In der Apotheke werden PTA mit den unterschiedlichsten Themen konfrontiert. Lesen Sie hier die tagesaktuellen News aus den Bereichen Pharmazie, Forschung, Ernährung, Gesundheit und vielem mehr. Bleiben Sie informiert, um Ihre Kunden stets kompetent zu beraten.
Demenz: Impfungen könnten schützen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) ruft regelmäßig dazu auf, dass Erwachsene die für sie empfohlenen Standardimpfungen unbedingt in Anspruch nehmen sollten. Doch welche Verbindung besteht zur Alzheimer-Erkrankung?
Infektionen sind mögliche Demenz-Treiber
Bei der Entstehung von Alzheimer-Erkrankungen könnten nach derzeitigen Erkenntnissen auch Infektionen eine gewisse Rolle spielen. Man nimmt an, dass verschiedene bakterielle und virale Infektionen zu entzündlichen Prozessen im Gehirn und zum Untergang von Nervenzellen führen können.
Auch scheinen solche Infektionen die Ablagerung von Beta-Amyloid und Tau zu fördern. Die Ansammlung dieser Proteine gilt als typisches Kennzeichen der Alzheimer-Krankheit.
Frühere Untersuchungen zeigten, dass abgeschwächte Lebendimpfstoffe breitere Immunantworten im Körper auslösen können als Totimpfstoffe. Dadurch wird nicht nur gezielt das Virus bekämpft, sondern es werden sekundäre Off-Target-Effekte erzeugt.
In Bezug auf Demenz könnte das bedeuten, dass solche Impfstoffe indirekt das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen verringern, indem sie das Immunsystem auf eine Weise anregen, die vor Entzündungen im Gehirn schützt.
Studie: weniger Alzheimer-Neuerkrankungen bei Geimpften
Ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Demenz-Prävention besteht, wurde zum Beispiel im Jahr 2023 anhand einer großen Datenmenge aus einer Patientendatenbank untersucht.
Dabei wurden demenzfreie Personen ab 65 Jahren über acht Jahre nach einer Impfung beobachtet. Sie hatten Impfungen gegen Gürtelrose (Herpes Zoster), Tetanus-Diphtherie-Pertussis (Tdap) sowie Pneumokokken erhalten.
Die Auswertung ergab: Menschen, die eine der Impfungen erhalten hatten, entwickelten im Vergleich zu den jeweils nicht Geimpften signifikant seltener eine Alzheimer-Erkrankung (bei Herpes zoster 8,1 % vs. 10,7 %, bei Tdap 7,2 % vs. 10,2 %, bei Pneumokokken 7,92 % vs. 10,9 %).
Lebendimpfstoff gegen Herpes Zoster verringert Demenzrisiko
In einer aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert wurde, werteten Forscher Gesundheitsdaten von über fünf Millionen Menschen aus. Sie wollten herausfinden, ob eine Herpes-Zoster-Lebendimpfung (Zostavax®) über einen Nachbeobachtungszeitraum von fünf bis acht Jahren zu einem Rückgang neuer Demenzdiagnosen führte.
Gut zu wissen: Zostavax in Deutschland nicht mehr verfügbar
Der in der Studie verwendete attenuierte Lebendimpfstoff Zostavax® von MSD erhielt im Mai 2006 die Zulassung und war in Deutschland ab 2013 verfügbar.
Seit Dezember 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) jedoch den adjuvantierten Herpes-Zoster-Subunit-Totimpfstoff (Shingrix®) als Standardimpfung für alle Personen ≥ 60 Jahren und für Risikogruppen ab 50 Jahren. Aufgrund dieser Empfehlung und einer längeren Wirksamkeit ist der Lebendimpfstoff hierzulande nicht mehr verfügbar.
In diesem sogenannten „natürlichen Experiment“ in Wales profitierten die Forscher von einer Regelung des britischen National Health Service (NHS). Ältere Personen, die kurz nach dem 1. September 1933 geboren wurden, hatten ab dem 1. September 2013 die Möglichkeit, sich gegen Gürtelrose impfen zu lassen.
