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Mythen: Was hilft bei Migräne?

junge Frau fasst sich an den Kopf und hält ein Glas Wasser in der anderen Hand
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist empfehlenswert, um einen Dehydrierungskopfschmerz zu vermeiden. Doch hilft dies auch bei Migräne? | Bild: Pixel-Shot / AdobeStock

Wer krank ist, will gesund werden – auf welchem Wege auch immer. Verzweiflung lässt viele Patienten selbst abenteuerlich anmutende Therapien ausprobieren. Auch bei Migräne

Minzöl auf die Schläfen, Fußbäder in über der Schmerzgrenze heißem Wasser – was ist dran? Wir haben sieben Mythen für Sie unter die Lupe genommen. Was stimmt und welche Behauptung ist falsch?

„Viel trinken hilft“!

Nicht unbedingt.

Die Autoren der Migräne-Leitlinie raten, „ausreichend“ und mindestens 1,5 Liter täglich zu trinken, um einen Dehydrierungskopfschmerz zu vermeiden. Allerdings konnten Wissenschaftler bislang nicht nachweisen, dass eine „regelmäßig, verstärkte Flüssigkeitszufuhr“ die Kopfschmerzfrequenz bei Migräne positiv beeinflusst.

„Mentholöle lindern Migräne“

Stimmt.

Pfefferminz und Menthol nutzen Migränepatienten seit langer Zeit, um ihre Kopfschmerzen zu lindern. In einer doppelblinden, randomisiert-kontrollierten Studie„Cutaneous application of menthol 10 % solution as an abortive treatment of migraine without aura: a randomised, double-blind, placebo-controlled, crossed-over study“  – veröffentlicht 2010 in der Fachzeitschrift „International Journal of Clinical Practice“ – hatten Wissenschaftler untersucht, welchen Effekt 10-prozentiges Mentholöl auf Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen hat. Allerdings ist es schwierig, Mentholöl-Studien placebokontrolliert durchzuführen – Menthol riecht intensiv und kühlt –, weswegen sich die Studienautoren für eine 0,5-prozentige Mentholöllösung als Placebo entschieden. 

In der Tat war jedoch eine Behandlung mit 10 Prozent Menthol einer mit 0,5 Prozent Menthol hinsichtlich Schmerzfreiheit überlegen und auch effektiver in der Linderung von Übelkeit und Erbrechen. Die Leitlinienautoren schreiben auch, dass Kältereize von Patienten als „schmerzlindernd“ empfunden werden könnten, jedoch teilweise auch als Trigger von Migräneattacken.

„Daith-Piercing gegen Migräne“?

Nicht belegt.

Ein Daith Piercing wird an der innersten Auswölbung der Ohrmuschel im Bereich des Ohrknorpels angebracht. Was manche Menschen zum puren Schmuck tragen, soll – vor allem laut Social-Media-Plattformen – einem Akupunkturpunkt gleichen und Migräne lindern. 

Jedoch: „Eine nachvollziehbare pathophysiologische Grundlage fehlt“, lautet die Einschätzung der Leitlinien-Autoren zu diesem Verfahren. Auch vermisst man bislang aussagekräftige randomisiert-kontrollierte Studien, weswegen sich „Piercing“ im Leitlinienkapitel „Verfahren ohne Wirksamkeit“ findet.

„Sport hilft gegen Migräne“

Stimmt. 

Wer regelmäßig aeroben Ausdauersport betreibt, kann Migräneattacken vorbeugen. Woher die Wirkung kommt – durch die Entspannung beim Sport oder spezifische Trainingseffekte – ist unklar. 

Nach Ansicht der Leitlinienautoren ist Ausdauersport noch aus einem weiteren Grund sinnvoll: Menschen mit Adipositas könnten eine Gewichtsreduktion erzielen. Vorteilhaft, da Adipositas auch mit einer höheren Kopfschmerzfrequenz einhergehe.

„Magnesium kann Migräne vorbeugen“

Nicht unbedingt.

Die Datenlage, wie gut sich mit Magnesium Migräneattacken verhindern lassen, ist spärlich. Zwei kleine Untersuchungen liefern widersprüchliche Ergebnisse: 

In einer Studie„Prophylaxis of Migraine with Oral Magnesium: Results From A Prospective, Multi-Center, Placebo-Controlled and Double-Blind Randomized Study“  verringerten 24 mmol Magnesium (600 mg in Magnesium Diasporal) die Häufigkeit von Attacken. In einer weiteren Studie„Magnesium in the prophylaxis of migraine--a double-blind placebo-controlled study"  half weniger Magnesium (20 mmol = 486 mg) jedoch nicht. Bei höheren Magnesiumdosierungen können Durchfälle auftreten, sodass 600 mg Magnesium sich nicht für alle Migränepatienten realisieren lassen. 

Die Leitlinienautoren raten daher zurückhaltend zu Magnesium: „Wenn überhaupt wirksam, ist die Reduktion der Attackenfrequenz nicht sehr ausgeprägt oder die notwendigen Dosierungen werden wegen Diarrhöen nicht erreicht.“ Einen Versuch ist Magnesium vielleicht wert.

„Besser keine Schokolade für Migränepatienten“

Stimmt nicht.

Schokolade vs. Johannisbrot-Placebo: Bereits in den 90er Jahren hatten Wissenschaftler in einer doppelblinden Studie„Cephalalgia“: „A double-blind provocative study of chocolate as a trigger of headache“  untersucht, ob Schokolade Migräneattacken triggert. Die Studie war mit 63 Teilnehmerinnen – davon 50 Prozent Migränikerinnen – überschaubar groß, brachte jedoch für Schokolade-liebende Migränepatienten Erleichterung. 

Denn: Die Studienteilnehmerinnen in der Schokoladengruppe hatten nicht mehr Migräneattacken als die mit nach Schokolade schmeckendem Placebo.

Tiktok-Trend: „Heißes Fußbad gegen Migräne“

Stimmt nicht.

Wenn es denn so einfach wäre: Migränepatienten sollen ihre Füße in heißem Wasser baden und die Migräne „schwimmt“ davon. Was bereits früher immer als „Tipp gegen Migräne“ medial aufkam, erfährt über Tiktok ein Revival. 

In einem Interview im „Deutschlandfunk Nova“ erklärt Professor Dr. Hartmut Göbel, Neurologe in der Schmerzklinik in Kiel, die Idee dahinter: Das warme Wasser erweitere die Gefäße in den Füßen und solle so den Druck im Kopf senken. „Das ist völliger Unsinn“, sagt der Neurologe dazu. Heute wisse man, wie Migräne entstehe, und zwar durch eine Entzündung und nicht durch einen erhöhten Druck im Gehirn.