Aktuelles
7 min merken gemerkt Artikel drucken

Früh schlafen gehen gegen Übergewicht?

Haben diejenigen, die vor 22 Uhr schlafen, einen Vorteil für ein gesundes Körpergewicht? | Bild: Spectral-Design / Adobe Stock

Die American Academy of Sleep Medicine rät, dass Erwachsene mindestens sieben Stunden pro Nacht schlafen sollten, um ihre Gesundheit optimal zu fördern. Regelmäßig zu wenig Schlaf (weniger als sieben Stunden) wird der AASM zufolge mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit in Verbindung gebracht – Gewichtszunahme und Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Schlaganfall, Depressionen und ein erhöhtes Sterberisiko. Somit beeinflussen nicht nur Ernährung, Mikrobiom und Bewegung unser Körpergewicht, sondern auch der Schlaf. Dass es dabei nicht nur auf die Schlafdauer – wie viele Stunden? –, sondern auch die Schlafenszeit – wann? – ankommt, fand nun ein Team von internationalen Wissenschaftlern heraus. Sie veröffentlichten ihre Arbeit jüngst in „JAMA Network Open“.

Schlafdauer, Nickerchen und Schlafenszeiten

Die multinationale Querschnittsstudie schloss insgesamt 136.652 Personen (Männer: 55.000, 40,2 Prozent; Frauen 81.652, 59,8 Prozent) im Alter von 35 bis 70 Jahren (mittleres Alter: 51 Jahre) ein. Diese machten Angaben zu ihrem Lebensstil, ihrer Gesundheit und ihrem sozioökonomischen Status sowie zu  ihrem üblichen Schlafverhalten – ihrer durchschnittlichen nächtlichen Schlafdauer und ob sie tagsüber „Nickerchen“ zu machen pflegten. Die Wissenschaftler gingen von chronischem Kurzschlaf aus, wenn die mittlere nächtliche Schlafdauer weniger als sechs Stunden betrug. Chronischen Schlafmangel definierten sie als mittlere nächtliche Schlafdauer von weniger als fünf Stunden. Zudem analysierten die Forschenden auch, wann die Studienteilnehmer schliefen: von 6 bis 20 Uhr, 20 bis 22 Uhr, 22 bis 24 Uhr, 24 bis 2 Uhr und von 2 bis 6 Uhr. 

Warum könnte die Schlafenszeit überhaupt wichtig sein? Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass der zirkadiane Melatonin-Rhythmus zwischen 2 und 3 Uhr morgens seinen Höhepunkt erreicht und nächtliches Wachbleiben die Melatonin-Ausschüttung unterdrückt – was das Risiko für Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöht. Auch die Aufwachzeit spielte in der Studie eine Rolle. Hier gab es drei Gruppen: diejenigen, die vor 4 Uhr aufwachten, die zwischen 4 und 6 Uhr und nach 6 Uhr morgens aufwachten. Um den Einfluss des Schlafverhaltens auf das Körpergewicht untersuchen zu können, wurden die Studienteilnehmer vermessen: Größe, Hüft- und Taillenumfang und das Körpergewicht. Daraus ermittelten die Studienautoren sodann BMI und den Taillen-Hüft-Quotienten.

Das Schlafverhalten der Teilnehmer

Die Teilnehmer der Studie schliefen im Mittel 7,8 Stunden nachts, zwei von fünf (39,7 Prozent) machten tagsüber einen Mittagsschlaf, und zwar zwischen 13:30 Uhr und 15 Uhr. 14,4 Prozent der Studienteilnehmer gingen regelmäßig spät, also nach Mitternacht, ins Bett. Die Wissenschaftler analysierten auch, ob es Unterschiede beim Schlafverhalten je nach Einkommen der Teilnehmer gab  und ob diese eher in der Stadt oder in ländlichen Gebieten lebten: In Ländern mit hohem Einkommen gingen die Menschen später schlafen (22:54 Uhr) als in Ländern mit mittlerem Einkommen (22:21 Uhr) oder niedrigem Einkommen (22:09). Auch gingen Stadtbewohner später ins Bett (22:44 Uhr) als Landbewohner (21:58 Uhr), und sie schliefen länger.

Wie viel Schlaf wird für ein gesundes Körpergewicht benötigt? 

Auch diese Studie bestätigt: Ausreichend Schlaf ist wichtig für ein gesundes Körpergewicht. Die höchste Prävalenz für Adipositas hatten Studienteilnehmer mit chronischem Schlafmangel – das heißt: Sie schliefen regelmäßig weniger als fünf Stunden pro Nacht. Verglichen mit Teilnehmern, die sieben bis acht Stunden nachts schliefen, lag die Prävalenz für allgemeine Adipositas 27 Prozent höher, für abdominale 16 Prozent.  

Das Gewicht der Teilnehmer

Jeder Fünfte (19,9 Prozent) litt an allgemeiner Adipositas und 27,1 Prozent der Teilnehmer hatten abdominale (den Bauch betreffende) Adipositas.