Im Gegensatz dazu verloren alle Erwachsenen, die kurz vor dem Stichtag ihr 80. Lebensjahr vollendeten, also alle, die vor dem 2. September 1933 geboren wurden, ihren Anspruch auf eine Impfung. Diese Situation war nach Ansicht der Autoren vergleichbar mit einer randomisierten Studie.
Die Geburtsdatumsschwelle war wie eine zufällige Zuweisung, die die Bevölkerung in zwei nahezu identische Gruppen teilte – von denen eine die Impfung erhielt (geboren zwischen Stichtag und 1942) und die andere nicht (geboren zwischen 1925 und Stichtag).
Weniger Demenzen nach Herpes-Zoster-Impfung
Die Autoren fanden heraus, dass bei geimpften Personen weniger neue Demenzdiagnosen gestellt wurden. Konkret schätzten sie, dass das Risiko, an Demenz zu erkranken, bei den Geimpften um etwa ein Fünftel geringer war.
Sie berücksichtigten dabei, dass nicht alle Impfberechtigten den Impfstoff erhalten haben. In Zahlen ausgedrückt, führte dies zu einer Reduktion der Diagnosewahrscheinlichkeit um 3,5 Prozentpunkte (95-%-KI = 0,6 bis 7,1) über alle Geschlechter hinweg.
Bei Frauen war dieser Rückgang mit 5,6 Prozentpunkten deutlich größer, während bei Männern keine statistisch signifikante Wirkung festgestellt werden konnte.
Schutzmechanismus der Impfung noch nicht bekannt
Ob und wie genau die Gürtelrose-Impfung das Demenzrisiko senkt, ist noch nicht genau geklärt. Dafür benötige es weitere Forschung, so die Studienautoren. Sie schlugen drei mögliche Mechanismen vor.
So könnte es durch die Impfung zu einem verringerten Opioidgebrauch gekommen sein. Bei Personen mit erheblichem Opioidgebrauch wurden Veränderungen im Gehirn im Zusammenhang mit der Alzheimer-Krankheit beobachtet.
Das für Gürtelrose verantwortliche Varizella-Zoster-Virus wird außerdem mit der Ablagerung von Amyloid-β und Tau sowie mit Gefäßschäden, die mit Alzheimer in Verbindung stehen, assoziiert. Wird das Virus durch die Impfung weniger oft reaktiviert, könnte so das Demenzrisiko verringern werden.
Denkbar sei laut Studienautoren auch eine unabhängige Wirkung durch Immunmodulation: Eine durch das Varizella-Zoster-Virus verursachte Neuroinflammation soll reduziert werden. Literatur.
Aktuelles Alzheimer Forschung; www.alzheimer-forschung.de/aktuelles/meldung/demenzkranke-weltweit, Stand: 31. März 2023
Anupam B. Jena, Medical research, Could the shingles vaccine help to prevent dementia?; https://doi.org/10.1038/d41586-025-00861-2
Michalik F et al. (2023): The effect of herpes zoster vaccination on the occurrence of deaths due to dementia in England and Wales. medRxiv. DOI: 10.1101/2023.09.08.23295225
Gürtelrose (Herpes zoster): Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Erkrankung und Impfung; Informationen bereitgestellt vom Robert Koch-Institut; www.rki.de/SharedDocs/FAQs/DE/Herpes_zoster/FAQ-Liste.html#entry_16870490, Stand: 02. April 2025
Statements, Gürtelrose-Impfung als Schutz vor Demenz, Informationen bereitgestellt vom Science Media Center, Stand: 02. April 2025
Study strengthens link between shingles vaccine and lower dementia risk. Pressemitteilung der Stanford University am 02. April 2025
Ältere sollten Standardimpfungen wahrnehmen
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie will ältere Menschen aufgrund der Studienergebnisse ermuntern, diesen potenziellen Zusatzschutz von Impfungen, die für sie vom Robert Koch-Institut ohnehin empfohlen werden, zu nutzen.
Die Neurologen weisen zudem auf eine Studie aus dem vergangenen Jahr hin. Sie zeigte, dass auch die Grippe-Impfung bei älteren Menschen mit einem reduzierten Alzheimer-Risiko verbunden ist.