Aktuelles
8 min merken gemerkt Artikel drucken

Resistenzen: Wenn Antibiotika wirkungslos werden

Petrischale mit Hemmhoftest
Zunehmende Resistenzen gefährden die Wirksamkeit von Antibiotika. In einem Hemmhoftest lässt sich untersuchen, wie gut bestimmte Antibiotika (noch) wirken. | Bild: Saiful52 / AdobeStock

Unbestritten gehören Antibiotika zu den wichtigsten Wirkstoffen der modernen Medizin. Seit der Entdeckung des Penicillins können bakterielle Infektionen effektiv behandelt werden. Doch ist ihre Wirksamkeit durch zunehmende Resistenzen gefährdet. Denn verschiedene Mechanismen erlauben es den Bakterien, sich der Wirkung zu entziehen und somit die Therapie von bakteriellen Infektionen zu erschweren.

Wie Resistenzen entstehen

Bakterien sind äußerst anpassungsfähige Lebewesen. Bei der Vermehrung müssen sie ihre DNA kopieren, wobei es leicht zu zufälligen Fehlern (Mutationen) kommen kann. Einige dieser Kopierfehler führen dazu, dass die Bakterien unempfindlich gegen das verwendete Antibiotikum werden. Die so entstandenen resistenten Erreger können sich dann unbehelligt weitervermehren. 

Zudem können Bakterien einzelne Resistenzgene auch untereinander austauschen. Die entsprechenden DNA-Abschnitte befinden sich oft auf ringförmigen DNA-Molekülen, sogenannten Plasmiden. Durch den Austausch dieser Plasmide können multiresistente Erreger entstehen, bei denen eine Vielzahl von Antibiotika wirkungslos ist.

Welche Resistenzmechanismen gibt es?

Eine Bakterienzelle kann sich auf verschiedene Weise gegen die Wirkung von Antibiotika wehren, häufig kommt es dabei zur Bildung inaktivierender Enzyme. 

Betalactam-Antibiotika wie Penicilline und Cephalosporine werden durch Betalactamasen inaktiviert. Diese Enzyme sind in der Lage, den für die Wirkung der Substanzen wichtigen Lactamring innerhalb des Moleküls zu spalten. Die enzymatische Inaktivierung ist auch bei Aminoglykosiden und Chloramphenicol bekannt. Diese werden durch eine Acetyltransferase acetyliert und damit wirkungslos.

Weiterhin kann es zu einer veränderten Zellpermeabilität (Durchlässigkeit) kommen, was zu einer geringeren Aufnahme des Antibiotikums in die Bakterienzelle führt. Auch kann das Bakterium gezielt Transportproteine bilden, die den Arzneistoff wieder aus der Zelle ausschleusen. 

Eine weitere Möglichkeit, resistent gegen einen antibiotischen Wirkstoff zu werden, ist die Bildung eines Biofilms. Das Bakterium bildet dabei eine dünne, viskose Schleimschicht, die den Zugang des Antibiotikums erschwert. Darüber hinaus kann die Bildung veränderter Zielstrukturen dazu führen, dass das Antibiotikum schlechter an die Bakterienzelle bindet.  

Warum nehmen Resistenzen zu? 

Neben der genetischen Anpassungsfähigkeit der Bakterien ist die Hauptursache für die Resistenzentwicklung eine Selektion der resistenten Keime während einer Antibiotikatherapie: Durch eine spontane Mutation wird ein ursprünglich empfindliches Bakterium resistent und kann sich dann trotz Antibiotikaeinnahme vermehren. Grundsätzlich fördert jeder Einsatz von Antibiotika damit die Bildung von Resistenzen. 

Ein Übergebrauch von Antibiotika begünstigt diese Resistenzentwicklung. Bei viralen Erkrankungen wie den meisten Erkältungskrankheiten aber auch bei der Grippe (Influenza) sind Antibiotika unwirksam. Trotzdem erwarten nicht wenige Patienten, dass der Arzt ihnen bei jeder Infektion ein Antibiotikum verschreibt. Zudem kann der „unüberlegte“ Einsatz von Breitbandantibiotika problematisch sein, da diese gleichzeitig gegen zahlreiche Bakterien wirken. 

