Neue Migräne-Leitlinie: Rimegepant und Lasmiditan erst nach Triptanen
Triptane bleiben die wirksamsten Arzneimittel bei akuten Migräneattacken. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn die Patienten an starken Kopfschmerzen leiden und die Migräneanfälle auf Schmerzmittel, z. B. ASS, Ibuprofen, Metamizol oder Analgetika-Kombinationen mit Koffein, nicht ansprechen.
Am schnellsten und wirksamsten ist eine subkutane Behandlung mit Sumatriptan. Bei den oralen Triptanen wirken Eletriptan und Rizatriptan am raschesten. Naratriptan und Frovatriptan überzeugen aufgrund ihrer langen Wirkdauer bei längeren Migräneattacken.
Seit kurzem bereichern zudem zwei neue Wirkstoffklassen das Spektrum der Migränetherapeutika: Gepante und Ditane.
Rimegepant zur Therapie und Prophylaxe geeignet
Dem ersten Gepant in der EU, Rimegepant (Vydura), erteilte die Europäische Kommission am 25. April 2022 die Zulassung. Das Besondere: Rimegepant darf zur akuten Migränebehandlung und zur Vorbeugung von episodischer Migräne (mindestens vier Attacken pro Monat) angewendet werden. Bislang umfasst die Zulassung der 75-mg-Schmelztablette ausschließlich Erwachsene.
Rimegepant greift an einem in der Prophylaxe von Migräne bereits genutzten System ein: CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide). Der Wirkstoff blockiert den CGRP-Rezeptor (wie der Migräne-Antikörper Erenumab) und damit eine Schlüsselstelle in der Migräne.
Lasmiditan zur Therapie von Migräne mit und ohne Aura
Lasmiditan (Rayvow) erhielt am 17. August 2022 die Zulassung für die EU. In Stärken mit 50 mg, 100 mg oder 200 mg darf Lasmiditan seither bei Erwachsenen zur akuten Behandlung der Kopfschmerzphase von Migräneanfällen mit oder ohne Aura eingesetzt werden.
Wie auch die Triptane adressiert Lasmiditan das Serotoninsystem (Serotonin = 5-Hydroxytryptamin, 5-HT) und verstärkt dieses (Agonist am Serotoninrezeptor). Allerdings docken Triptane an den Subtypen 5-HT1B/1D an. Lasmiditan hingegen wirkt an 5-HT1F und das wirkt sich auf das Nebenwirkungsprofil der Arzneimittel aus, denn: Die von Triptanen adressierten Serotoninrezeptoren finden sich auch an Blutgefäßen. Triptane können dort ein Zusammenziehen der Gefäße (Vasokonstriktion) auslösen, weswegen Migränepatienten mit einem bereits erlittenen Schlaganfall oder Herzinfarkt, mit ausgeprägtem Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung oder einer peripher arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) Triptane nicht anwenden dürfen.
Wann können Rimegepant und Lasmiditan eingesetzt werden?
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) ihre S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ aktualisiert und im Dezember 2022 online gestellt.
Sowohl Rimegepant als auch Lasmiditan können demnach bei akuten Migräneattacken dann eingesetzt werden, wenn Patienten auf Analgetika, NSAR oder Triptane nicht ansprechen oder diese nicht vertragen. An erster Stelle einer akuten Migränebehandlung bleiben jedoch Schmerzmittel und Triptane.
Ob Rimegepant oder Lasmiditan besser wirken als Triptane, ist noch unklar, da vergleichende Studien dazu derzeit fehlen. Diese müssten Rimegepant beziehungsweise Lasmiditan direkt gegen ein Triptan untersuchen. Die Zulassungsstudien liefen jeweils gegen Placebo. Hier konnten sowohl Rimegepant als auch Lasmiditan überzeugen und waren „wirksamer als Placebo“, schreiben die Leitlinien-Autoren.
Wirken Rimegepant und Lasmiditan besser als Triptane?
Indirekte Vergleiche zur Wirksamkeit von Sumatriptan, Eletriptan, Lasmiditan und Rimegepant – gemessen an der Schmerzfreiheit zwei Stunden nach Einnahme – gibt es aber immerhin: Denen zufolge ist Lasmiditan gleich oder etwas weniger wirksam, als es Triptane sind.
Rimegepant scheint weniger wirksam zu sein als Triptane und auch als Lasmiditan: Mit 40 mg Eletriptan, 100 mg Sumatriptan oder 100 mg Lasmiditan ist etwa jeder dritte Migränepatient nach zwei Stunden frei von Kopfschmerzen (Eletriptan: 35 Prozent, Sumatriptan: 32 Prozent, Lasmiditan: 31 Prozent). Nach der Einnahme von 75 mg Rimegepant berichtet hingegen nur jeder Fünfte (20 Prozent) von einer Schmerzfreiheit nach zwei Stunden.
Den Leitlinien-Autoren zufolge wurden Ditane und Gepante „mit der Maßgabe entwickelt, dass sie keine vasokonstriktiven Eigenschaften haben, um so therapeutische Lücken bei Kontraindikationen, unzureichender Wirkung oder Unverträglichkeit einer Triptan-Therapie zu schließen“.
Allerdings: Bislang fehlen Studien an Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko, in der Rimegepant-Studie wurden Migränepatienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen von der Studienteilnahme ausgeschlossen. Bei Lasmiditan seien derzeit vaskuläre Erkrankungen keine Kontraindikation, heißt es in der Leitlinie.
Lasmiditan und Rimegepant sind derzeit in Deutschland noch nicht erhältlich
Welche Nebenwirkungen haben Rimegepant und Lasmiditan?
Die Nebenwirkungen von Lasmiditan sind dosisabhängig. Am häufigsten kam es in den Studien zu Schwindel, Parästhesien, Übelkeit und Müdigkeit. Aufgrund der zentralen unerwünschten Wirkungen soll nach Einnahme von Lasmiditan bis zu acht Stunden kein Kraftfahrzeug geführt oder Maschinen bedient werden.
Rimegepant attestieren die Leitlinienautoren eine „gute Verträglichkeit“ bei der Behandlung akuter Migräneattacken.
Was hilft noch bei akuten Attacken?
Die Leitlinie hat sich auch bei nicht medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten von akuten Migräneanfällen entwickelt. Neu ist die Erkenntnis, dass „die externe transkutane Stimulation des N. trigeminus im supraorbitalen Bereich (Cefaly®) … zur Behandlung von akuten Migräneattacken und zur Migräneprophylaxe wirksam“ ist. Bei Cefaly® werden Aufklebe-Elektroden auf der Stirn und über den Augenhöhlen angebracht, dadurch soll der überreizte Trigeminusnerv stimuliert und beruhigt werden und sich das Schmerzempfinden dadurch lindern.
In einer Studie erreichten 25,5 Prozent der Behandelten nach zwei Stunden Schmerzfreiheit, in der Scheinstimulation berichteten diesen Effekt 18,3 Prozent. Diese Methode könnte vor allem für Migränepatienten eine Option sein, die keine Arzneimittel anwenden möchten.