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Methode aus der Bioinformatik: Entdeckung von neuen antibiotischen Wirkstoffen

Antibiotikaresistenzen nehmen zu, daher müssen dringend neue antibiotische Wirkstoffe entdeckt werden. Forschern gelang es, zwei neue vielversprechende Substanzen zu finden. | Bild: Alexander Raths / AdobeStock

Die Widerstandsfähigkeit von Bakterien gegen Antibiotika wird als Antibiotikaresistenz bezeichnet, bei einer Therapie mit einer antibakteriellen Substanz kommt es bei resistenten Bakterien nicht zur Wachstumshemmung oder zum Absterben des Keims. Die minimale Hemmkonzentration liegt dann höher als die höchste erreichbare und für den Menschen nicht toxische Konzentration im Blut oder Gewebe.

Weltweit nehmen Resistenzen gegen Antibiotika deutlich zu. Zahlreiche Experten sehen darin eine große Bedrohung für die menschliche Gesundheit. Antibiotika-Resistenzen gehören mittlerweile mit zu den häufigsten Todesursachen. Die Entdeckung neuer Wirkstoffe, die auch gegen resistente Bakterien wirksam sind, ist daher von dringender Notwendigkeit.

Gut zu wissen: Wie entstehen Antibiotika-Resistenzen?

Eine Widerstandsfähigkeit gegen Antibiotika kann in der Bakterienzelle auf verschiedenen Wegen entstehen. Das Bakterium kann bestimmte inaktivierende Enzyme bilden: Betalactam-Antibiotika wie Penicilline und Cephalosporine werden durch Betalactamasen noch vor Entfaltung ihrer Wirkung inaktiviert. Auch kann die Permeabilität (Durchlässigkeit) der Bakterienzelle so verändert werden, dass die antibiotische Substanz schlechter in die Zellen gelangen kann. Weiterhin können durch Bildung bestimmter Transportproteine die Wirkstoffe verstärkt aus der Zelle herausgepumpt werden.

Bakterien bilden selbst Antibiotika

Die meisten bekannten Antibiotika stammen im Übrigen von den Bakterien selbst. Denn in ihrer natürlichen Umgebung stehen die Bakterien untereinander im Konkurrenzkampf um Nährstoffe und Lebensraum. Viele von ihnen bilden daher antibiotische Substanzen, um andere Bakterien abtöten zu können. 

In der Vergangenheit wurden zahlreiche solcher Antibiotika bereits therapeutisch eingesetzt oder ausgehend von ihnen antibakteriell wirksame Pharmaka entwickelt. Um diese bakterieneigenen Antibiotika allerdings nutzen zu können, müssen sich die produzierenden Bakterien im Labor anzüchten lassen. Dies erweist sich oft als gar nicht so leicht, denn als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, dass die Bakterien unter Laborbedingungen das gewünschte Antibiotikum häufig gar nicht bilden.

Durch Methoden der Bioinformatik zum Ziel

Die Wissenschaftler von der Rockefeller University in New York haben daher nun eine neue Methode vorgestellt, um die geschilderten Probleme zu umgehen. Anstatt die Bakterien aufwändig im Labor zu züchten und das Antibiotikum daraus zu gewinnen, prognostizierten sie mit Hilfe von Algorithmen der Bioinformatik, wie eine solche Substanz aufgebaut sein könnte. Anschließen wurde der potentielle Wirkstoff durch chemische Reaktionen selbst synthetisiert. 

Dazu wurde das Erbgut von etwa 10.000 Bakterienstämmen auf Genabschnitte hin untersucht, die den Bauplan für bestimmte Lipopeptide enthalten. Von diesen Peptiden ist bekannt, dass sie das Wachstum von Bakterien über verschiedene Mechanismen beeinträchtigen. Hinsichtlich ihrer Größe und Struktur galten zunächst rund 3.500 Gengruppen als aussichtsreich, bisher unbekannte Substanzen wurden dabei von dem Team um Professor Brady herausgefiltert. Dadurch wollte man die Wahrscheinlichkeit, Substanzen mit neuartigen Wirkmechanismen zu finden erhöhen. Letztendlich wurden im Labor acht Stoffe nachgebaut, getestet und weiter optimiert.

Cilagicin als neue Substanz

Eine dieser Substanzen erwies sich bei Untersuchungen als besonders effektiv gegen grampositive Bakterien. Darunter auch resistente Enterokokken und verschiedene resistente Varianten des gefürchteten Erregers Staphylococcus aureus. Die Substanz wurde ausgehend von einer Gruppe von Genen namens Cil gefunden, daher kam es zur Namensgebung Cilagicin. 

Die Wissenschaftler vermuten, dass Cilagicin an zwei eng verwandte Moleküle bindet, die grampositive Bakterien für die Bildung ihrer Zellwand brauchen. Dieser zweifache Angriffspunkt ist in Hinblick auf mögliche Resistenzen ein großer Vorteil gegenüber anderen Antibiotika.

Macolacin gegen gramnegative Erreger

Cilagicin wirkt hauptsächlich gegen grampositive Bakterien. Gramnegative Erreger besitzen eine zusätzliche äußere Membran mit lipophilen Lipopolysacchariden, die die meisten Antibiotika nicht überwinden können. Doch auch hier wurden die Forscher fündig: Die Substanz Macolacin abgeleitet vom Gencluster Mac, wirkt gegen gramnegative Bakterien. Auch darunter befanden sich wieder zahlreiche resistente Problemkeime, die unempfindlich gegen gängige Reserveantibiotika sind.

Wie geht es nun weiter?

Die neuen Antibiotika wurden bisher ausschließlich an Versuchen in der Petrischale und an Mäusen getestet. Bevor diese am Menschen zum Einsatz kommen, ist es noch ein weiter Weg. Zudem müsse sich dann auch erst noch zeigen, wie wirksam die Substanzen tatsächlich im klinischen Umfeld sind. 

Ein Problem stellt auch die Finanzierung weiterer Studien dar, immer mehr pharmazeutische Firmen ziehen sich aus der Erforschung von Antibiotika zurück. Trotzdem sind sich die Fachleute einig: Jede neu gefundene antibakteriell wirksame Substanz stellt einen Fortschritt dar und kann im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen hilfreich sein. Quellen:
https://www.spektrum.de/news/neue-antibiotika-gegen-resistente-keime/2024524;
https://www.science.org/doi/10.1126/science.abn4213;
https://www.nature.com/articles/s41586-021-04264-x