So wirkt Amitriptylin
Amitriptylin gehört zu den tricyclischen Antidepressiva. Die chemische Struktur besteht aus einem Dreiringsystem mit einer aliphatischen tertiären Aminogruppe als Seitenkette.
Die Substanz ist bereits seit den 1960er Jahren als Arzneistoff auf dem Markt. Bis zum Einsatz der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer war Amitriptylin unter dem Handelsnamen Saroten® das meist verordnete Antidepressivum weltweit.
Obwohl zur Behandlung von depressiven Erkrankungen mittlerweile zahlreiche andere Wirkstoffgruppen favorisiert werden, zählt Amitriptylin immer noch zu den am häufigsten verschriebenen Psychopharmaka in Deutschland. Mittlerweile sind zahlreiche Generika erhältlich, das Originalpräparat wird nicht mehr produziert.
Wie wirkt Amitriptylin?
Amitriptylin blockiert die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin aus dem synaptischen Spalt. Dadurch unterbleibt die Inaktivierung dieser beiden Neurotransmitter und ihre Verfügbarkeit bleibt erhöht.
Zudem beeinflusst der Wirkstoff den Kreislauf von Acetylcholin im Gehirn. Die erhöhte Konzentration an Noradrenalin und Serotonin sowie die anticholinerge Wirkung führen zu einem dämpfenden und beruhigenden Effekt. Der antidepressive Effekt beruht wahrscheinlich darauf, dass bei längerer Einnahme der gestörte Neurotransmitterhaushalt wieder normalisiert wird.
Amitriptylin wird in Form seines Salzes Amitriptylin-hydrochlorid zur Behandlung von Depressionen angewandt, bei denen zusätzlich zur antidepressiven Wirkung eine beruhigende und angstlösende Wirkung gewünscht ist.
Als weiteren Effekt hemmt Amitriptylin spannungsabhängige Natrium-Kanäle sowohl zentral als auch im Rückenmark. Darauf beruht der Einsatz der Substanz bei neuropathischen Schmerzen.
Im Off-Label-Use wird Amitriptylin auch zur Therapie des Reizdarmsyndroms und bei Fibromyalgie eingesetzt. Der tatsächliche Wirkungsmechanismus von Amitriptylin ist aber weder für die antidepressive noch für die analgetische Wirkung geklärt.
Was sind neuropathische Schmerzen?
Schmerzen können im Körper aus unterschiedlichen Gründen entstehen. Normalerweise stellen sie ein Warnsignal dar. Bei einer Verletzung oder Entzündung kommt es zu Schmerzsignalen im betroffenen Bereich. Solche Schmerzen werden klassischerweise mit nichtsteroidalen Antirheumatika wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure und Diclofenac behandelt. Bei stärkeren Schmerzen kommen auch Opioide wie Morphin zum Einsatz.
Schmerzen können aber auch auf Fehlfunktionen in Nervenverbindungen beruhen, in solchen Fällen sind die oben genannten Schmerzmittel wirkungslos. Solche neuropathischen Schmerzen werden durch eine Schädigung an schmerzleitenden Neuronen ausgelöst.
Als Ursache hierfür kommen verschiedene Auslöser in Betracht: Eine mechanische Einengung der Nerven wie bei einem Bandscheibenvorfall kann die Funktion beeinträchtigen, auch Virusinfektionen wie Gürtelrose können die Neuronen schädigen. Ebenfalls gelten Diabetes mellitus und Durchblutungsstörungen als Auslöser neuropathischer Schmerzen.
Amitriptylin – unterschiedliche Dosierung je nach Indikation
Die Dosierung von Amitriptylin unterscheidet sich je nach Einsatzgebiet. Übliche Indikationen sind dabei:
- Zur Behandlung einer Depression:
Die Einzeldosis liegt zunächst meist bei 25 mg zweimal täglich (Tagesdosis 50 mg) und kann im Laufe der Therapie auf 75 mg zweimal täglich (Tagesdosis 150 mg) gesteigert werden. Mit einer antidepressiven Wirkung ist nach zwei bis vier Wochen zu rechnen. Die Behandlung erfolgt üblicherweise bis zu sechs Monate nach Abklingen der Beschwerden.
Präparatebeispiele: Amineurin® 25 mg Filmtabletten, Amitriptylin-neuraxpharm® 50 mg überzogene Tabletten, Amitriptylin-CT 75 mg Tabletten
- Zur Behandlung neuropathischer Schmerzen:
Die Einzeldosis liegt zu Beginn der Behandlung vorwiegend bei einmal täglich 10 mg am Abend und kann auf eine Höchstdosis von einmal täglich 75 mg am Abend gesteigert werden. Die analgetische Wirkung setzt ebenfalls nach zwei bis vier Wochen ein. Bei manchen Patienten kann eine Einnahme über mehrere Jahre erforderlich sein.
