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Mundtrockenheit durch Medikamente: Was hilft?

Frau schiebt sich Tablette in den Mund
Neben einer unzureichenden Trinkmenge, vermehrtem Schwitzen oder Fieber können auch bestimmte Grunderkrankungen und vor allem einige Wirkstoffgruppen zu Mundtrockenheit führen. | Bild: fizkes / AdobeStock

Produzieren die Speicheldrüsen nicht ausreichend Flüssigkeit, kommt es zur Austrocknung im Mundraum. Betroffene haben folglich Probleme beim Schlucken, Sprechen und sogar beim Schlafen. 

Ein dauerhaft trockener Mund kann im Rahmen des Älterwerdens auftreten, da die physiologische Speichelproduktion abnimmt, er kann aber auch oder zusätzlich andere Ursachen haben. 

Einer der häufigsten Gründe ist eine medikamentöse Behandlung von Grunderkrankungen. Welche Wirkstoffe sorgen für einen ausgetrockneten Mund? Und was gibt es bei der Beratung zu wissen?

Was genau ist Mundtrockenheit?

Mundtrockenheit, auch Xerostomie genannt, entsteht, wenn die Speicheldrüsen zu wenig Speichel produzieren. Die Schleimhäute werden trocken und der verbliebene Speichel zäh. Zunge und Zähne werden nicht mehr umspült. Das kann sowohl Auswirkungen auf die Mundschleimhaut und Zunge als auch auf die Zahngesundheit haben. 

Bei einer normalen Speichelproduktion können sich Bakterien und Pilze nicht gut vermehren, sie werden weggespült und von der Magensäure verdaut. Zähne und Zahnfleisch werden durch den Speichel gereinigt, zudem sorgt er für eine Remineralisierung der Zähne und ist somit ein wichtiger Faktor in der Kariesprophylaxe

Trocknet der Mund durch eine gehemmte Speichelproduktion mehr und mehr aus, können Geschmacksstörungen, Schluckprobleme, Schwierigkeiten beim Sprechen, Mundgeruch, aber auch Schmerzen und Brennen durch entzündliche Veränderungen der Mundschleimhaut und daraus resultierende Schlafprobleme die Folge sein. 

Durch die Mundtrockenheit können infektionsbedingte Probleme wie Pilzbefall, Karies oder Zahnfleischerkrankungen bis hin zum Zahnverlust entstehen.

Wie entsteht Mundtrockenheit?

Ein ausgetrockneter Mund kann durch unzureichende Trinkmengen, verstärktes Schwitzen oder auch durch Fieber oder Nervosität schnell entstehen und ist kein Grund zur Sorge. 

Anders sieht es mit dauerhaft anhaltender Mundtrockenheit aus, mit der vor allem ältere Menschen zu kämpfen haben. Neben der reduzierten Speichelmenge können Erkrankungen wie z. B. Diabetes mellitus diese noch verstärken. 

Mit zunehmendem Alter steigt auch die Wahrscheinlichkeit, ein oder häufig mehrere Medikamente einnehmen zu müssen. Arzneimittel sind einer der Hauptauslöser für eine verminderte Speichelproduktion.

Gut zu wissen: Weitere Ursachen von Mundtrockenheit

  • Austrocknung durch Mundatmung/Schnarchen
  • Angstzustände und chronischer Stress → gedrosselte Speichelproduktion möglich
  • bestimmte Stoffwechsel- oder Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom oder Sklerodermie
  • Strahlentherapien im Kopf-Hals-Bereich (oft liegen die Speicheldrüsen im Strahlengang und werden beschädigt)
  • Chemotherapie
  • anhaltender Flüssigkeitsmangel
  • Hormonveränderungen durch Schwangerschaft oder Wechseljahre (Klimakterium)
  • Entzündung der Speicheldrüsen/Speicheldrüsentumor/Speichelsteine

Welche Wirkstoffe vermindern die Speichelproduktion?

Mundtrockenheit wird als unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) bei circa 400 Wirkstoffen beobachtet. Besonders Arzneimittel, die zentral wirksam sind und/oder den Botenstoff Acetylcholin blockieren, sind prädestiniert, die Speichelproduktion massiv zu hemmen. 

Zur Erinnerung: Was ist Acetylcholin?

Acetylcholin ist einer der wichtigsten Neurotransmitter im Parasympathikus. Im Ruhemodus des Körpers steigt die Produktion von Körperflüssigkeiten (Parasympathikus = „alles fließt“). Im Gegensatz dazu wird im Sympathikus („fight-or-flight“ zu Deutsch Kampf oder Flucht) die Produktion erstmal gedrosselt, weil der Körper im „Überlebensmodus“ ist. 

Wird jetzt der Hauptstoff des Ruhemodus Acetylcholin an den parasympathischen Nerven gehemmt, wird dadurch unter anderem nicht mehr ausreichend Speichel aus den Drüsen freigegeben.

