Fremanezumab – Der dritte Migräne-Antikörper ist da!
Fremanezumab hat in der EU am längsten auf sich warten lassen. Die Europäische Kommission erteilte dem CGRP(Calcitonin Gene-Related Peptide)-Antikörper erst Anfang April 2019 die Zulassung. Fremanezumab folgt in seiner europäischen Zulassungshistorie als dritter Migräne-Antikörper nach Erenumab (Aimovig®) und Galcanezumab (Emgality®). Mit Ajovy® – unter diesem Handelsnamen vermarktet Teva Fremanezumab – will der sowohl forschende als auch generisch aktive Pharmakonzern nun ebenfalls bei den innovativen Migräne-Prophylaktika mitspielen. Einen Vorteil könnte Fremanezumab mit sich bringen.
Fremanezumab: Vierteljährlich genügt!
Erenumab, Fremanezumab und auch Galcanezumab umfassen die gleiche Indikation und Patientengruppe. Alle drei Antikörper sind zugelassen zur Prophylaxe von Migräne, und zwar bei Erwachsenen, die an mindestens vier Tagen pro Monat an Attacken leiden. Unterschiede zwischen Aimovig®, Ajovy® und Emgality® gibt es jedoch dennoch: die Applikationsart – ob Fertigpen oder Fertigspritze –, das Dosierintervall und ob es einer Loading-Dose bedarf.
- Erenumab (70 mg) in Aimovig® applizieren die Migräniker alle vier Wochen subkutan mittels eines Fertigpens.
- Galcanezumab (120 mg) in Emgality® applizieren die Migräniker monatlich subkutan mittels eines Fertigpens. Die Anfangsdosis (Loading-Dose) liegt bei der doppelten Dosis (240 mg Galcanezumab) am selben Tag.
- Fremanezumab (225 mg) in Ajovy® applizieren die Migräniker monatlich subkutan mittels einer Fertigspritze ODER vierteljährlich (675 mg) subkutan mittels dreier Fertigspritzen am selben Tag. Teva vermarktet keine höher dosierte Fertigspritze mit der Gesamtdosis 675 mg.
Als einziger Antikörper ermöglicht Fremanezumab folglich eine vierteljährliche Gabe – was vielleicht manchen Patienten entgegen kommt. Allerdings müssen die Migräniker sich dennoch drei Fertigspritzen verabreichen, da bislang keine Fremanezumab-Dosis mit 675 mg vermarktet wird. Trotz erfolgter Zulassung gibt es Ajovy® derzeit offenbar noch nicht in Deutschland: In der Lauer-Taxe fehlt eine entsprechende Listung des neuesten Migräne-Antikörpers (Stand: 25.04.2019).
Monatlich oder vierteljährlich – was wirkt besser?
Teva untersuchte Fremanezumab sowohl bei episodischer als auch chronischer Migräne. Experten sprechen von einer chronischen Migräne, wenn der Patient an mindestens 15 Tagen im Monat an Migräne-Attacken leidet. Unter HALO CM lief die klinische Studie zur chronischen Migräne. Teva verglich hier Fremanezumab in der monatlichen (225 mg) und vierteljährlichen (675 mg) Gabe mit Placebo. Die Patienten litten zu Beginn der Studie durchschnittlich an 13,2 Tagen pro Monat an Migräne (monatliche Fremanezumab-Gabe), an 12,8 Tagen in der Gruppe mit der vierteljährlichen Fremanezumab-Gabe und in der Placebogruppe an 13,3 Migränetagen im Monat. Insgesamt nahmen 1.130 Migränepatienten an der Studie teil, 30 Prozent der Probanden hatten bis zwei Monate vor Studienbeginn eine feste Migräne-Prophylaxe durchgeführt.
Fremanezumab reduziert Migräne um 4,6 Tage
Die Patienten unter vierteljährlicher Fremanezumab-Therapie erhielten initial 675 mg des Antikörpers (subkutan), gefolgt von Placebogaben nach vier und acht Wochen. Migränepatienten, die zur monatlichen Therapiegruppe gehörten, behandelten die Ärzte mit einer Startdosis von ebenfalls 675 mg Fremanezumab. In den Wochen vier und acht wurde die Dosis auf je 225 mg reduziert. Der primäre Studienendpunkt war definiert als Verringerung der durchschnittlichen Kopfschmerztage im Monat. Ein „Kopfschmerztag“ lag dann vor, wenn die Patienten länger als vier Stunden Beschwerden hatten oder Migräne-spezifische Arzneimittel benötigten.
Am stärksten konnte Fremanezumab in der monatlichen Gabe die Zahl der Migräne-Attacken reduzieren: Die Patienten litten durchschnittlich 4,6 Tage weniger an Migräne. Bei 41 Prozent der Behandelten gelang Fremanezumab die Halbierung der Kopfschmerztage. Die vierteljährliche Intervention verbesserte die monatlichen Migränetage um immerhin 4,3 Tage und bei 38 Prozent der Patienten reduzierten sich die Kopfschmerztage um die Hälfte – während die Placebogruppe an 2,5 Tagen im Monat weniger an Migräne litt. Auch ohne Wirkstoff gelang es, bei 18 Prozent der Patienten die Kopfschmerztage zu halbieren.
Wie wirkt Fremanezumab?
Fremanezumab fungiert als CGRP-Antikörper. CGRP steht für Calcitonin Gene-Related Peptide, einem Neuropeptid, dem nach aktuellem Stand der Wissenschaft eine wichtige Bedeutung in der Pathogenese (Krankheitsentstehung) von Migräne zu kommt. Dies stützt sich vorwiegend auf zwei Beobachtungen: Migräne-Patienten weisen während einer Attacke erhöhte CGRP-Spiegel auf. Außerdem lassen sich durch CGRP-Injektionen bei Migränikern Anfälle auslösen.
Auch Erenumab und Galcanezumab zielen auf das CGRP-System. Wie auch Fremanezumab neutralisiert Galcanezumab CGRP direkt, Erenumab hingegen bindet an den CGRP-Rezeptor. Die CGRP-Antikörper beziehungsweise CGRP-Rezeptor-Antikörper sind die ersten Migräne-Prophylaktika, die speziell für diese Indikation erforscht und entwickelt wurden. Bislang eingesetzte Wirkstoffe waren anderen Therapiebereichen entlehnt (zum Beispiel die Betablocker Metoprolol, Propranolol, Bisoprolol oder das Antiepileptikum Topiramat).
Experten versprechen sich von den CGRP-Antikörpern vor allem eine gute Verträglichkeit durch wenige Neben- und Wechselwirkungen und in der Folge eine gute Therapietreue der Patienten. Diese wird sicherlich durch das monatliche beziehungsweise vierteljährliche Dosierintervall zusätzlich unterstützt. Welche Migräne-Prophylaxe besser wirkt, untersucht derzeit Novartis bei Erenumab. In einer neuen Studie prüft Novartis, ob Erenumab besser verträglich ist und die Migräne stärker reduziert als Topiramat.
Fremanezumab in den USA
In den Vereinigten Staaten sprach die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA bereits im September 2018 die Zulassung für Ajovy® aus, allerdings erst im zweiten Anlauf. Zunächst musste Teva hinsichtlich der Produktionsstätte von Fremanezumab nachbessern. Die FDA hatte beim ersten Zulassungsantrag Mängel beim koreanischen Wirkstoffhersteller Celltrion angemahnt.