Wie geht es weiter mit dem Impfstoff aus Tübingen?: Curevac schützt vor allem Jüngere
Bereits vor wenigen Wochen ließen die vorläufigen Ergebnisse der Curevac-Studie nicht auf eine bahnbrechende Wirksamkeit des mRNA-Corona-Impfstoffs hoffen – CVnCoV schützte zu 47 Prozent vor COVID-19 jeglicher Schwere und über alle Varianten hinweg. Zum Vergleich: Die Wirksamkeit der beiden bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffe von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) und Moderna (Spikevax®) lag in den zulassungsrelevanten Studien bei etwa 95 Prozent. Jetzt hat Curevac die Phase-2b/3-Daten auch final ausgewertet – die Wirksamkeit hat sich dadurch aber nur marginal geändert: Curevac spricht nun von 48 Prozent, auch hier wieder bezogen auf die Verhinderung einer COVID-19-Erkrankung jeglicher Schwere und unabhängig von den verursachenden Varianten. Wie sieht dieses Ergebnis in Zahlen aus? Wie viele Studienteilnehmer erkrankten an COVID-19? Gibt es Unterschiede bei der Impfwirksamkeit bei jüngeren und älteren Menschen? Und will Curevac immer noch eine Zulassung anstreben?
Die 48-prozentige Wirksamkeit stützt Curevac auf Daten von etwa 40.000 Studienteilnehmern: Insgesamt kam es zu 228 COVID-19-Fällen – 145 in der Placebogruppe und 83 in der Impfstoffgruppe. Etwas besser scheint CVnCoV jüngere Menschen zu schützen, in der Altersgruppe der 18- bis 60-Jährigen liegt die Impfwirksamkeit Curevac zufolge bei 53 Prozent – mit 36 COVID-19-Fällen in der Impfstoffgruppe und 71 unter Placebo – und erreichte damit statistische Signifikanz. Das bedeutet vereinfacht gesagt: Das Ergebnis und die bessere Wirksamkeit sind nicht allein durch Zufall erklärbar.
Schwere Erkrankungen bei Jüngeren zu 77 Prozent verhindert
Noch besser sehen die Zahlen aus, wenn man nur mittlere und schwere Erkrankungen bei 18- bis 60-Jährigen betrachtet. Curevac kommt hier auf eine Wirksamkeit von 77 Prozent bei neun COVID-19-Fällen unter CVnCoV und 36 unter Placebo. Zudem habe die mRNA-Vakzine zu 100 Prozent vor Krankenhauseinweisung und Tod geschützt: Keiner aus der Impfstoffgruppe musste aufgrund von COVID-19 in der Klinik behandelt werden oder starb, in der Placebogruppe gab es hingegen sechs Fälle.
Keine Wirksamkeitsbestimmung bei Älteren
Doch wie sieht es bei Älteren aus? Ältere Menschen zählen zur Risikogruppe bei COVID-19, ein guter Impfschutz ist somit auch gerade bei betagteren Menschen wichtig. Allerdings konnte Curevac die Wirksamkeit von CVnCoV bei ab 60-Jährigen nicht bestimmen, sie machten nur 9 Prozent der untersuchten Fälle aus, was keine statistische Aussage zuließ: „Wir sehen keinen klaren Trend zur Wirksamkeit bei Älteren“, erklärte Ulrike Gnadt-Vogt, Interim Chief Development Officer von Curevac, dazu bei einer Pressekonferenz von Curevac. Doch bestätigten die Daten „ein gutes Sicherheitsprofil für CVnCoV in allen Altersgruppen.“
Was ist ein COVID-19-Fall?
Curevac betonte in der Pressekonferenz einen Unterschied zu anderen Studien – die Definition eines COVID-19-Falls. So habe man in der Curevac-Studie alle PCR-positiven Teilnehmer als Fall gewertet, wenn sie zusätzlich ein Symptom aufwiesen, was nicht zwingend ein Atemwegssymptom sein musste. Somit galt auch als Fall, wer einen positiven SARS-CoV-2-Nachweis hatte und Kopfschmerzen entwickelte. Das handhabten andere COVID-19-Impfstoffentwickler tatsächlich anders: Bei Moderna lag eine COVID-19-Erkrankung laut Studienprotokoll dann vor, wenn die Testperson zusätzlich zu einem positiven Nachweis von SARS-CoV-2 (Nasenabstrich, Speichelprobe oder Probe aus den Atemwegen) mittels RT-PCR mindestens zwei der folgenden Symptome berichtete: Fieber (≥ 38 °C), Schüttelfrost, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, neu aufgetretene Geruchs- und Geschmacksstörungen. Oder wenn zu einem positiven PCR-Nachweis mindestens ein respiratorisches Symptom (Husten, Kurzatmigkeit, Atembeschwerden beziehungsweise klinische oder röntgenologische Anzeichen einer Lungenentzündung) vorlag.
