Cannabis und Kokain dominieren den Konsum: Welche Rauschmittel werden häufig konsumiert?
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Wie sich die Cannabis-Legalisierung vom April 2024 auf den Konsum ausgewirkt hat, wird sich wohl frühestens Anfang 2025 zeigen, wenn die Behörden und Institutionen in Deutschland die verschiedenen Gradmesser für Drogenkonsum ausgewertet haben. Das Bundeskriminalamt etwa erhebt mit dem Bundeslagebild die Gesamtzahl der Drogendelikte, die Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen sowie der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen („Bundesdrogenbeauftragter“) ziehen wissenschaftliche Studien und Daten etwa über Drogentote oder Behandlungen nach „Substanz-Intoxikationen“ für ihre Auswertung heran.
Zumindest für Deutschland gibt es dann eine wesentliche Änderung: Cannabis führt nicht mehr die Liste der illegal konsumierten Drogen an. Für Europa insgesamt wird sich das wohl nicht ändern – in vielen EU-Ländern bleibt der Konsum der Produkte der Hanfpflanze illegal.
Die am Europäischen Drogenreport 2024 beteiligten Experten schätzen, dass 22,8 Millionen Menschen zwischen 15 und 64 Jahren im Jahr 2023 in der Europäischen Union Cannabis konsumiert haben. Das entspricht rund 8 % der EU-Bevölkerung dieser Altersspanne. Einen höheren Konsum süchtig machender Mittel verzeichnen die Forschenden in allen Ländern nur für Tabak beziehungsweise Nikotin, Arzneimittelmissbrauch sowie Alkohol.
Zahl an Drogentoten ist alarmierend hoch
Ein verheerender Trend lässt sich in jedem Fall herausstellen: Die Gesamtzahl des Drogenkonsums in Europa und Deutschland steigt in den vergangenen Jahren immer weiter. Mit 2.227 Toten infolge des Konsums illegaler berauschender Substanzen verzeichnete das Jahr 2023 einen unrühmlichen Rekordwert. Gegenüber dem Jahr 2022 war das ein Anstieg um 12 %.
1.844 Männer stehen dabei 383 Frauen unter den Opfern der Rauschdrogen gegenüber – mit einem Altersschnitt von 41 Jahren – und somit eben nicht nur Jugendliche.
Schuld daran trägt nicht nur die COVID-19-Pandemie – seit dem Jahr 2012 steigt die Zahl der Drogentoten jährlich stetig. Mischkonsum und immer potentere Drogen auch unter den „alten Bekannten“ in der Top-Liste der Rauschmittel sind laut Forschenden in dem Bereich dafür mitverantwortlich.
Welche Suchtmittel werden am häufigsten konsumiert?
Im Ranking der Rauschmittel liegt in Deutschland Tabak bzw. Nikotin mit Abstand auf Platz 1. Rund 4,4 Millionen Menschen erfüllten nach den aktuellsten Zahlen des Epidemiologischen Suchtsurveys aus 2021 die Kriterien einer Nikotin-Abhängigkeit.
Eine Arzneimittelabhängigkeit – darunter fallen auch Opioide – liegt bei 1,8 Millionen in Deutschland vor, 1,6 Millionen Menschen sind alkoholabhängig.
Cannabis folgt mit 300.000 Menschen – noch hinter dem Sucht- aber nicht Rauschmittel Glücksspiel mit 1,3 Millionen Menschen.
Abhängig von „Stimulanzien“ – also Kokain, MDMA („Ecstasy“), Amphetamin („Speed“) oder Metamphetamin („Crystal Meth“) – sind dagegen insgesamt „nur“ rund 150.000 Menschen in Deutschland.
Cannabis und Kokain werden am häufigsten konsumiert
Angeführt wird die Liste der am häufigsten konsumierten illegalen Drogen in Europa von Cannabis, dessen Konsum in Deutschland seit dem 1. April 2024 nicht mehr illegal ist. Laut dem Europäischen Drogenbericht konsumierten im Jahr 2023 etwa 22,8 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 64 Jahren in der EU Cannabis.
