Aktueller Sicherheitsbericht zu COVID-19-Impfungen: PEI äußert sich zu Myokarditis
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC untersucht derzeit einen möglichen Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und dem Auftreten einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis). Zum ersten Mal gab es bereits Ende April aus Israel Hinweise auf Myokarditiden nach einer Impfung mit der Biontech/Pfizer-Vakzine Comirnaty®. Anfang Juni schien sich dieser Verdacht zu erhärten, nachdem im Fachjournal „Science“ israelische Wissenschaftler erklärten, Comirnaty® „scheint junge Männer einem erhöhten Risiko für eine Herzmuskelentzündung“ auszusetzen. Sie sprachen von „seltenem“ Auftreten und von „milden“ Verläufen. Nun hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am 10. Juni seinen aktuellen Sicherheitsbericht veröffentlicht – wie schätzt das PEI das Risiko einer Myokarditis nach COVID-19-Impfung ein?
Über 90 Fälle in Deutschland
„In den vergangenen Wochen erhielt das Paul-Ehrlich-Institut zunehmend Meldungen über den Verdacht einer Myokarditis oder Perimyokarditis im zeitlichen Zusammenhang mit der Verabreichung von COVID-19-mRNA-Impfstoffen, insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“, erklärt das PEI. Es spricht von 92 Fällen, die das PEI seit Beginn der COVID-19-Impfungen (27. Dezember 2020) erreicht haben (Datenstand 31. Mai 2021). 69 Fälle traten nach Impfung mit dem Biontech/Pfizer-Impfstoff Comirnaty® auf. Dieser wurde bislang in Deutschland auch mit 36.865.276 Impfungen am häufigsten verimpft. Sieben Fälle sind nach einer Impfung mit der mRNA-Vakzine von Moderna berichtet worden (bei bislang 3.972.764 Impfungen) und 14 Fälle nach einer Vaxzevria®-Impfung (bei bislang 9.230.103 Impfungen). Keine Meldung liegt dem PEI derzeit zu einer Myokarditis (Herzmuskelentzündung) und/oder Perikarditis (Herzbeutelentzündung) nach Impfung mit dem Vektorimpfstoff Janssen vor. Dieser erhielt als vorerst letzter COVID-19-Impfstoff die Zulassung und wurde 472.941-mal verabreicht. Zwei Fälle hat das PEI zwar erfasst, doch in der Datenanalyse nicht weiter aufgeführt – einmal gab es widersprüchliche Angaben zum verabreichten Impfstoff, ein anderes Mal hatte eine Frau nach der ersten Impfdosis COVID-19 sowie eine Myokarditis entwickelt.
Zur Erinnerung: Myokarditis und Perikarditis
Unter Myokarditis versteht man eine Entzündung des Herzmuskels, die sowohl Kinder als auch Erwachsene treffen kann, wobei junge Männer häufiger betroffen sind als junge Frauen. Ursächlich können einer Herzmuskelentzündung virale Infektionen oder Autoimmunerkrankungen (z. B. systemischer Lupus erythematodes, rheumatoide Arthritis) zugrunde liegen oder auch die Anwendung bestimmter Arzneimittel oder Gifte. Dem PEI zufolge hat die Erkrankung „eine hohe Selbstheilungsrate“, kann sich aber auch in einigen Fällen zu einer dilatativen Kardiomyopathie (Erkrankung, bei der sich die Struktur des Herzmuskels verändert und sich die Herzkammern erweitern) entwickeln.
Bei einer Perikarditis liegt eine Entzündung des Herzbeutels vor. Auch hier scheinen Männer zwischen 20 und 50 Jahren das höchste Risiko zu haben. Meist – bei 40 bis 85 Prozent der Fälle – bleibt die Ursache unklar. Doch auch hier seien Infektionen (meist viral, seltener bakteriell) oder Autoimmunerkrankungen ursächlich bekannt. Wie bei einer Myokarditis kann dem PEI zufolge auch eine Perikarditis „selbstlimitierend“ sein, doch auch Komplikationen (Perikarderguss) seien möglich.
Meist reine Herzmuskelentzündung
Die meisten der vom Paul-Ehrlich-Institut erfassten Patienten (61) hatten eine isolierte Myokarditis entwickelt, das heißt: Die Entzündung betraf „nur“ den Herzmuskel. Wenige Patienten – fünf – litten an einer isolierten Entzündung des Herzbeutels – Perikarditis – und bei 24 Patienten lag eine Mischform vor, eine Peri-Myokarditis.
