Übergewicht als Risiko für Darmkrebs unterschätzt
Übergewicht (BMI ab 25 kg/m2) ist ein erwiesener Risikofaktor für eine Reihe von Krebsarten, unter anderem für Darmkrebs (kolorektales Karzinom)(„The Lancet“: Body-mass index and incidence of cancer: a systematic review and meta-analysis of prospective observational studies) . Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) lassen sich 11 Prozent der europaweiten Darmkrebsfälle auf Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) zurückführen.
Dabei erhöht bereits leichtes Übergewicht das Risiko für Darmkrebs. Bei Adipösen (ab einem BMI von 30 kg/m2) steigt es pro 5 BMI-Einheiten um 15 Prozent. Übergewicht erhöht zudem nicht nur das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken – auch das Risiko an Darmkrebs zu versterben steigt mit zunehmendem Gewicht, und zwar um 30 bis 50 Prozent ab einem Body-Mass-Index von über 30 kg/m2. Doch wie fördern Fettzellen überhaupt die Krebsentstehung?
Gut zu wissen: Übergewicht und Adipositas
Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge waren 2016 mehr als 1,9 Milliarden (39 Prozent) der erwachsenen Menschen weltweit übergewichtig (BMI ab 25 kg/m2), 650 Millionen (13 Prozent) sogar fettleibig (adipös; BMI ab 30 kg/m2).
Übergewicht ist jedoch kein „Erwachsenen-Problem“: Neuere Daten aus 2020 offenbaren, dass 39 Millionen Kinder bereits im Alter von fünf Jahren übergewichtig oder fettleibig sind. In den meisten Ländern töten Übergewicht und Adipositas mehr Menschen, als es Untergewicht tut.
Für Deutschland liegen Daten aus dem Jahr 2011 vor. Denen zufolge sind 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen übergewichtig, 23 Prozent der Männer und 24 Prozent der Frauen sind sogar fettleibig. Vor allem bei Jüngeren ist demnach in den letzten Jahren der Anteil der Adipösen gestiegen.
Wie hängen Darmkrebs und Übergewicht zusammen?
Das DKFZ erklärt: „Die Fettzellen des Bauchfetts sind sehr stoffwechselaktiv und produzieren verschiedene Hormone (Adipokine, Östrogene), Wachstumsfaktoren sowie Botenstoffe, die das Immunsystem steuern (Interleukine, Tumornekrosefaktoren).“
Bei Übergewichtigen würden diese Substanzen – durch den „hohen Anteil an Körperfett“ – vermehrt hergestellt, was die Immunreaktionen des Körpers beeinträchtige. So fördere das bei Übergewichtigen im Blut erhöhte Leptin das Wachstum von Zellen und hemme gleichzeitig den programmierten Zelltod (Apoptose).
Adiponektin hingegen, das die Krebsentstehung unterdrücke, sei bei übergewichtigen Menschen verringert. Beide Mechanismen tragen so letztlich dazu bei, dass Zellen ungehemmt wachsen können und über Krebsvorstufen letztlich Krebs entsteht.
Insulin und Wachstumsfaktoren regen Zellwachstum an
Ein erhöhtes Körpergewicht bringt zudem die Bauchspeicheldrüse und deren Insulinausschüttung aufgrund einer Insulinresistenz der Fettzellen auf Hochtouren. Die Folge: „Insulin sowie Wachstumsfaktoren, zum Beispiel IGF-1 (Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor-1), regen das Zellwachstum in Zielzellen (u. a. Darmepithelzellen) an und erhöhen somit das Entartungsrisiko“, erklärt das DKFZ zur Rolle von Insulin bei der Krebsentstehung.
Zudem spielten chronische Entzündungen eine Rolle, wobei unter anderem Sauerstoffradikale und durch Darmbakterien verursachte Entzündungen des Darms als mögliche Mechanismen diskutiert werden.
Übergewicht: Krebsrisiko sogar unterschätzt?
Eine erst jüngst veröffentlichte Studie(„JAMA Network“: Association of Overweight, Obesity, and Recent Weight Loss With Colorectal Cancer Risk) des DKFZ liefert nun Hinweise, dass der Zusammenhang zwischen Übergewicht und Darmkrebs bislang sogar noch unterschätzt wurde, denn: Darmkrebs kann zu einem nicht beabsichtigten Gewichtsverlust bei den Erkrankten führen.
Bei der Krebsdiagnose liegt sodann also nicht mehr das ursprüngliche und höhere Gewicht vor – das mit all seinen einzelnen Faktoren eine Darmkrebserkrankung begünstigen kann –, sondern bereits das durch den Krebs reduzierte Körpergewicht.
Die Fall-Kontroll-Studie, durchgeführt von 2003 bis 2021 in Südwestdeutschland, berücksichtigte deswegen nicht nur das Körpergewicht bei Diagnosestellung, sondern auch das Körpergewicht acht, zehn und zwölf Jahre zuvor.
Das Ergebnis: Der aktuelle BMI stand interessanterweise nicht im Zusammenhang mit dem Darmkrebsrisiko. Anders sah es aus, wenn man das frühere Körpergewicht berücksichtigte: Waren die Studienteilnehmer acht bis zehn Jahre vor Diagnosestellung übergewichtig gewesen, hatten sie ein doppelt so hohes Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, wie Normalgewichtige.
Erhöhtes Krebsrisiko auch bei Gewichtsverlust
Ein erhöhtes Risiko für Darmkrebs hatten zudem die Studienteilnehmer, die kurz vor Diagnose unbeabsichtigt Gewicht verloren hatten. Vor allem eine Gewichtsabnahme von etwa 2 kg innerhalb von zwei Jahren vor Diagnosestellung stand im Zusammenhang mit einem stark erhöhten Darmkrebsrisiko (7,52-fach höher als bei der Kontrollgruppe).
Die Studienautoren nennen als Schwächen der Studie, dass die Probanden ihr Körpergewicht selbst berichteten – vor allem die Werte der Jahre zurückliegenden Gewichte könnten demnach falsch in Erinnerung sein.
Auch waren die Studienteilnehmer in der nicht an Darmkrebs erkrankten Kontrollgruppe gebildeter, rauchten und tranken weniger als in der Darmkrebsgruppe. Die Anzahl derer mit Übergewicht und Adipositas könne damit in der Kontrollgruppe kleiner gewesen sein, was das Ergebnis verzerren würde (Überschätzung des Darmkrebsrisikos in der Krebsgruppe).
Darmkrebs vorbeugen
Darmkrebs lässt sich vorbeugen – durch Ernährung. Dem „Ernährungsmedizinblog“ von Professor Martin Smollich zufolge gibt es zwar „keine spezifische Darmkrebs-Präventionsdiät“, doch lasse sich das Risiko durch folgende Maßnahmen – zusätzlich zu Früherkennungsuntersuchungen – „drastisch senken“:
- eine ballaststoffreiche Kost (möglichst 30 g Ballaststoffe/Tag),
- eine fleischarme Ernährung (nur geringe Mengen an rotem oder verarbeitetem Fleisch) und
- einen limitierten Alkoholkonsum (am besten gar kein Alkohol)
Früherkennungsuntersuchungen übernehmen die Krankenkassen ab einem Lebensalter von 50 Jahren. Das DKFZ weist zudem auf den positiven Effekt körperlicher Bewegung hin: Bereits 30 bis 60 Minuten täglicher Bewegung – wie zügiges Gehen, Radfahren, Schwimmen – reduziere das Darmkrebsrisiko um 30 Prozent.