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Migräne: Triptane sind erste und beste Wahl

Frau fasst sich mit den Händen seitlich an den Kopf
Eine Migräne ist meist durch starke, pochende Schmerzen, die oft nur auf einer Seite des Kopfes auftreten, gekennzeichnet. | Bild: Graphicroyalty / AdobeStock

Migräne-Arzneimittel sollen Migräne-bedingte Kopfschmerzen schnell und anhaltend lindern und die Patienten bestenfalls schmerzfrei machen. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) sind bei leichteren Attacken zunächst die Schmerzmittel der Wahl. Bei mittelschweren bis schweren Attacken und wenn NSAR unzureichend wirken, raten die Leitlinienautoren der S1-Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“gültig bis 31.12.2026  in der Akutbehandlung zu Triptanen

Die neuen Migräne-Wirkstoffe – Lasmiditan (Rayvow®) und Rimegepant (Vydura®, in Deutschland nicht auf dem Markt) – stehen akuttherapeutisch hinter den Triptanen. Lasmiditan (5HT1F-Rezeptoragonist) ist vor allem für Migränepatienten mit Triptan-Kontraindikationen eine Option, auch Rimegepant (CGRP-Rezeptorantagonist) zeigt keine vasokonstriktiven Eigenschaften.

Allerdings fiel es den Leitlinienautoren bei Überarbeitung der Leitlinie im Jahre 2022 schwer, die neuen Wirkstoffe einzuordnen. Denn – und das bemängelte auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bei der frühen Nutzenbewertung von Lasmiditan – es fehlten Studien, die Triptane oder NSAR direkt mit Lasmiditan verglichen hätten.

Akutmedikamente bei Migräne mit Placebo verglichen 

Nun gibt es diesen Vergleich: In einem systematischen ReviewThe BMJ: "Comparative effects of drug interventions for the acute management of migraine episodes in adults: systematic review and network meta-analysis"; Stand: 07/2024  analysierte ein internationales Forscherteam – mit dabei auch Professor Hans-Christoph Diener, Direktor der Abteilung für Neuroepidemiologie an der Universität Duisburg-Essen und Federführender der deutschen Migräne-Leitlinie – 137 doppelblinde, randomisierte, kontrollierte Studien (Head-to-Head oder Placebo-kontrolliert) an erwachsenen Migränepatienten. 

Die insgesamt 89.445 Patienten hatten entweder ein zur Akuttherapie zugelassenes Migräne-Arzneimittel erhalten (62.682 Patienten) oder Placebo (26.763 Patienten). Die Wissenschaftler teilten die 17 untersuchten Akuttherapie-Wirkstoffe in fünf Gruppen auf:

  • Antipyretika: Paracetamol
  • Ditane: Lasmiditan
  • Gepante: Rimegepant, Ubrogepant (zugelassen in den USA)
  • NSAR: Acetylsalicylsäure, Celecoxib, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Phenazon
  • Triptane: Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan

Migräne-Arzneimittel schneiden besser ab als Placebo

Die Wissenschaftler interessierten sich primär dafür, wie viele Patienten zwei Stunden nach Anwendung der Akuttherapie schmerzfrei waren und bei wie vielen diese Schmerzfreiheit über 24 Stunden bestehen blieb – und zwar ohne, dass sie zusätzlich Notfallmedikamente einnehmen mussten (primäre Endpunkte).

Die erste wichtige Botschaft: Alles ist besser als nichts – jeder der untersuchten Wirkstoffe war wirksamer als Placebo (Schmerzfreiheit nach zwei Stunden): Die relative Chance für Migränepatienten, zwei Stunden nach Arzneimittelanwendung ohne Schmerzen zu sein, war 

  • für Naratriptan 1,73-mal höher als für Placebo (Odds-Ratio für Naratriptan 1,73 (95-%-KI 1,27–2,34)),
  • für Eletriptan sogar 5,19-mal höher als für Placebo (Odds-Ratio für Eletriptan 5,19 (95-%-KI 4,25 – 6,33)).

Die meisten Migräne-Arzneimittel sorgten auch für eine anhaltende Schmerzfreiheit 24 Stunden nach Anwendung – bis auf Paracetamol und Naratriptan. Die relative Chance für eine 24-stündige Schmerzfreiheit war für Celecoxib am niedrigsten, jedoch noch 1,71-mal höher als für Placebo und für Ibuprofen mit einer Odds-Ratio von 7,58 am höchsten.

Eletriptan wirkt am besten und schnellsten

Doch welcher Wirkstoff schnitt in den Head-to-Head-Studien am besten ab? Am wirksamsten war Eletriptan: Eletriptan wirkte schnell (Schmerzfreiheit zwei Stunden nach Einnahme) – gefolgt von Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan. 

