schon selbst erlebt. Tatsächlich ist das Syndrom weit verbreitet: Fünf bis 20 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, Frauen viermal häufiger als Männer.
Bei manchen Patienten treten nur wenige Attacken im Jahr auf, bei anderen gleich mehrere an einem Tag. Mitunter sind nur einzelne Finger betroffen, in anderen Fällen alle – jedoch nie die Daumen.
Raynaud-Attacken hinterlassen meist keine bleibenden Schäden. Das gilt zumindest für das primäre Raynaud-Syndrom, von dem überwiegend junge Frauen betroffen sind. Mit Beginn der Wechseljahre verlieren sich die Beschwerden in den meisten Fällen.
Wie entsteht das Raynaud-Syndrom?
Ausgelöst wird das anfallsartige Blasswerden der Finger durch eine spezielle Durchblutungsstörung: Die kleinen Gefäße in den Fingern ziehen sich plötzlich krampfartig zusammen. In die Finger fließt dann nicht mehr genug Blut und sie werden weiß.
Durch die Unterversorgung kann ein Sauerstoffmangel auftreten und die Finger nehmen eine bläuliche Farbe an (Zyanose). Nach einiger Zeit löst sich der Gefäßkrampf und die Finger werden wieder durchblutet. Durch verstärkte Blutzufuhr können sich die Finger deutlich röten.
Syndrom ausgelöst durch Kälte oder Stress
Ausgelöst wird ein Raynaud-Anfall überwiegend durch einen Kältereiz. Bereits Temperaturen unter 10 Grad Celsius können ausreichen. Als weiterer Auslöser kommt Stress infrage.
Aus welchem Grund die Blutgefäße bei Raynaud-Patienten so empfindlich auf Kälte und Stress reagieren, weiß man noch nicht. Möglicherweise liegen neuronale Fehlregulationen zugrunde.
Raynaud-Syndrom als Folge einer Grunderkrankung
Das sekundäre Raynaud-Syndrom tritt meist nach dem 40. Lebensjahr auf und ist Folge einer Grunderkrankung. Häufigste Ursache ist eine Bindegewebserkrankung (Kollagenose), insbesondere Sklerodermie oder Lupus erythematodes, manchmal auch eine rheumatoide Arthritis.
Auch Medikamente können das Raynaud-Phänomen auslösen, insbesondere Betablocker, Ergotamine, Bromocriptin und Cabergolin. Bei bestimmten Berufen, die mit Vibrationen der Hände verbunden sind – durch Presslufthammer, Kettensägen etc. –, besteht ebenfalls ein erhöhtes Raynaud-Risiko.
Auch treten Migräne und Raynaud-Syndrom häufig zusammen auf. Fallberichte zeigen, dass die Migräne-Antikörper Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab ein Raynaud-Syndrom verschlechtern können.
Studie zu einer neuen Therapie
Seit kurzem gibt es die Hoffnung auf eine neue Therapiemöglichkeit. Dafür wurde eine Pilotstudie ins Leben gerufen. Die neue Therapie beinhaltet eine Rückenmarkstimulation.
Den Erkrankten wird in einer Operation minimalinvasiv ein kleines Implantat in der Nähe des Rückenmarks eingesetzt, das Stromimpulse abgibt. Diese sollen dafür sorgen, dass die Gefäße – vor allem in den Fingern und Zehen – weiter werden.
Die Behandlung sei unschädlich für den Körper und zeige sich nach den ersten Auswertungen im Falle der vom primären und sekundären Raynaud-Phänomen betroffenen Patienten als sehr wirksam.Quelle: Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Betroffene können sich zur Diagnostik und bei Interesse an der Studie in der Rheumatologie und klinischen Immunologie, Medizinische Klinik III oder der Sektion stereotaktische und funktionelle Neurochirurgie des UKB melden:
Sekretariat funktionelle Neurochirurgie:
Karin.Ittner@ukbonn.de
Tel.: +49 228 287-16531
Tipp für Raynaud-Patienten: Handschuhe schon ab 10 Grad
Der Arzt hat verschiedene Möglichkeiten, ein Raynaud-Syndrom zu diagnostizieren – etwa durch einen Kälte-Provokationstest, durch die Faustschlussprobe oder mittels Kapillarmikroskopie und Farbduplexsonographie.
Therapeutisch kommt es beim sekundären Raynaud-Syndrom darauf an, die entsprechende Grunderkrankung zu behandeln. Die primäre Form bedarf meist keiner Therapie. Betroffene sollten aber bei Kälte immer Handschuhe – am besten Fäustlinge – tragen, und zwar bereits bei 10 Grad Außentemperatur. Hilfreich können beheizbare Handschuhe oder Taschenwärmer sein.
Um die Durchblutung nicht zusätzlich zu verschlechtern, sollte Rauchen tabu sein. Ist Stress der Auslöser, empfehlen sich regelmäßige Entspannungsübungen. Bringen diese allgemeinen Maßnahmen nichts, können Medikamente eingesetzt werden, bevorzugt Calcium-Antagonisten, außerdem Nitrate oder eventuell Sildenafil.
Kalte Gliedmaßen nicht zwangsläufig symptomatisch
Vor allem Frauen klagen häufig darüber, dass ihre Hände und Füße immer kalt sind. Dies hat aber nichts mit dem Raynaud-Syndrom zu tun, denn für diese Erkrankung ist das Anfallsartige typisch. Ursache für dauerhaft kalte Finger ist häufig ein niedriger Blutdruck. Quellen: Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V.; IPF – Infozentrum für Prävention und Früherkennung; www.apotheken.de
Raynaud-Syndrom in Kürze:
- Spezielle Durchblutungsstörung der Finger (ausgenommen Daumen). Alle oder einzelne Finger werden auf einmal weiß und taub („Leichenfinger“), manchmal bläulich.
- Entsteht durch plötzliche Gefäßkrämpfe in den Fingern, ausgelöst durch Kälte oder Stress.
- Ärztliche Diagnose durch Kälteprovokationstest, Faustschlussprobe, Sonographie, Kapillarmikroskopie u. a.
- Primäres Raynaud-Syndrom betrifft überwiegend junge Frauen und ist meist harmlos. Behandlung durch Warmhalten, nur in schweren Fällen medikamentös (v. a. Calcium-Antagonisten).
- Sekundäres Raynaud-Syndrom ist Folge einer Grunderkrankung (z. B. Sklerodermie, Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis) und erfordert deren Behandlung. Weitere Ursachen: Vibrationstrauma, Medikamente (Betablocker, Ergotamine u. a.)