Kokain nimmt mit geschätzten vier Millionen Konsumenten im vergangenen Jahr Platz 2 europaweit ein. Laut dem Europäischen Drogenbericht nimmt der Anteil an Kokain kontinuierlich zu. Dafür sprechen auch die immer wieder aufgefundenen großen Mengen an Kokain, die beispielsweise in Bananenlieferungen geschmuggelt werden. Allein im Jahr 2022 stellten europäische Behörden 323 Tonnen der Droge sicher. Immer wieder finden die Behörden dabei auch Produktionsstätten in Europa, in denen das zum Schmuggeln unter anderem in Kunststoffe und andere Materialien eingebettete Kokain extrahiert und zum Verkauf aufbereitet wird.
Überdosierungen treten oft auf, jeder fünfte Todesfall wegen eines Drogenabusus im Jahr 2022 geht auf Kokain zurück. Gemessen wird der Konsum auch über die Rückstände im Abwasser, die sich besonders in großen Städten wie Berlin, Düsseldorf, München oder Frankfurt finden lassen. Die Droge wird nicht nur geschnupft, sondern auch in Form von Crack geraucht und manchmal injiziert.
MDMA, Amphetamine & Crystal Meth sind meistkonsumierte Rauschdrogen in Europa
Ecstasy, auch MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) genannt, gehört zusammen mit Amphetamin und Methamphetamin zu den meistkonsumierten Rauschdrogen in Europa, mit geschätzten 2,9 Millionen Konsumenten im Jahr 2022. Der Konsum in Pillenform wird vor allem mit der Nachtclub-Szene in Verbindung gebracht. Weltweit verzeichnen Experten einen zunehmenden Konsum von MDMA und anderen synthetischen Drogen.
In Europa werden immer wieder Labore entdeckt, die meist mehrere verschiedene synthetische Drogen herstellen. Eine Gefahr bei den Ecstasy-Pillen, von denen es hunderte verschiedene gibt, ist, dass sie zum Teil ganz andere Wirkstoffe stattdessen oder zusätzlich enthalten oder den Wirkstoff in geballter Menge.
Mit MDMA verwandt sind allgemein die Amphetamine sowie das Derivat Methamphetamin (Crystal Meth). Schätzungen zufolge konsumieren etwa 2,3 Millionen Menschen zwischen 15 und 64 Jahren Amphetamine. Sie stammen aus den gleichen Laboren, die auch MDMA produzieren. Dabei lassen sich bei zum Teil günstigen Ausgangsstoffen mit dem Endprodukt hohe Gewinne erzielen. Crystal Meth gilt als eine der Substanzen, die den Menschen psychisch und physisch am schnellsten schädigen.
Opioide sind an drei von vier tödlichen Überdosierungen beteiligt
Heroin und andere Opioide nehmen eine Sonderstellung ein. Sie werden in der Regel injiziert, was im Vergleich zu anderen Drogen, die oral eingenommen oder geraucht werden, eine Hemmschwelle darstellt.
Die Konsumenten von Heroin und anderen Opiaten in Europa werden zunehmend älter, bzw. die Gruppe der Konsumenten altert, während kaum noch jüngere dazukommen. Schätzungen zufolge nutzten rund 860.000 Menschen im Jahr 2022 Opioide.
Auf der anderen Seite sind Opioide aber an drei von vier Todesfällen durch Überdosierung von Rauschdrogen beteiligt. Der Anteil an Heroin geht dabei innerhalb dieser Gruppe zurück, während etwa synthetische Opioide wie Fentanyl oder Nitazene zunehmen.
Welche „neuen“ Drogen sind auf dem Weg?
Experten bezeichnen neu auftretende oder neu in Gebrauch kommende Rauschdrogen als neue psychoaktive Substanzen. Ihr Anteil ist größtenteils gering, zum Teil sind sie auch nicht illegal, da sie bislang in keiner Verbotsliste aufgeführt werden. Es handelt sich teilweise um bereits lange bekannte Substanzen wie Lachgas, die einen neuen Hype erleben – oder wie Xylazin, das als Beimischung zu anderen Substanzen nun „Karriere“ als Droge macht.