Männer häufiger betroffen als Frauen
Den Daten des PEI zufolge – die mit internationalen Daten übereinstimmen – betreffen die meisten Meldungen zu Herzmuskelentzündungen männliche Jugendliche und junge Männer ab 16 Jahren: In 52 von 90 gemeldeten Fällen war der Geimpfte männlich, in 38 Fällen weiblich. Diese Beobachtungen hatte auch die CDC beschrieben. Die israelischen Wissenschaftler konnten sogar 90 Prozent der in Israel berichteten Fälle Männern zuordnen.
Wann treten erste Symptome auf?
Nicht immer liegen dem PEI Daten für eine vollumfängliche Auswertung der gemeldeten potenziellen Nebenwirkung vor – so auch zum Zeitintervall, in dem Patienten oder Ärzte über eine Myo- oder Perikarditis berichteten. Bei den Fällen, bei denen Informationen vorlagen, begannen nach Comirnaty®-Impfung die ersten Symptome im Mittel nach 9,4 Tagen (Median: 4 Tage), nach Moderna-Impfung lag der Median bei drei Tagen.
Zur Erinnerung: Was ist der Median?
Der Median beschreibt genau die Mitte einer Datensammlung. Im vorliegenden Fall heißt das, dass eine Hälfte der Herzmuskelentzündungen weniger als drei (Moderna) oder vier (Biontech/Pfizer) Tage nach Impfung begann, die andere Hälfte später als drei beziehungsweise vier Tage.
6 Menschen gestorben, die meisten litten an Vorerkrankungen
Laut PEI sind bislang sechs Menschen, bei denen unter anderem eine Myokarditis festgestellt wurde, in zeitlichem Zusammenhang mit einer COVID-19-Impfung mit Comirnaty® verstorben – alle waren älter beziehungsweise hochbetagt (56 bis 90 Jahre), und fünf hatten bereits sicher zuvor an Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelitten, „die als Todesursache in Fragen kommen“, erklärt das PEI. Ein 70 Jahre alter Patient verstarb Daten des PEI zufolge zwei Tage nach einer Vaxzevria®-Impfung an einem septischen Schock, akutem Nierenversagen und Myokarditis. Allerdings fehlten weitere Informationen zu Vorerkrankungen und Begleitmedikation, sodass der Fall nicht abschließend bewertet werden könne.
Häufig milder Verlauf
Ein Drittel der Patienten sei zum Zeitpunkt der Meldung wieder genesen gewesen oder es wurde über einen deutlich gebesserten Gesundheitszustand berichtet. Allerdings fehlen bei vielen Patienten – 53 von 90 – Daten zum Ausgang der Erkrankung oder sie waren noch nicht vollständig gesundet. Doch meldet das PEI Positives: „Sofern der Verlauf der Erkrankung ausreichend dokumentiert wurde, sprachen die Patientinnen und Patienten, die zur medizinischen Versorgung vorgestellt wurden, zumeist gut auf Medikamente und Ruhe an und zeigten rasche Besserung der Symptome“, liest man im Sicherheitsbericht vom Juni. Auch diese Daten decken sich mit internationalen Beobachtungen: „Die meisten Fälle waren jedoch mild und klangen innerhalb weniger Wochen ab, was typisch für eine Myokarditis ist“, erklären die israelischen Wissenschaftler in „Science“. Und auch der Arbeitsgruppe des CDC zufolge „scheinen die meisten Verläufe mild“.
Genauer hinschauen
Das PEI rät, dass bei Auftreten von Symptomen wie akuten Brustschmerzen, Kurzatmigkeit oder Herzklopfen nach COVID-19-Impfungen die Patienten genauer auf eine Myo- oder Perikarditis untersucht werden sollen. Vor allem bei jungen Erwachsenen sei es unwahrscheinlicher, dass andere Herzerkrankungen oder -ereignisse für die Symptome verantwortlich zeichneten. Zudem sollten bei Vorliegen einer Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung weitere mögliche Ursachen abgeklärt werden: Liegt vielleicht eine Infektion vor – auch mit SARS-CoV-2? Gibt es rheumatische Ursachen?
Kein Risikosignal
Trotz dieser Meldungen zu Myokarditiden und Perikarditiden erkennt das Paul-Ehrlich-Institut kein Risikosignal, auch wenn auffalle, dass vorwiegend jüngere Menschen betroffen sind, die aufgrund der Impfpriorisierung jedoch nicht die größte Impfgruppe ausmachen dürften. Leider könne man nicht feststellen, ob die aufgetretenen Fälle von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen nach COVID-19-Impfung häufiger aufträten als ohnehin in dieser Altersgruppe zu erwarten. Allerdings geht das PEI von einer hohen Dunkelziffer aus, da insbesondere milde Verläufe erst gar nicht erfasst und gemeldet würden.