Ein großes Problem in diesem Zusammenhang stellt auch die Verwendung von Antibiotika in der Massentierhaltung dar. In Deutschland werden beispielsweise in der Landwirtschaft mehr Antibiotika eingesetzt als in der Humanmedizin. 

Gleichzeitig haben sich zahlreiche Pharmafirmen aus der Antibiotika-Forschung zurückgezogen. Die kostenaufwendige Forschung und Entwicklung hat sich für viele nicht mehr gelohnt. Davor gab es eine Vielzahl neuer Wirkstoffe, sodass die Antibiotika-Entwicklung den Bakterien zumindest immer einen Schritt voraus war. Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert, innovative Antibiotika stehen kaum noch zur Verfügung.

Nosokomiale Infektionen durch multiresistente Keime

Multiresistente Bakterien führen häufig zu sogenannten nosokomialen Infektionen. Darunter versteht man Infektionen, die sich die Patienten während eines Krankenhausaufenthalts zuziehen. 

Die Gründe für solche Infektionen mit Hospitalkeimen sind vielfältig: Invasive Untersuchungen, Behandlungen mittels Harnwegs- oder Gefäßkathetern, Ernährungssonden oder eine künstliche Beatmung stellen mögliche Eintrittswege für Keime dar. Immunsupprimierte Patienten und nicht intakte Haut durch OP-Wunden sind zudem anfälliger für das Eindringen von Bakterien. 

Durch die häufigen Antibiotikaanwendungen besteht im Krankenhaus ein erhöhter Selektionsdruck, so dass dort eher multiresistente Keime vorkommen. Laut Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums treten in Deutschland jährlich zwischen 400.000 bis 600.000 solcher Infektionen mit Krankenhauskeimen auf, die zu 10.000 bis 15.000 Todesfällen führen. 

ESKAPE: Sechs Hospitalkeime

Seit dem Jahr 2008 werden die häufigsten Erreger dieser nosokomialen Infektionen unter der Abkürzung ESKAPE zusammengefasst. Diese steht für die Bakterien 

  • Enterococcus faecium,
  • Staphylococcus aureus,
  • Klebsiella pneumoniae,
  • Acinetobacter baumannii,
  • Pseudomonas aeruginosa und
  • die Gruppe der Enterobacteriaceae.

Alle diese multiresistenten Keime werden durch direkten Kontakt übertragen, einige davon auch durch kontaminierte Oberflächen. Um Infektionen zu vermeiden, spielt in Krankenhäusern daher die konsequente Desinfektion eine wichtige Rolle. Auch das Tragen von Einmalhandschuhen und medizinischen Mund-Nasen-Bedeckungen schützen vor der Verbreitung.

Staphylococcus aureus als multiresistenter Keim

Einer der bekanntesten Erreger nosokomialer Infektionen ist Staphylococcus aureus. Das grampositive, kugelförmige Bakterium kommt bei vielen gesunden Menschen auf der Haut oder im Nasen-Rachen-Raum vor. Es kann aber auch gefährliche Infektionen bis hin zu einer Sepsis auslösen. 

Eine Variante von Staphylococcus aureus sind Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme, die auch unter der Abkürzung MRSA bekannt sind. Aufgrund eines veränderten Penicillin-Bindeproteins haben diese Bakterien eine stark verminderte Affinität zu Betalactam-Antibiotika und sind daher gegen die üblichen Penicilline und Cephalosporine resistent. Meist liegt eine Mehrfachresistenz vor, so dass unter anderem auch Makrolide, Aminoglykoside, Tetracycline und Fluorchinolone wirkungslos sind. 

MRSA-Stämme sind weltweit zu finden. In Deutschland ist ihre Ausbreitung in den letzten Jahren durch konsequente Hygienemaßnahmen allerdings deutlich zurückgegangen. 

Zur Therapie von MRSA-Infektionen kann unter anderem Vancomycin aus der Gruppe der Glykopeptid-Antibiotika eingesetzt werden. Vancomycin gehört damit zu den Reserveantibiotika, die nur zur Behandlung schwerwiegender Infektionen, ausgelöst durch multiresistente Erreger, eingesetzt werden. Der Einsatz unterliegt dabei einer strengen Indikationsstellung.