Viele neue Substanzen sind synthetisch hergestellt – tausende Derivate anderer Substanzen sind dabei möglich. Allein im Jahr 2023 fand das European Monitoring Center for Drugs and Drug Addiction („Drogenagentur der Europäischen Union“, EMCDDA) mehr als 950 neue psychoaktive Substanzen – 26 davon wurden erstmals in Europa beschrieben.
Unter diesen Substanzen finden sich beispielsweise:
- Lachgas: Das Distickstoffmonoxid ist seit über einhundert Jahren für seine berauschende, euphorisierende Wirkung bekannt. Es wird in Zahnarztpraxen noch selten zur Betäubung angewandt, die meisten Anwendungen sind aber technisch etwa als Aufschäumer und inertes Triebmittel in Sahnedosen. Das Inhalieren aus Luftballons ist ein gefährlicher neuer Trend, der mit Lähmungserscheinungen einhergehen kann.
- Fentanyl: Das synthetische Opioid wird medizinisch als Betäubungsmittel eingesetzt. Da seine Herstellung günstig ist, findet es sich zunehmend als Beimischung und Streckung in Heroin. In den USA wird es als „günstigere“ Alternative zu Heroin verwendet und ist verantwortlich für die dritte Opioid-Welle mit vielen Toten. In Europa ist der Anteil noch gering.
- Tranq: Unter diesem Namen kursiert in den USA eine neue Droge, die als „Zombie-Droge“ bezeichnet wird. Es handelt sich um den Wirkstoff Xylazin, ein Betäubungsmittel aus der Tiermedizin. Mit Heroin oder Fentanyl vermischt verstärkt und verlängert es deren Wirkung um das bis zu Achtfache. Es hat allerdings auch starke Entzugssymptome und führt zu körperlichen Wunden. In den USA gilt es als neue Gefahr, in Deutschland und Europa ist es noch kaum vorhanden.
- Flex: Die neue synthetische Droge mit dem Wirkstoff Methylendioxypyrovaleron (MDPV), die zu den Cathinonen gehört, hat ein hohes Abhängigkeitspotenzial, aber nur eine geringe Wirkdauer. Dies führt oft zu Dauerkonsum. Wie Tranq ist eine Nebenwirkung der Zerfall von Muskelgewebe.
- Nitazene: Diese Substanzklasse wurde bei der Suche nach neuen Opioiden bereits vor einigen Jahrzehnten gefunden, kam aber wegen des Nebenwirkungsspektrums nie in die Arzneimittelanwendung. Die synthetischen Opioide sind rund 500-mal stärker als Morphin. Sie finden sich wegen ihrer günstigen Herstellung als Beimischung in Heroin.
- Cathinone: Diese Wirkstoffe gehen auf das psychoaktive Cathinon aus der Pflanze Kath (Catha edulis) zurück. Kath kauen ist insbesondere in Nordafrikanischen Ländern verbreitet. Seit dem Jahr 2010 sind synthetische Derivate wie Mephedron und Methylon im Umlauf. Oft werden sie als „Badesalz“ oder „Pflanzenschutzmittel“ getarnt. Quellen:
- Die Drogensituation in Europa im Jahr 2024 verstehen – die wichtigsten Entwicklungen (Europäischer Drogenbericht 2024). Information der European Union Drugs Agency, Stand: Juni 2024, www.euda.europa.eu/publications/european-drug-report/2024/drug-situation-in-europe-up-to-2024_de
- dpa. Expertin: Statt Cannabis andere Drogen bei Jugend im Trend; Zeit online/dpa; 11. November 2024; www.zeit.de/news/2024-11/11/expertin-statt-cannabis-andere-drogen-bei-jugend-im-trend
- Illegale Substanzen in Deutschland; Datenportal des Beauftragten der Bundesbeauftragten für https://datenportal.bundesdrogenbeauftragter.de/illegale-substanzen
- Zahl der Drogentoten auf Rekordhoch; René Bocksch; Statista; 27. September 2024; https://de.statista.com/infografik/18503/anzahl-der-drogentoten-in-deutschland/
- Konsum psychoaktiver Substanzen in Deutschland; Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurvey 2021; Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 527-34; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0244, www.aerzteblatt.de/archiv/226329/Konsum-psychoaktiver-Substanzen-in-Deutschland
