Wirkstoffe mit mehr als einer Indikation
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Wann wird Acetylsalicylsäure eingesetzt?

Acetylsalicylsäure kommt unter anderem in Dosierungen von 300 mg bis 1.000 mg als Analgetikum zum Einsatz. | Bild: Schelbert / PTAheute

Acetylsalicylsäure (ASS) gehört zur Wirkstoffgruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und weist analgetische, antipyretische und antiphlogistische Eigenschaften auf. 

Typische Indikationen sind die symptomatische Behandlung von Fieber und leichten bis mäßig starken Schmerzen wie Kopfschmerzen, Zahnschmerzen oder Schmerzen im Rahmen eines grippalen Infekts. 

In deutlich niedrigerer Dosierung wird Acetylsalicylsäure als Hemmstoff der Blutgerinnung eingesetzt. Diese Dauerbehandlung dient zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall, insbesondere wenn in der Vergangenheit bereits ein solches Ereignis aufgetreten ist.

Zur Erinnerung: Geschichtlicher Hintergrund zu Acetylsalicylsäure

Salicylsäure als Bestandteil der Weidenrinde wurde über viele Jahrhunderte als Extrakt gegen Fieber und Schmerzen eingesetzt. Vor über 125 Jahren im Jahr 1897 versetzte der Chemiker Felix Hoffmann diese Substanz mit Essigsäure und konnte damit erstmals Acetylsalicylsäure (ASS) im Labor synthetisieren. 

Die zugesetzte Essigsäure diente dabei der Veresterung der phenolischen OH-Gruppe der Salicylsäure. Der neue erhaltene Wirkstoff war deutlich besser verträglich als Salicylsäure, auch die antipyretische und antiphlogistische Wirkung war ausgeprägter. 

In der Apotheke wurde Acetylsalicylsäure zunächst als Pulver in kleinen Papiertüten mit jeweils 500 mg Substanz verkauft, doch schon bald konnte die Firma Bayer das Pulver zu Tabletten pressen. 

Anfang der 1970er Jahre wurde dann mit der Hemmung der Prostaglandinsynthese auch die Wirkungsweise von ASS entdeckt. Gleichzeitig gab es erste Hinweise auf eine mögliche Thrombozytenaggregationshemmung im menschlichen Körper.

Wirkungsweise von Acetylsalicylsäure

Acetylsalicylsäure hemmt irreversibel Cyclooxygenase-Enzyme (COX) im Körper, die entscheidend an der Bildung von Prostaglandinen, beteiligt sind. Diese Gewebshormone spielen bei der Entstehung von Schmerzen und Entzündungen eine zentrale Rolle: ASS hemmt die Bildung von Prostaglandinen wodurch die Wahrnehmung von Schmerzen vermindert und entzündliche Prozesse gehemmt werden. 

In niedriger Dosierung hemmt Acetylsalicylsäure zudem die Thrombozytenaggregation. Aufgrund der chemischen Struktur kann Acetylsalicylsäure das Enzym Cyclooxygenase-1 acetylieren, dabei wird ein H-Atom durch eine Acetylgruppe ersetzt und das Enzym irreversibel gehemmt. Das Enzym ist in den Thrombozyten (Blutplättchen) an der Bildung von Thromboxanen entscheidend beteiligt, diese sorgen für eine Aggregation der Thrombozyten. 

Da Blutplättchen keinen Zellkern besitzen, können keine neuen Enzyme mehr nachgebildet werden. Die aggregationshemmende Wirkung der Acetylsalicylsäure hält daher für rund sieben Tage über die komplette Lebensdauer der Thrombozyten an.

Dosierung von Acetylsalicylsäure ist entscheidend für die Wirkung

Je nach Einsatzgebiet unterscheidet sich die Dosierung von Acetylsalicylsäure deutlich. Übliche Einzeldosierungen für Erwachsene sind dabei:

  • 100 mg als Thrombozytenaggregationshemmer (einmal täglich als Dauertherapie) Präparatebeispiele: Aspirin® N 100 mg, ASS 100 mg Hexal® Tabletten, ASS-ratiopharm® Protect 100 mg magensaftresistente Tabletten
  • 300 mg bis 1.000 mg als Analgetikum (mehrmals täglich im Abstand von 4 bis 8 Stunden) Präparatebeispiele: ASS Stada® 500 mg Tabletten, ASS-ratiopharm® 500 mg Tabletten
  • 1.000 mg bei Migräne (Einzeldosis kann im Abstand von mindestens 4 Stunden wiederholt werden) Präparatebeispiele: Aspirin® Migräne

Die maximale Tagesdosis bei Schmerzen und Fieber beträgt normalerweise 3.000 mg Acetylsalicylsäure. Für eine antiphlogistische Wirkung der Substanz wären dagegen Tagesdosen zwischen 4.000 und 6.000 mg nötig. Da dann das Risiko für gastrointestinale Beschwerden zu hoch ist, wird Acetylsalicylsäure nicht als Antiphlogistikum verwendet.  

Welche Nebenwirkungen können unter Acetylsalicylsäure auftreten?

Acetylsalicylsäure löst häufig Nebenwirkungen im Gastrointestinaltrakt aus, daher kann es bei der Einnahme zu Sodbrennen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kommen. 