Mindestens sechs Stunden nächtlicher Schlaf

Schliefen die Teilnehmer im Schnitt allerdings mehr als sechs Stunden, ging dies schon nicht mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Adipositas einher. Wie sieht es mit Mittagsschläfern aus? Wirkt sich ein tägliches Nickerchen auf das Körpergewicht aus?

Besser kein Mittagsschlaf?

In der Tat ließ sich in der Studie ein Zusammenhang zwischen Mittagsschlaf und Adipositas feststellen: Bei einer mittäglichen Schlafdauer von mindestens einer Stunde lag die Wahrscheinlichkeit für allgemeine Adipositas 22 Prozent höher, für die abdominelle sogar 39 Prozent. Doch nicht nur die Schlafdauer hängt mit dem Körpergewicht zusammen, wichtig scheint es auch zu sein, wann man ins Bett geht.

Nachteulen haben die höchste Adipositas-Prävalenz

So waren Personen, die spät schlafen gingen – zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens – häufiger krankhaft übergewichtig als Personen, die zwischen 20 Uhr und 22 Uhr ins Bett gingen: „Spätzubettgeher“ hatten eine 20 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für allgemeine und abdominale Adipositas als „Frühzubettgeher“. Die höchste Prävalenz für Adipositas hatten Menschen, die sich zwischen 2 und 6 Uhr morgens schlafen legten, ihr Risiko für allgemeine Adipositas lag 35 Prozent höher, für abdominale Adipositas sogar 38 Prozent. Ihr BMI lag im Mittel bei 28,9 kg/m2 (bei Menschen, die zwischen 20 und 22 Uhr schlafen gingen, lag er bei 25,5 kg/m2). Keinen signifikanten Einfluss auf Übergewicht hatte hingegen die Aufwachzeit und wenn die Teilnehmer während des Tages (d. h. vor 20 Uhr) ins Bett gingen.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick

  • Nächtlicher Schlaf von weniger als fünf Stunden war signifikant mit Adipositas assoziiert.
  • Ein „Nickerchen“ tagsüber konnte das nächtliche Zu-wenig-Schlafen nicht ausgleichen, im Gegenteil: Längerer Mittagsschlaf erhöhte das Risiko für Adipositas weiter.
  • Nächtlicher Schlaf von mindestens sechs Stunden ließ sich nicht mit einem erhöhten Auftreten von Adipositas in Verbindung bringen.

Wie könnte die Schlafenszeit das Gewicht beeinflussen?

Die Wissenschaftler überlegten, was Schlafmangel oder spätes Zubettgehen auf Ebene von Botenstoffen im menschlichen Körper bewirken könnte: Eine späte Zubettgehzeit oder eine verzögerte Schlafphase könne mit einer stärkeren nächtlichen Lichtexposition verbunden sein, was die Melatoninausschüttung aus der Zirbeldrüse verlängert unterdrücken könnte. Melatonin steuert den Tag-Nacht-Rhythmus des menschlichen Körpers. Die Störung der Melatoninsekretion könne wiederum zu einem falsch ausgerichteten zirkadianen Rhythmus führen, und diese falsche Ausrichtung des zirkadianen Rhythmus wurde bereits mit „verringerten Leptinspiegeln, aber erhöhten Plasmaglucosespiegeln, Corticosteroiden und systemischen Entzündungen in Verbindung gebracht“, erklären die Wissenschaftler. Leptin ist ein Hormon, das hauptsächlich von Fettzellen gebildet wird (und von Zellen im Darm) und wesentlich den Energiehaushalt steuert: Leptin hemmt das Hungergefühl.

Die Schwächen der Studie

Es handelt sich bei der Untersuchung um eine Querschnittsstudie, das heißt: Die Daten wurden einmalig zu einem Zeitpunkt erfasst. Ob tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Schlafdauer, der Zu-Bett-geh-Zeit und Adipositas besteht, lässt sich anhand dieser Erhebung nicht endgültig beweisen. Die Wissenschaftler geben zudem zu bedenken, dass umgekehrt Adipositas auch zu Schlafstörungen führen könne, durch eine Schlaf-Apnoe beispielsweise. Nicht erfasst wurde außerdem die Schlafqualität, auch basieren alle Daten zum Schlafverhalten auf Selbstberichten der Teilnehmer.

Kann man auch zu viel schlafen?

Wie eingangs erwähnt, empfiehlt die American Academy of Sleep Medicine jede Nacht mindestens sieben Stunden zu schlafen. Doch kann es auch zu viel des Guten sein – können wir zu viel schlafen? Dazu meint die AASM: „Regelmäßiges Schlafen von mehr als neun Stunden pro Nacht kann für junge Erwachsene, Personen, die sich von einem Schlafdefizit erholen, und Personen mit Krankheiten angemessen sein.“ Bei anderen sei es hingegen ungewiss, ob das Schlafen von mehr als neun Stunden pro Nacht mit einem Gesundheitsrisiko verbunden sei.