Zu den wichtigsten Wirkstoffklassen, die Mundtrockenheit auslösen können, zählen:

  • Anticholinergika wie z. B. Atropin oder Butyl/-Scopolamin
  • Antidepressiva z. B. Amitriptylin, Bupropion, Trimipramin, Reboxetin
  • Neuroleptika wie z. B. Ziprasidon, Sulpirid, Melperon, Risperidon
  • Antihypertensiva wie ACE-Hemmer und Betablocker, auch Moxonidin
  • Diuretika, besonders Hydrochlorothiazid (HCT) und Furosemid
  • Alpha-Blocker wie Tamsulosin
  • Antihistaminika
  • Glucocorticoide (inhalativ) und ß2-Sympathomimetika
  • Schlaf- und Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine und Z-Substanzen (z. B. Zopiclon)
  • Starke Schmerzmittel, Opioide
  • Antiparkinsonmittel
  • Antiemetika
  • Retinoide
  • Antiepileptika und Muskelrelaxantien
  • Chemotherapie

Wie häufig kommt es unter Arzneimitteln zur Mundtrockenheit?

Circa 80 Prozent der meistverordneten Medikamente zählen zu einer dieser Wirkstoffklassen und verursachen eine Hyposalivation – also verminderten Speichelfluss – in mehr oder weniger starker Ausprägung. Der Effekt potenziert sich, wenn Betroffene mehrere dieser xerogenen, also austrocknenden Wirkstoffe einnehmen müssen. Auch Augen- und Nasenschleimhäute können zusätzlich davon betroffen sein. 

Das Xerostomie-Risiko steigt circa linear zur Anzahl eingenommener Medikamente. Bei fünf verschiedenen Wirkstoffen täglich liegt das Risiko, eine Mundtrockenheit zu entwickeln, schon bei 50 Prozent. 

Stichwort: Polymedikation im Alter – 44 Prozent der über 65-Jährigen nehmen in Deutschland tagtäglich fünf oder mehr verschreibungspflichtige Arzneimittel ein. Die Chance, dass in der Apotheke auch Kunden stehen, die unter ihrer Medikation mit starker Mundtrockenheit zu kämpfen haben, ist demnach groß.

Medikamente, Akupunktur & Leinsamen gegen die Mundtrockenheit

Prinzipiell sollten Betroffene, die unter starker und/oder anhaltender Mundtrockenheit leiden, einen Zahn-, HNO- oder Allgemeinarzt konsultieren. Denn der menschliche Speichel lässt sich nur schwer ersetzen. 

Eine Linderung der Beschwerden kann unter Umständen mehrere Maßnahmen erfordern. Auch verschreibungspflichtige Arzneimittel gegen Mundtrockenheit, wie z. B. Pilocarpin, können unter Umständen nötig sein. 

Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, die Milderung verschaffen können: Studien haben gezeigt, dass Akupunktur die subjektive Wahrnehmung und auch die objektive Ausprägung der Xerostomie lindern kann. 

Auch eine Spülung mit Leinsamenextrakt kann die Symptomatik verbessern.

Bei Mundtrockenheit: Speichelersatzprodukte aus der Apotheke

Den größten Posten der Produktpalette gegen Mundtrockenheit nehmen die Speichelersatzprodukte ein. Sie bilden einen Film auf der Mund- und Rachenschleimhaut aus, um so das Sprechen, Essen und Schlucken zu erleichtern. 

Speichelersatzprodukte aus der Apotheke gibt es in Form von 

  • Mundsprays (z. B. von Aldiamed®, Saseem® GUM®, LipoSalvia® u. v. m.),
  • als Mundspüllösungen (z. B. Aldiamed®, Glandosane®)
  • Mundgele (z. B. von Aldiamed®, GUM® HYDRAL®)
  • und Lutschtabletten (z. B. ipalat® HydroMed, GUM® Periobalance).

Die Produktpalette ist dabei groß und das Prinzip ähnelt sich. Der Speichelersatz besteht in der Regel aus Gelbildnern, die an der Schleimhaut haften, und enthält zusätzliche Wirk- und Hilfsstoffe zur pH-Wert-Einstellung und zum Feuchthalten. Auch Pflegestoffe oder Probiotika finden sich in einigen Produkten. 

Trotz der guten Bemühungen der Hersteller gibt es bisher kein Präparat, das den menschlichen Speichel komplett substituieren kann.

Tipps für die Beratung: Verhaltens- und Ernährungsempfehlung bei Mundtrockenheit

  • Ausreichend trinken, am besten regelmäßig und kleine Schlucke.
  • Eiswürfel oder zuckerfreie Bonbons lutschen bzw. Zahnpflegekaugummi kauen.
  • Strenge Mundhygiene einhalten und mindestens zweimal jährlich zum Zahnarzt.
  • Alkohol und Zigaretten, aber auch Kohlensäure, Koffein, viel Säure, Schärfe, Salz und Zucker sollten gemieden werden.
  • Ungesüßten Tee mit etwas Zitrone oder leichte stille Saftschorlen bevorzugen, auch gekühlt geeignet.
  • Stark wässriges Obst und Gemüse bevorzugen.
  • Sehr trockene Lebensmittel meiden bzw. mit viel Soße/Aufstrich genießen.
  • Vollfettvarianten (Milch, Butter, Sahne) verwenden, da sie die Gleitfähigkeit erhöhen und eine hohe Kalorienzufuhr bei Essproblemen sichern.

Quellen:
- https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Supportivtherapie/LL_Supportiv_Langversion_1.1.pdf
- https://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Leitlinie_Mundpflege_in_der_letzten_Lebensphase_end.pdf
- https://advances.umw.edu.pl/pdf/2016/25/1/199.pdf
- https://link.springer.com/article/10.1007/s00106-015-0015-8
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-5-2018/ausgetrocknet