Präparatebeispiele: Amineurin® 10 mg Filmtabletten, Amitriptylin-neuraxpharm® 10 mg überzogene Tabletten.
Gut zu wissen: Neue Bezeichnung bei Amitriptylin-neuraxpharm®
Nach und nach erhalten alle Präparate von Amitriptylin-neuraxpharm® einen neuen Namen. Die Wirkstoffmenge bleibt dabei gleich, aber als Bezugsgröße gilt dann nicht mehr das Salz Amitriptylin-hydrochlorid, sondern die Base Amitriptylin.
Aus Amitriptylin-neuraxpharm® 75 mg überzogene Tabletten ist beispielsweise seit August 2023 das Präparat Amitriptylin-neuraxpharm® 66,25 mg überzogene Tabletten geworden. Grund für die Umbenennung war, dass es zwischen verschiedenen Herstellern uneinheitliche Angaben der Wirkstoffmenge gibt und es dann – besonders bei einem Wechsel des Präparats – leicht zu Fehlern in der Dosierung kommen kann.
Um solche potenziellen Fehlerquellen zu vermeiden, soll die Benennung entsprechender Fertigarzneimittel in Zukunft einheitlich sein. Als Bezugsgröße wird dann ausschließlich Amitriptylin dienen.
Wann darf Amitriptylin nicht eingesetzt werden?
Der Wirkstoff ist für Patienten, die vor kurzem einen Herzinfarkt hatten, nicht geeignet. Auch Herzrhythmusstörungen oder Durchblutungsstörungen am Herzmuskel stellen eine Kontraindikation dar. Bei schweren Lebererkrankungen darf Amitriptylin ebenfalls nicht eingesetzt werden.
Eine gemeinsame Anwendung des Wirkstoffs mit Monoaminooxidase-Hemmern wie Moclobemid darf wegen der Gefahr eines lebensgefährlichen Serotonin-Syndroms nicht erfolgen.
Welche Nebenwirkungen können unter Amitriptylin auftreten?
Neben dem Einfluss auf den Neurotransmitterhaushalt von Noradrenalin und Serotonin wirkt Amitriptylin auch antagonistisch an Histamin- und Acetylcholinrezeptoren. Daraus resultieren die typischen Nebenwirkungen der Substanz.
Wie bei zahlreichen anderen tricyclischen Antidepressiva kann es bei der Einnahme zu Mundtrockenheit, Schwindel und Müdigkeit kommen, auch Beschwerden im Magen-Darm-Bereich sind nicht selten. Diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen lassen aber mit der Zeit nach und sind vor allem zu Beginn der Therapie ausgeprägt.
Häufig kommt es bei der Einnahme von Amitriptylin auch zu einer Gewichtszunahme, was für die meisten Patienten besonders belastend ist.
Amitriptylin: Was ist für die Beratung wichtig?
Wird in der Apotheke eine Verordnung über Amitriptylin, gerade in niedriger Dosierung, vorgelegt, muss es sich also nicht zwangsläufig um die Behandlung einer Depression handeln. Der Patient sollte dabei passend zu seiner Indikation beraten werden.
Beim Einsatz von Amitriptylin zur Schmerztherapie sollte dem Patienten erklärt werden, dass der Wirkstoff ursprünglich zur Therapie von Depressionen entwickelt wurde, sich aber auch bei bestimmten Schmerzen bewährt hat. Bei der Behandlung von Schmerzen wirken Antidepressiva auch nicht stimmungsaufhellend. Zum einen werden sie deutlich niedriger dosiert, zum anderen helfen die meisten Antidepressiva nur dann, wenn tatsächlich eine depressive Erkrankung vorliegt.
Ein wichtiger Punkt in der Beratung ist auch der Wirkeintritt: Hier sollte unbedingt angesprochen werden, dass sowohl bei der antidepressiven Therapie als auch bei der Schmerzbehandlung Geduld gefragt ist. Eine stimmungsaufhellende Wirkung und auch die Schmerzlinderung setzen in der Regel erst nach zwei bis vier Wochen ein.
Das gilt allerdings nicht für möglicherweise auftretende Nebenwirkungen, diese sind meist vor allem am Anfang ausgeprägt und bessern sich im Laufe der Behandlung. Quellen:
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2024/daz-13-2024/ein-arzneistoff-zwei-indikationen
- https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-20-2020/amitriptylin-und-tricyclische-antidepressiva
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Amitriptylin_21901