Das deckt sich mit den Aussagen in der Migräne-Leitlinie, der zufolge Eletriptan und Rizatriptan „die am schnellsten wirksamen oralen Triptane“ sind. 

Auch bei der anhaltenden Schmerzfreiheit 24 Stunden nach Anwendung war Eletriptan in der aktuellen Metaanalyse am effektivsten, gefolgt von dem NSAR Ibuprofen.

Lasmiditan zeigt verschiedene Nebenwirkungen

Neben der Wirksamkeit bestimmt die Verträglichkeit den Stellenwert von Arzneimitteln: 

Unter Lasmiditan, Eletriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan kam es häufiger zu Schwindel. Müdigkeit war öfter mit Eletriptan und Lasmiditan assoziiert. Parästhesien (krankhafte Empfindung auf der Haut) traten unter Lasmiditan, Sumatriptan und Zolmitriptan am häufigsten auf. 

Übelkeit wurde vor allem unter Lasmiditan, Sumatriptan, Zolmitriptan und Ubrogepant beobachtet. Eletriptan war zudem als einziges Arzneimittel häufiger mit Brustschmerzen verbunden. 

Als gut verträglich erwies sich Paracetamol. Seine Rolle als mögliche Migränebehandlung für Patienten, für die eine Schmerzlinderung und ein geringes Risiko für Nebenwirkungen maßgeblich sind, wurde bestätigt.

Lasmiditan und Rimegepant nicht besser als NSAR

„Unsere Ergebnisse zeigten, dass einige Triptane – nämlich Eletriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan – die günstigsten Gesamtprofile in Bezug auf Wirksamkeit und Verträglichkeit aufwiesen. Diese vier Triptane waren wirksamer als die zuletzt auf den Markt gebrachten Arzneimittel Lasmiditan, Rimegepant und Ubrogepant, die nach unseren Ergebnissen eine mit der von Paracetamol und den meisten NSAR vergleichbare Wirksamkeit zeigten“, erklären die Studienautoren. 

Lasmiditan verursache zudem häufiger unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) als NSAR. Die Einschränkung der FDA, acht Stunden nach Anwendung von Lasmiditan kein Fahrzeug zu führen, unterstreiche die erheblichen Nebenwirkungen – Schwindel, Parästhesie, Sedierung – und die Probleme bei Einnahme des innovativen Migräne-Arzneimittels.

Migräne-Arzneimittel: Lasmiditan und Rimegepant an dritter Stelle

Die publizierten Ergebnisse könnten künftige Migräne-Leitlinien prägen. Es wird klar: Die Studienautoren halten anhand ihrer Forschung Triptane nach wie vor für die „Behandlung der Wahl“ bei akuten Migräneattacken. Für Migränepatienten von zentraler Bedeutung sei eine schnelle und anhaltende Schmerzfreiheit, und das könnten die selektiven 5HT1B/1D-Rezeptoragonisten leisten. 

Neue Wirkstoffe, wie Lasmiditan und Rimegepant, platzieren die Migräne-Experten aufgrund ihrer hohen Kosten sowie der erheblichen Nebenwirkungen von Lasmiditan erst an die dritte Stelle im Therapiebaum – nach „den weniger teuren und ähnlich wirksamen Zweitlinienoptionen wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure, Diclofenac-Kalium“. 

Auch die beiden Triptane Almotriptan und Frovatriptan sehen die Wissenschaftler als Mittel der zweiten Wahl.

Forderung: Triptane breiter einsetzen

Das Potenzial der Triptane ist den Studienautoren zufolge nicht ausgeschöpft: In den Vereinigten StaatenNational Library of Medicine: "Diagnosis, consultation, treatment, and impact of migraine in the US: Results of the OVERCOME (US) study"; Stand: 01/2022  erhalten 16,8 bis 22,7 Prozent der Migränepatienten ein Triptan. In EuropaNational Library of Medicine: "Poor medical care for people with migraine in Europe – evidence from the Eurolight study"; Stand: 02/2018  liegt der derzeitige Einsatz von Triptanen bei noch geringeren 3,4 bis 22,5 Prozent. 

Die Studienautoren befürworten, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die wirksamsten Triptane in ihre Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufnimmt – derzeit steht dort lediglich Sumatriptan–, um die Migräne-Arzneimittel weltweit zugänglich zu machen. 

Nicht zuletzt seien der eingeschränkte Zugang und die unzureichende Nutzung von Triptanen „verpasste Möglichkeiten“, Migränepatienten qualitativ besser zu versorgen.