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Benzodiazepine: Kognitive Beeinträchtigungen möglich

Eine langfristige Einnahme von Benzodiazepinen kann die Leistungsfähigkeit des Gehirns beeinträchtigen. | Bild: Pixel-Shot / AdobeStock

Eine langfristige Einnahme von Benzodiazepinen begünstigt einen Abbau von Nervenverbindungen im Gehirn. Vor allem ältere Menschen können dadurch in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sein. Untersuchungen der Wissenschaftler um Prof. Jochen Herms und Dr. Mario Dorostkar von der Ludwig-Maximilians-Universität München haben dazu nun neue Erkenntnisse geliefert. 

Was sind Benzodiazepine und wann werden sie eingesetzt?

Die Wirkstoffgruppe der Benzodiazepine wird zur Therapie von Angstzuständen, Panikattacken sowie bei Schlafstörungen eingesetzt. Sie wirken bekanntermaßen anxiolytisch, sedativ, muskelrelaxierend und antikonvulsiv. 

Die Arzneistoffe entfalten ihre Wirkung am Gamma-Aminobuttersäure-System (GABA), indem sie die hemmende Funktion entsprechender Neurone verstärken. Dieser Effekt beruht darauf, dass die Benzodiazepine für eine verbesserte Bindungsfähigkeit von GABA am Rezeptor und damit für eine stärkere Wirkung sorgen. 

Abhängigkeit und kognitive Beeinträchtigungen möglich

Der kurzzeitige Einsatz von Benzodiazepinen gilt als sicher, ihre langfristige Einnahme kann allerdings sowohl psychisch als auch physisch abhängig machen. Bei plötzlichem Absetzen kommt es meist zu Entzugserscheinungen. Vor allem bei älteren Menschen kann eine chronische Anwendung auch zu kognitiven Beeinträchtigungen führen. Wie diese Veränderungen allerdings zustande kommen, war bisher unklar. 

In Versuchen an Mäusen haben die Forscher nun erstmals eine mögliche Erklärung für diesen geistigen Abbau gefunden, die Ergebnisse dazu sind in der renommierten Zeitschrift „Nature“ erschienen. 

Wie wirken Benzodiazepine?

In allen Regionen des Gehirns sind mit den Mikrogliazellen teilungsfähige Zellen des Nervensystems zu finden. Sie sind ein wichtiger Teil der Immunabwehr des zentralen Nervensystems und verdauen mithilfe von Phagozytose nicht mehr benötigte Zellreste und Fremdkörper. 

Auf der Oberfläche dieser Mikroglia befindet sich ein sogenanntes Translokatorprotein. Die Benzodiazepine sind nun offensichtlich in der Lage, genau an dieses Protein zu binden. Infolgedessen wird der Spiegel eines weiteren Proteins (C1q) hochreguliert und es kommt zu einer verstärkten Phagozytose von synaptischem Material im Gehirn. 

Zur Erinnerung: Was ist eine Synapse?

 Eine Synapse ist eine Verbindung zwischen zwei Nervenzellen und dient deren Kommunikation untereinander.

Letztendlich sorgen die Benzodiazepine also dafür, dass die Mikrogliazellen dazu aktiviert werden, vorhandene Synapsen abzubauen. Bisher war zwar bekannt, dass die Mikroglia sowohl bei der Entwicklung des Gehirns als auch bei neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen. Für die Forscher war es aber dennoch überraschend, dass dieser Prozess der Beseitigung von Synapsen auch durch so gut untersuchte Arzneistoffe wie die Benzodiazepine beeinflusst werden kann. 

Forschung an Mäusen mit Diazepam

Für ihre Untersuchungen gaben die Forscher Mäusen über mehrere Wochen täglich eine schlaffördernde Dosis des Benzodiazepins Diazepam. Die Gedächtnisleistung der Tiere nahm in durchgeführten Tests daraufhin deutlich ab. Nach Absetzen der Medikamente hielten die Beeinträchtigungen zwar noch länger an, letztendlich erholten sich die kognitiven Leistungen der Mäuse aber nach einiger Zeit wieder. 

Um die Schlüsselstellung des Translokatorproteins zu zeigen, aktivierten die Wissenschaftler dieses Protein ohne den Einfluss von Benzodiazepinen. Dabei kam es ebenfalls zu einem Abbau von Synapsen im Gehirn. Bei genetisch veränderten Mäusen ohne Translokatorprotein kam es dagegen auch bei Diazepam-Gabe nicht zum Verlust von synaptischem Material. 

Benzodiazepine: Steigt das Risiko für Alzheimer?

Der entdeckte Einfluss der Benzodiazepine auf das Gehirn führt zwangsläufig zu der Frage, ob auch Erkrankungen wie Alzheimer durch die Einnahme dieser Wirkstoffe begünstigt werden. Bei solchen neurodegenerativen Erkrankungen kommt es zu einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen. Bisher gehen Forscher aber davon aus, dass die Einnahme von Benzodiazepinen kein Auslöser der Erkrankung ist. Vermutlich können sie aber den geistigen Abbau verstärken und Betroffene können im Vorstadium der Krankheit eher Symptome aufweisen. 

Erkenntnisse der Forschung zu Benzodiazepinen

Die Ergebnisse der Wissenschaftler könnten Auswirkungen auf die Therapie von Menschen mit erhöhtem Demenzrisiko haben. Diese sollten bei Angstzuständen und Schlafstörungen nach Möglichkeit mit Wirkstoffen behandelt werden, die keine Affinität zum Translokatorprotein haben. Zusätzlich kann die Beeinflussung der Mikrogliazellen durch dieses Protein ein möglicher Ansatz zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen sein. Bis es so weit ist, sind aber weitere Untersuchungen nötig. Quellen
https://www.spektrum.de/news/synapsen-gefahr-durch-benzodiazepine/2009806
https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffgruppen/benzodiazepine
https://www.lmu-klinikum.de/aktuelles/newsmeldungen/langfristiger-benzodiazepin-gebrauch-greift-synapsen-an/f92ec646237fc42c