COVID-19-Impfung
Corona-Pandemie
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Forschung an modifizierter mRNA aufgenommen: Curevac stoppt Zulassung von CVnCoV

aufgezogene Spritze auf spiegelndem Untergrund vor Curevac-Schriftzug
Curevac stoppt das Rolling-Review-Verfahren zu CVnCoV und konzentriert sich auf die Entwicklung eines COVID-19-Impfstoffs der zweiten Generation. | Bild: IMAGO / Zuma Wire

Bereits im Juni musste Curevac einräumen, dass sein mRNA-Impfstoffkandidat CVnCoV weniger gut vor COVID-19 schützt als erhofft: Die Impfwirksamkeit gegen COVID-19 jeglicher Schwere und über alle Virusvarianten hinweg liegt nach Auswertung der Studiendaten bei 48 Prozent. Bei Jüngeren – 18- bis 59-Jährigen – kommt man auf eine etwas bessere Impfwirksamkeit von 53 Prozent und bleibt trotzdem weit hinter den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna zurück.

Keine Zulassung von CVnCoV

Dennoch war Curevac noch Anfang September überzeugt, den Zulassungsschritt bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) weiter gehen zu wollen. Seit Februar lief bereits ein Rolling Review. Nun hat Curevac diese Entscheidung geändert: Das Unternehmen teilte am 12. Oktober mit, den Impfstoffkandidaten der ersten Generation aus dem laufenden Zulassungsverfahren bei der EMA zurückgezogen zu haben – eine europäische Zulassung von CVnCoV wird es also (vorerst) nicht geben.

Fokus auf Zweitgenerationen-Impfstoff

Was sind die Gründe, die Curevac nun doch zurückrudern lassen? Der Zulassungsprozess dauert offenbar zu lange: So hat die EMA laut Curevac kommuniziert, dass mit einer Zulassung von CVnCoV frühestens im zweiten Quartal 2022 gerechnet werden könne – und zu diesem Zeitpunkt will Curevac schon mit Impfstoffkandidaten der zweiten Generation in einer fortgeschrittenen klinischen Phase stehen, sodass es zu Überschneidungen bei den Zulassungsprozessen kommen würde. Das ist natürlich nicht verboten, doch sicher hofft Curevac beim nächsten Impfstoff auch auf eine bessere Wirksamkeit. 

Man habe sich deswegen aus „strategischen“ Gründen entschieden, sich vollumfänglich auf die Entwicklung von COVID-19-Impfstoffkandidaten der nächsten Generation zu konzentrieren – hier arbeitet Curevac mit GSK (GlaxoSmithKline) zusammen – und den Zulassungsprozess von CVnCoV zu stoppen. Doch behält sich Curevac das Recht vor, in Zukunft eine weitere rollierende Überprüfung zu beantragen oder einen Zulassungsantrag zu stellen, informiert die EMA.

CV2CoV – optimiert, aber mit natürlicher mRNA

Einen Zweitgenerationen-mRNA-Impfstoffkandidaten – CV2CoV – hat Curevac auch bereits vorgestellt und erste präklinische Daten bekanntgegeben. CV2CoV soll bereits zwei Wochen nach der ersten Impfung zu höheren Spiegeln an neutralisierenden Antikörpern führen als CVnCoV. Curevac zufolge lagen auch die Spitzenspiegel der neutralisierenden Antikörper beim Zweitgenerationenimpfstoff zehnfach höher als beim COVID-19-Impfstoff der ersten Generation. Gemessen wurden diese sechs Wochen nach Impfung. 

Für eine hoffentlich bessere Impfwirksamkeit von CV2CoV hat Curevac dessen mRNA-Rückgrat (mRNA-Backbone) optimiert, was zu einem besseren Ablesen der mRNA (Translation), einer verstärkten Antigenproduktion (Spikeprotein gegen SARS-CoV-2) und dadurch einer verbesserten, aber gleichzeitig ausbalancierteren Immunstimulation und -antwort führen soll. Gleich blieb jedoch, dass es sich bei CV2CoV wie auch bei CVnCoV um nichtchemisch modifizierte mRNA handelt – Biontech/Pfizer und Moderna hingegen modifizieren die mRNA in ihren COVID-19-Impfstoffen, und das recht erfolgreich. 

Natürliche mRNA wirkt generell immunogener als modifizierte mRNA – was bei Impfungen prinzipiell nicht unerwünscht ist –, allerdings wird sie dadurch auch unverträglicher. Und das schränkt die Höhe der Dosierung ein. Das war wohl eines der großen Probleme beim Erstgenerationen-Impfstoff, wie die Redaktion im Gespräch mit Professor Peter Kremsner von der Universitätsklinik Tübingen im Sommer erfuhr. Kremser hatte die klinische Studie zu CVnCoV geleitet: „Wir konnten nicht höher als 12 µg dosieren. Da waren wir – was die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes angeht – am Anschlag“, und die eingesetzte mRNA-Menge sei dann einfach zu wenig immunogen gewesen. Zum Vergleich: Curevac dosierte CVnCoV – und nun auch CV2CoV – mit 12 µg pro Dosis, Biontech/Pfizer setzt 30 µg mRNA ein, Moderna sogar 100 µg (Auffrischdosen mit 50 µg). 

Forschung auch an modifizierter mRNA

Ob die Optimierungen an CV2CoV unter Beibehaltung der nichtchemischen Modifizierung genügen, um bei guter Verträglichkeit eine hohe Impfantwort zu provozieren, werden klinische Studien zeigen. Doch auch Curevac will sich wohl nicht allein auf dieses Prinzip der natürlichen mRNA verlassen – und forscht nun auch an COVID-19-Impfstoffkandidaten mit einem modifizierten mRNA-Backbone, wie sie bei Biontech/Pfizer und Moderna bereits seit Monaten zugelassen sind.

Curevac will auch Boosterdosen prüfen

Sollte sich CV2CoV in klinischen Studien bewähren oder Curevac vielleicht einen gut wirksamen mRNA-Impfstoff gegen Corona mit modifizierter mRNA entwickeln, bleibt die Frage, wo die Vakzine zum Zeitpunkt der Zulassung noch verabreicht werden kann. Noch sind nicht alle Länder der Welt ausreichend mit Impfstoff ausgestattet und die Menschen dort vollständig (oder überhaupt) geimpft. Zudem kommen nun bereits die ersten Empfehlungen zu einer dritten Dosis von mRNA-Impfstoffen im Rahmen der Grundimmunisierung – wie es die STIKO für schwer immungeschwächte Menschen empfiehlt – und für Auffrischimpfungen. Ob sich Curevac dann noch einen Platz bei den COVID-19-Impfstoffen sichern kann? Zumindest will das Unternehmen, wie es in einer Pressekonferenz am 12. Oktober erklärte, nicht nur die Wirksamkeit von CV2CoV bei ungeimpften Menschen untersuchen, sondern auch als Boosterdosis. Derzeit rät die STIKO, dass Auffrischimpfungen mit mRNA-Impfstoffen möglichst mit dem gleichen mRNA-Impfstoff durchgeführt werden sollen, mit dem auch grundimmunisiert wurde. 

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