Häufiger als bei anderen nichtsteroidalen Antirheumatika kommt es bei Acetylsalicylsäure zu Mikroblutungen der Schleimhaut in Magen und Darm, teilweise auch zu Entzündungen. 

Besonders gefürchtet sind Blutungen und Perforationen im Verdauungstrakt nach der Einnahme von Acetylsalicylsäure. Patienten, die in der Vergangenheit ein Magen- oder Darmgeschwür hatten, dürfen den Wirkstoff daher nicht einnehmen. Das gilt auch, wenn der Patient zu Blutungen neigt oder ein erhöhtes Blutungsrisiko aufweist.

Acetylsalicylsäure: Was ist wichtig für die Beratung?

Im Patientengespräch ist bei der Abgabe von Präparaten mit Acetylsalicylsäure wichtig zu unterscheiden, ob die Substanz kurzfristig als Schmerzmittel oder langfristig zur Thrombozytenaggregationshemmung einsetzt wird. 

Zunächst einmal sollen die Tabletten jeweils mit reichlich Flüssigkeit vor einer Mahlzeit eingenommen werden, eine Einnahme auf nüchternen Magen ist nicht empfehlenswert. Zur Blutverdünnung sollte Acetylsalicylsäure möglichst zur gleichen Tageszeit eingenommen werden. 

Da Acetylsalicylsäure auch bei Anwendung in der Schmerztherapie die Thrombozytenaggregation hemmt, müssen die Patienten darüber aufgeklärt werden, dass die Substanz vor einer geplanten Operation nicht eingenommen werden darf. 

Treten während der Behandlung Blutungen im Magen-Darm-Bereich auf  – erkennbar an Blut im Stuhl oder einer Schwarzfärbung des Stuhls  – muss die Einnahme sofort beendet und ein Arzt aufgesucht werden. 

Kinder und Jugendliche mit fiebrigen Infekten dürfen nur nach ärztlicher Rücksprache mit Acetylsalicylsäure behandelt werden, da bei ihnen die Gefahr des Auftretens eines Reye-Syndroms besteht.

Zur Erinnerung: Was ist das Reye-Syndrom?

Bei Kindern unter zwölf Jahren, die an einer Virusinfektion leiden und Acetylsalicylsäure einnehmen, kann es zum sogenannten Reye-Syndrom kommen. Dabei handelt es sich um eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung mit neurologischen Schäden und Leberversagen. Heilbar ist das Syndrom nicht, es können lediglich die Symptome (wie Erbrechen, Krampfanfälle, Verwirrtheit) gelindert werden. 

Vorsicht bei gleichzeitiger Einnahme von ASS mit Ibuprofen

Bei der gemeinsamen Gabe von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure und Ibuprofen kann die beabsichtigte Wirkung von ASS auf die Thrombozytenaggregation verringert sein. Beide Substanzen hemmen das Enzym Cyclooxygenase-1, allerdings hat Ibuprofen eine höhere Affinität zur Bindungsstelle am Enzym. Werden also beide Wirkstoffe gleichzeitig eingenommen, ist die Bindungsstelle für Acetylsalicylsäure bereits blockiert. 

Eine kurzfristige Einnahme von Acetylsalicylsäure zusammen mit Ibuprofen über wenige Tage ist jedoch möglich, da ASS die Aggregation der Thrombozyten für rund eine Woche hemmt. Sollen die beiden Wirkstoffe jedoch über einen längeren Zeitraum gemeinsam angewendet werden, muss die Einnahme zeitversetzt erfolgen: ASS 100 mg sollte dabei entweder mindestens 30 Minuten vor der Einnahme von Ibuprofen oder mindestens acht Stunden danach eingenommen werden. 

Eine Dauertherapie beider Wirkstoffe zusammen sollte jedoch nicht erfolgen. Zur Schmerztherapie stehen in der Selbstmedikation als Alternative zu Ibuprofen Paracetamol oder Diclofenac zur Verfügung.

Muss niedrig dosiertes ASS vor einer Operation abgesetzt werden?

Patienten, die täglich 100 mg Acetylsalicylsäure zur Vorbeugung von Herzinfarkt und Schlaganfall einnehmen, sollen das Medikament vor einer geplanten Operation nicht selbstständig absetzen. Die Entscheidung darüber ist mit dem behandelnden Arzt zu treffen. Bei hohem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse kann es sein, dass die Einnahme von ASS trotz Operation weitergeführt wird. 

Bei den meisten operativen Eingriffen wird derzeit eine Beibehaltung der Medikation empfohlen, denn beim Absetzen von Acetylsalicylsäure kann es zu einem Rebound-Phänomen kommen. Dabei wird in den Thrombozyten vermehrt Thromboxan gebildet und die Gefahr einer Thrombozytenaggregation steigt deutlich an. Quellen:
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Acetylsalicylsaeure_41
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2019/05/20/wirkstoff-lexikon-acetylsalicylsaeure-ass
- https://www.aspirin.de/sites/g/files/vrxlpx30506/files/2023-01/aspirin-500mg-ueberzogene-tabletten-beipackzettel.pdf
 

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