Demenz: Musik kann Hirnleistung verbessern
Die Zahl der Demenzkranken steigt weltweit. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben derzeit 55 Millionen Menschen eine Demenz. Diese Zahl werde bis 2030 auf 78 Millionen und bis 2050 auf 139 Millionen ansteigen, schätzt die Organisation. Obwohl Demenz als Alterserkrankung gilt, betrifft sie nicht nur Ältere. In bis zu 9 Prozent der Fälle tritt die Krankheit laut WHO vor dem Alter von 65 auf.
Während das Demenzrisiko früher als wenig beeinflussbar galt, gibt es nun immer mehr Hinweise darauf, dass sich die Erkrankung oft durch verschiedene Maßnahmen verhindern oder zumindest verzögern lässt.
Eine solche Maßnahme ist laut mehrerer Studien Musik.
Zur Erinnerung: Was ist Demenz?
Demenz ist eine neurodegenerative Erkrankung – die häufigste Form davon ist die Alzheimer-Krankheit, die zu einem Abbau an Nervenzellen im Gehirn führt. Weltweit leben mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz, davon sind rund 60 % bis 70 % von Alzheimer betroffen.
Meist schreitet die Krankheit langsam, über mehrere Jahre hinweg, fort. Im Verlauf der Erkrankung verlieren Betroffene ihre kognitiven Fähigkeiten – sie haben beispielsweise Schwierigkeiten mit der Orientierung, der Sprache, dem Verstehen, Lernen, Planen und Einschätzen. Auch die emotionalen und sozialen Fähigkeiten können mit Fortschreiten der Erkrankung verloren gehen. /vs
Musik verbessert Hirnleistung bei Alzheimer-Demenz
Die Kraft der Musik bei Alzheimer und anderen Demenz-Erkrankungen ist wissenschaftlich belegt. „Es hat sich gezeigt, dass Musiktherapie die kognitiven Fähigkeiten bei Menschen mit Demenz verbessern kann“, schreiben etwa die Autoren einer bereits 2020 veröffentlichten zusammenfassenden Analyse von acht Studien.
Bei diesen Menschen verbesserten sich demnach auch die wahrgenommene Lebensqualität direkt nach der Intervention sowie Langzeitdepressionen. Am wirksamsten war dabei Musikhören; doch auch Singen hilft der Analyse zufolge.
Ein weiteres Team hat sich in einer 2024 veröffentlichten Studie allein auf Alzheimer konzentriert: Das Ergebnis lege nahe, dass die Behandlung mit Musiktherapie die Hirnleistung von Patienten mit Alzheimer-Krankheit verbessere, schlussfolgert es in der zusammenfassenden Analyse von elf Studien. So seien die Hirnleistung im Allgemeinen, das Reden, die Orientierung und das Gedächtnis besser geworden.
Zur Erinnerung: Typische Anzeichen für Alzheimer
Erste pathologische Veränderungen im Gehirn können schon 25 Jahre vor Ausbruch der eigentlichen Alzheimer-Erkrankung stattfinden.
Typische Symptome einer beginnenden Alzheimer-Demenz sind:
- Vergesslichkeit, was das Kurzzeitgedächtnis betrifft
- Schwierigkeiten, etwas vorausschauend zu planen und umzusetzen
- Probleme mit gewohnten Tätigkeiten
- Schwierigkeiten bei der räumlichen und zeitlichen Orientierung
- Wahrnehmungsstörungen (z. B. beim Wiedererkennen vertrauter Gesichter)
- Neu auftretende Sprach- und Schreibschwäche (z. B. Wortfindungsstörungen oder häufige Wiederholungen)
- Verlegen von Gegenständen
- Eingeschränkte Urteils- und Entscheidungsfähigkeit (z. B. bei der Kleiderwahl)
- Verlust von Eigeninitiative und Rückzug aus dem sozialen Leben
- Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen (z. B. Aggressivität, Traurigkeit, Rastlosigkeit)
In Einzelfällen leben Patienten 20 Jahre mit einer Alzheimer-Demenz. Die durchschnittliche Krankheitsdauer von der Diagnosestellung bis zum Tod beträgt jedoch sieben Jahre.
Ein gesunder Lebensstil wirkt demenzpräventiv. Dazu gehören Faktoren wie gesunde Ernährung, geistige und körperliche Aktivität, soziale Kontakte, Rauchverzicht und geringer Alkoholkonsum.
Musiktherapie kann einer weiteren Meta-Studie zufolge bei Menschen mit Demenz auch gegen Unruhe helfen. Das Team hatte zwölf Fachartikel ausgewertet und das Ergebnis im Journal „Frontiers of Psychology“ präsentiert.
Demenz: Musik hilft beim Erinnern
Die Erkenntnisse werden praktisch umgesetzt, etwa beim Nordbayerischen Musikbund (NBMB). Beim Projekt „Ein Lied für Dich“ organisiert der Bund Mitmach-Konzerte für Menschen mit Demenz.
„Bei unseren Konzerten waren Menschen im Publikum, die scheinbar auf nichts mehr reagiert haben. Bei altbekannten Liedern, die sie aus ihrer Kindheit kennen, oder auch bei Weihnachtsliedern, da singen sie mit, urplötzlich können sie den Text. Das fasziniert schon sehr“, berichtet eine Musikerin, die mit ihrem Amateurensemble regelmäßig in Seniorenzentren spielt.
Zudem können sich Hobby-Musiker beim NBMB mit Sitz in Unterpleichfeld bei Würzburg in Workshops weiterbilden lassen, wenn sie Musik in Pflegeeinrichtungen bringen möchten. Er hat auch gemeinsam mit der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt eine Anleitung zu entsprechenden digitalen Musikangeboten erarbeitet. Quelle: dpa / mia
Risikofaktoren für eine Demenz-Erkrankung
Bereits 2020 veröffentlichte die Lancet-Kommission in einem Report zwölf Risikofaktoren für die Entstehung einer Demenz-Erkrankung. Dazu zählen
- Hörverlust,
- Bluthochdruck,
- Adipositas,
- Diabetes,
- Depressionen,
- Rauchen,
- übermäßiger Alkoholkonsum,
- körperliche Inaktivität,
- traumatische Hirnverletzungen,
- niedriges Bildungsniveau,
- Luftverschmutzung,
- soziale Isolation,
- Sehverlust und
- ein hoher LDL-Cholesterinspiegel. /vs