- Europäischer Drogenbericht 2024: Trends und Entwicklungen; Information der European Union Drugs Agency, Stand: Juni 2024; www.euda.europa.eu/publications/european-drug-report/2024_de
- Kokain und synthetische Stimulanzien spielen nun eine größere Rolle in der Drogensituation Europas; aus Die Drogensituation in Europa im Jahr 2024 verstehen – die wichtigsten Entwicklungen (Europäischer Drogenbericht 2024). Information der European Union Drugs Agency, Stand: Juni 2024; https://www.euda.europa.eu/publications/european-drug-report/2024/cocaine_en
- Heroin and other opioids – the current situation in Europe (European Drug Report 2024); Information der European Union Drugs Agency, Stand: Juni 2024; www.euda.europa.eu/publications/european-drug-report/2024/heroin-and-other-opioids_en
- Die Entwicklungen im Bereich der Opioide stellen sowohl die Drogenpolitik als auch die Maßnahmen vor neue Herausforderungen; aus Die Drogensituation in Europa im Jahr 2024 verstehen – die wichtigsten Entwicklungen (Europäischer Drogenbericht 2024); Information der European Union Drugs Agency, Stand: Juni 2024; www.euda.europa.eu/publications/european-drug-report/2024/drug-situation-in-europe-up-to-2024_de#level-6-section5
- Konsum psychoaktiver Substanzen in Deutschland; Ergebnisse des Epidemiologischen Suchtsurvey 2021; Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 527-34; DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0244 www.aerzteblatt.de/archiv/226329/Konsum-psychoaktiver-Substanzen-in-Deutschland
- Jahresbericht 2023; Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht; www.dbdd.de/publikationen/jahresbericht-situation-illegaler-drogen-in-deutschland
- DHS Jahrbuch Sucht 2024, 9-35; 14. Mai 2024 www.pabst-publishers.com/artikel/artikel-detailansicht?tt_products%5BbackPID%5D=491&tt_products%5Bproduct%5D=2254&cHash=43a85d87049fd54cf2558fa98061a795
- Bundeslagebild Rauschgiftkriminalität 2023: Zahl der Rauschgiftdelikte gestiegen; BKA; 26. Juni 2024; www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2024/Presse2024/240626_PM_BLB_Rauschgift.html
- Volkow ND, Schaub, MP, Busse A, Poznyak V et al. Prevention, treatment and care of substance use disorders among adolescents. Statement by the UNODC-WHO Informal Scientific Network, 2024. World Psychiatry, 23: 454-455. https://doi.org/10.1002/wps.21260, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/wps.21260
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- Budinger, V. Rausch aus dem Ballon; Deutsche Apotheker Zeitung; DAZ 2023, Nr. 45, S. 62, 09. November 2023 www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2023/daz-45-2023/rausch-aus-dem-ballon
- Budinger, V. Fentanyl – der amerikanische Fluch aus China und Mexiko; Deutsche Apotheker Zeitung online; 18. Oktober 2022; www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/10/18/fentanyl-der-amerikanische-fluch-aus-china-und-mexiko
- Tranq: Die USA und ihre neue „Zombie-Droge“; ZDF heute; Florian Fabricius; 28. Oktober 2023; www.zdf.de/nachrichten/panorama/usa-neue-zombie-droge-tranq-100.html
- Zerstörerische Droge „Flex“ breitet sich in Niedersachsen aus; Viktoria Evelyn Koenigs; NDR; 23. November 2023; www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Extrem-gefaehrliche-Droge-Flex-breitet-sich-in-Niedersachsen-aus,flex106.html
- UNO warnt vor neuen synthetischen Drogen – Nitazene gefährlicher als Fentanyl; Deutsches Ärzteblatt; 26. Juni 2024; UNO warnt vor neuen synthetischen Drogen – Nitazene gefährlicher als Fentanyl
- O’Malley: „Badesalze“ (Cathinone); MSD Manual; Stand Dezember 2022