Nebenwirkung einer COVID-19-Impfung: Myokarditis – sehr selten und meist leicht
In Bezug auf Herzmuskelentzündungen nach mRNA-Impfung ist mittlerweile bekannt, dass eher jüngere Männer davon betroffen sind, dass die Symptome meist innerhalb von 14 Tagen nach Verabreichung des Impfstoffs auftreten und häufiger nach der zweiten als nach der ersten Dosis. Biontech/Pfizer und Moderna informierten dazu in Abstimmung mit dem Paul-Ehrlich-Institut und der EMA bereits in einem Rote-Hand-Brief. Doch wie oft kommt es zu einer Myokarditis nach COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff? Und wie gut heilt die Herzmuskelentzündung bei den Betroffenen wieder?
Untersuchung zu 2.392.924 Versicherten gibt Aufschluss
Bislang stammen Daten dazu meist aus kleinen Stichprobengrößen. Nun legen Wissenschaftler aus Kalifornien einen Datenpool von knapp 2,4 Millionen Geimpften vor. Möglich ist dies durch Auswertung von Krankenkassendaten, in diesem Fall von Versicherten der „Kaiser Permanente Southern California“ (KPSC). Veröffentlicht wurde die Studie Anfang Oktober im „Research Letter“ des Fachjournals „JAMA Internal Medicine“.
Exakt 2.392.924 KPSC-Versicherte hatten im Zeitraum vom 14. Dezember 2020 bis 20. Juli 2021 mindestens eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs erhalten. Dabei kamen die Vakzinen Comirnaty® von Biontech/Pfizer und Spikevax® von Moderna gleich häufig zur Anwendung. Die meisten Geimpften waren Frauen (54 Prozent), das Durchschnittsalter lag bei 49 Jahren (zwischen 34 und 64 Jahren) und etwa ein Drittel (35,7 Prozent) der Geimpften war jünger als 40 Jahre alt. Die meisten Versicherten hatten zwei Dosen der mRNA-Impfstoffe erhalten und gelten somit derzeit als vollständig geimpft. Diese Impfgruppe wurde nun mit 1.577.741 Personen verglichen, die im selben Zeitraum keine COVID-19-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff erhalten hatten. Sie waren durchschnittlich 39 Jahre alt (zwischen 28 bis 53 Jahren), knapp die Hälfte waren Frauen (49,1 Prozent) und 53,7 Prozent waren jünger als 40 Jahre.
1 Fall unter über 172.000 vollständig Geimpften
Von den knapp 2,4 Millionen mRNA-geimpften Versicherten entwickelten 15 eine Myokarditis (bestätigte Fälle) – zwei bereits nach der ersten Impfdosis, 13 nach der zweiten. Das entspricht einer Inzidenz von 0,8 Fällen auf eine Million Erstdosen und 5,8 Fällen pro einer Million Zweitdosen oder ein Myokarditisfall auf 172.414 vollständig geimpfte Personen.
Als bestätigter Myokarditisfall galt, wer innerhalb von zehn Tagen nach der Impfung im Krankenhaus war und mit der Diagnose „Myokarditis“ entlassen wurde. Zudem identifizierten die Wissenschaftler mögliche Fälle von Herzmuskelentzündungen anhand von Klinikberichten. Alle Fälle wurden von mindestens zwei Kardiologen beurteilt. Acht Patienten waren mit Biontech/Pfizer, sieben mit Moderna geimpft worden. Alle Betroffenen waren Männer und zwischen 20 und 32 Jahre alt, wurden im Krankenhaus behandelt und dort negativ (PCR) auf SARS-CoV-2 getestet, um eine Virus-bedingte Herzmuskelentzündung auszuschließen. Keiner der Myokarditispatienten hatte zuvor eine Herzerkrankung. 14 hatten ein bis fünf Tage nach der Impfung über Brustschmerzen berichtet. Die Symptome klangen in allen Fällen mit konservativer Behandlung ab und kein Patient musste auf die Intensivstation aufgenommen oder nach der Entlassung wieder eingewiesen werden.
Auch Myokarditisfälle in der Vergleichsgruppe
Doch wie sieht es in der ungeimpften Vergleichsgruppe aus? Kam es seltener zu Herzmuskelentzündungen? Von den 1.577.741 Personen, die im selben Zeitraum keinen mRNA-Impfstoff erhalten hatten, entwickelten 75 eine Myokarditis – nur etwas über die Hälfte waren Männer (39 Fälle, 52 Prozent) und durchschnittlich waren die Betroffenen 52 Jahre alt (zwischen 32 und 59 Jahren).
Myokarditis unterschätzt?
Die Studie hat auch Einschränkungen, sodass das Ergebnis verzerrt sein könnte. Die Myokarditispatienten wurden nicht biopsiert, dadurch fehlt eine endgültig bestätigte Diagnose. Auch wurden die Fälle nicht einheitlich untersucht und die Nachbeobachtungszeit der Patienten in der Studie war kurz. Die Wissenschaftler überlegen, ob subklinische Fälle vielleicht unterdiagnostiziert waren.
Sehr seltene Nebenwirkung
In einem Editorial kommentiert unter anderem der stellvertretende Herausgeber von „JAMA Internal Medicine“ die Ergebnisse: „Insgesamt war die impfbedingte Myokarditis eine seltene und meist leichte Nebenwirkung.“ Das Risiko sei gering, wenn man es mit der Krankheitslast und Sterblichkeit einer COVID-19-Infektion vergleiche, bei der bis zu 28 Prozent der hospitalisierten Patienten Anzeichen einer Myokardschädigung aufwiesen. Zudem deuteten Daten darauf hin, dass Herzmuskelentzündungen nicht ausschließlich nach COVID-19-Impfungen mit mRNA-Vakzinen auftreten. Und weiter: „Randomisierte klinische Studien zeigen, dass COVID-19-mRNA-Impfstoffe eine sichere und wirksame Methode zur Verhinderung von Infektionen darstellen. Die Feststellung einer seltenen Myokarditis ändert nichts an der klinischen Entscheidungsfindung.“ Dennoch lohne es sich, den Mechanismus der Herzschädigung durch Impfstoffe zu erforschen. Zudem erwarten die Autoren mehr Fälle von Myokarditis – da sich nun auch Teenager im Alter von zwölf bis 16 Jahren impfen lassen können. Diese Altersgruppe war in die Studienpopulation nicht eingeschlossen.