Maßnahmen gegen Antibiotika-Resistenzen

Antibiotika gehören zu den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Ihr Einsatz wird daher zunächst einmal durch das Verschreibungsverhalten der Mediziner geregelt. Ein Arzt, der den Patienten untersucht hat und seine Krankengeschichte kennt, kann entscheiden, ob ein Antibiotikum nötig ist oder eben nicht. Manchmal werden dazu auch CRP-Schnelltests eingesetzt. Diese Tests auf den Entzündungsmarker C-reaktives Protein (CRP) können bakterielle von viralen Infektionen unterscheiden.

Desweiteren sollte der Einsatz von Breitbandantibiotika gezielt erfolgen, d. h. im Akutfall werden sie bei gefährlichen Infektionen nur zu Therapiebeginn verwendet. Parallel dazu wird im Labor der tatsächlich vorhandene Keim festgestellt und dann auf ein gezielt wirksames Antibiotikum gewechselt. 

Eine neue EU-Verordnung, die verpflichtend seit Februar 2023 gilt, verbietet zudem die Verwendung zahlreicher antibiotischer Wirkstoffe bei Tieren. Durch ihren exklusiven Einsatz beim Menschen sollen Resistenzen zukünftig vermieden werden. Dazu hat die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) eine Liste von Substanzen zusammengestellt, die als besonders schützenswert gelten. Zu den in der Tiermedizin künftig verbotenen Antibiotika gehören unter anderem einige Penicilline, Cephalosporine und Tetracycline.

Im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen spielen darüberhinaus infektions-vorbeugende Maßnahmen eine Rolle. Neben gängigen Hygienemaßnahmen zählen auch Impfungen dazu, denn: Gut wirksame Impfstoffe gegen bakterielle Erkrankungen wie Tetanus oder Diphtherie schützen vor einer Erkrankung und machen somit den Einsatz antimikrobiell wirksamer Substanzen unnötig. 

Was sollen Patienten bei der Einnahme von Antibiotika beachten?

Auch das Apothekenpersonal kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass eingesetzte Antibiotika ihre Wirksamkeit nicht verlieren. Durch die richtige Beratung können wesentliche Fehler bei Einnahme und Entsorgung vermieden werden. 

Antibiotika sollten zum einen immer so lange und in der Dosierung eingenommen werden, wie der Arzt dies verordnet hat. Neuere Studienergebnisse deuten daraufhin, dass es sinnvoll sein könnte, die vorgegebene Dauer der Antibiotikatherapie zu überarbeiten. Denn in mehreren Indikationen hat sich gezeigt, dass kürzere Therapien längeren Behandlungen nicht unterlegen sind. Künftig könnten Antibiotika somit nur noch bis zum Abklingen der Symptome eingenommen werden, statt wie bisher eine vorgegebene Zeit lang.

Um während der Therapie einen gleichbleibenden Wirkstoffspiegel im Blut zu gewährleisten, hat das Dosierungsintervall besondere Bedeutung. Bei einer zweimal täglichen Einnahme ist auf einen Abstand von 12 Stunden zu achten, bei einer dreimal täglichen Anwendung beträgt dieser 8 Stunden. Bei einer nur einmal täglichen Einnahme sollte das Arzneimittel immer zur gleichen Uhrzeit eingenommen werden. Es ist daher hilfreich, bei der Abgabe die vorgesehenen Einnahmezeitpunkte (Uhrzeit) auf dem Arzneimittel zu vermerken. 

Falls nach einer Behandlung Antibiotikareste übrig bleiben, sollen diese nicht für eine spätere Anwendung aufbewahrt, sondern über den Hausmüll entsorgt werden. Eine Entsorgung über das Abwasser (Waschbecken oder Toilette) ist – wie auch bei allen anderen Arzneimitteln – dabei unbedingt zu vermeiden. 

Antibiotika sollten auch nicht ohne Rezept im Internet oder im Ausland gekauft werden, denn ihre Einnahme sollte immer nur nach Rücksprache mit einem Arzt erfolgen.