86 Prozent Varianten
Ein Punkt, auf den Curevac bei der Erklärung der enttäuschenden Studienergebnisse stets hinweist, sind die Varianten: Die mittlerweile zahlreich zirkulierenden Varianten hätten eine besonders herausfordernde Studienumgebung geschaffen. Inwiefern die Varianten für die nur mäßige Wirksamkeit verantwortlich zeichnen – dazu gibt es keine Prozentangaben. Was es gibt, sind aber Daten, welchen Anteil die Varianten bei den Studienfällen hatten: Curevac hat 204 Fälle sequenziert und ausgewertet. In etwa 86 Prozent der Fälle lagen „Variants of Concern“ – besorgniserregende Varianten – und „Variants of Interest“ – Varianten von besonderem Interesse – vor. Dabei entfielen 51 Prozent der sequenzierten Fälle auf besorgniserregende Varianten und 35 Prozent auf welche von besonderem Interesse. Weniger als 3 Prozent der Fälle wurden durch ursprüngliches SARS-CoV-2 verursacht. 11 Prozent seien „weniger erforschten Virusstämmen“ zuzuordnen, so Curevac.
Will Curevac CVnCoV noch zur Zulassung bringen?
Wie realistisch ist eine Zulassung von CVnCoV noch? Die WHO fordert 50 Prozent Impfwirksamkeit von COVID-19-Impfstoffen. Hat auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA eine Wirksamkeitsuntergrenze? Das ist laut Curevac nicht der Fall. Man habe der EMA die verfügbaren Daten zur Verfügung gestellt und befinde sich in „laufendem Austausch mit der Arzneimittelagentur für die Fortsetzung des Zulassungsverfahrens“, erklärte das Tübinger Unternehmen. Auch Professor Peter Kremsner, Infektiologe und Tropenmediziner an der Universität Tübingen und Leiter der Curevac-Studie, ging vor wenigen Tagen im Gespräch mit der PTAheute-Redaktion „eher schon“ von einer Zulassung aus. Doch darüber entschieden alleine die EMA, die eine Zulassung nach wissenschaftlicher Einschätzung empfiehlt oder nicht, und die Europäische Kommission, die die Zulassung letztendlich erteilt. Seit Februar 2021 läuft ein Rolling-Review-Verfahren für CVnCoV von Curevac.
Bei Curevac ist man überzeugt, dass – trotz der hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Wirksamkeit – CVnCoV bei der Pandemiebekämpfung einen Beitrag leisten kann. Der CEO von Curevac, Franz-Werner Haas, sagte: „In dieser finalen Analyse hat sich gezeigt, dass CVnCoV einen wertvollen Beitrag für die öffentliche Gesundheit leisten kann, wenn Studienteilnehmer zwischen 18 und 60 Jahren vollständig vor einem Krankenhausaufenthalt oder Tod sowie mit einer Wirksamkeit von 77 Prozent vor einem moderaten und schweren Krankheitsverlauf geschützt werden. Wir glauben, dass dieses Wirksamkeitsprofil einen wichtigen Beitrag darstellt, um die COVID-19-Pandemie zu bewältigen und mit der dynamischen Verbreitung der Virusvarianten umzugehen.“
Next-Generation-Impfstoff CV2CoV: Zulassung 2022?
Neben dem weiteren Engagement für CVnCoV treibt Curevac auch die Forschung an weiteren Impfstoffkandidaten voran – an einem Zweit-Generationen-Impfstoff CV2CoV und an multivalenten Vakzinen. Erste Daten zu CV2CoV sind durchaus vielversprechend, er löste in Versuchen an nichtmenschlichen Primaten eine zehnfach höhere Antikörperantwort aus als CVnCoV. Weiterhin setzt Curevac jedoch auf nichtchemisch modifizierte mRNA (anders als Biontech und Moderna). Doch wurde die mRNA von Curevac weiter „optimiert“, um eine höhere Proteinexpression (Herstellung des SARS-CoV-2-Antigens im menschlichen Körper nach der Impfung) und eine „ausbalanciertere Immunantwort“ zu fördern. Noch im dritten Quartal soll CV2CoV in die klinische Studienphase eintreten, eine Zulassung könnte bei positiven Ergebnissen 2022 realistisch sein. Bei CV2CoV arbeitet Curevac mit GSK (GlaxoSmithKline) zusammen.