„Ozempic-Babys“: Sicher verhüten unter Semaglutid
„Ozempic-Babys“, „Upps!-Babys“ oder „I got pregnant on Ozempic“ – derzeit machen Begriffe und Sätze wie diese in den sozialen Medien die Runde. Nachrichtenportale wie der „Tagesspiegel“ greifen sie mittlerweile auf.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie berichtet in ihren Kurznachrichten über den Social-Media-Trend: „In den sozialen Medien (TikTok, Facebook, Reddit u. a.) berichten zunehmend Frauen, dass sie unter Semaglutid (Ozempic/Wegovy) überraschend, ungeplant, oder auch unter Kontrazeptiva ungewollt schwanger wurden.“
Was steckt dahinter – und warum sind sogenannte Ozempic-Babys auch bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch nicht unbedingt ein Grund zur Freude?
Bei Kinderwunsch: Semaglutid muss abgesetzt werden
In der Fachinformation von Ozempic wird Frauen im gebärfähigen Alter ausdrücklich empfohlen, während der Behandlung mit Semaglutid (GLP-1-Agonist) eine Verhütungsmethode anzuwenden. Hintergrund dieser Empfehlung sind tierexperimentelle Studien, die eine Reproduktionstoxizität gezeigt haben. Wörtlich heißt es:
„Es liegen nur begrenzte Daten zur Anwendung von Semaglutid bei Schwangeren vor. Daher darf Semaglutid während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Möchte eine Patientin schwanger werden oder tritt eine Schwangerschaft ein, muss Semaglutid abgesetzt werden.“
Weiter ist nachzulesen, dass Semaglutid aufgrund der langen Halbwertszeit mindestens zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abgesetzt werden muss. In der Fachinformation von Wegovy stehen die gleichen Hinweise zur Schwangerschaft.
Zur Erinnerung: Wie wirken GLP-1-Rezeptoragonisten?
Als Analogon zum humanen Glucagon-like-Peptide (GLP-1) übernehmen Semaglutid und Co. die Funktionen von GLP-1 – unter anderem die Regulierung des Appetits und der Nahrungsaufnahme.
Semaglutid senkt glucoseabhängig den Blutzuckerspiegel und verlangsamt die Magenentleerung. Durch eine Verringerung des Appetits wird die Energieaufnahme und damit letztlich das Körpergewicht reduziert. Zusätzlich verringert Semaglutid die Vorliebe für fettige Speisen.
Eine anschauliche Erklärung zur Wirkung von Antidiabetika erhalten Sie in unserem Erklärvideo zu Diabetes mellitus Typ 2.
Während Ozempic bei Diabetes mellitus Typ 2 indiziert ist, darf Wegovy bei Adipositas eingesetzt werden. In der „S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie vor einer assistierten reproduktionsmedizinischen Behandlung (ART)“gültig bis 31.01.2024, derzeit in Überarbeitung kann man nachlesen, wie Adipositas und Diabetes die weibliche und männliche Fruchtbarkeit beeinflussen.
Übergewicht beeinflusst die Fruchtbarkeit
So soll es eine Assoziation zwischen erhöhtem BMI und reduzierter Spermaqualität des Mannes geben. Männern mit unerfülltem Kinderwunsch wird in der Leitlinie deshalb zu einer Gewichtsabnahme geraten.
Bei Frauen treten in den meisten Studien bei einem BMI > 27 kg/m² oder < 17 kg/m² häufiger Ovulationsstörungen und eine daraus folgende Unfruchtbarkeit (Infertilität) auf. Bei Adipositas soll auch bei regelmäßigen Zyklen die Schwangerschaftsrate erniedrigt und die Zeit bis zum Schwangerschaftseintritt erhöht sein. Wörtlich heißt es:
„Beobachtungsstudien zeigen nach nicht-chirurgischer und nach chirurgischer Gewichtsabnahme eine erhöhte Rate an Ovulationen und natürlichen Konzeptionen.“
Auch bei Infertilitätsbehandlungen haben adipöse Frauen laut Leitlinie schlechtere Schwangerschaftsraten und erhöhte Fehlgeburtenraten. Der negative Effekt der Adipositas soll dabei vor allem durch eine verminderte Eizellqualität zustande kommen.
Auch das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) ist häufig mit Adipositas assoziiert.
Wenn übergewichtige Paare unter Semaglutid-Therapie abnehmen und schwanger werden, so ist das also weniger eine Überraschung als vielmehr ein mögliches Risiko, auf das zu Behandlungsbeginn hingewiesen werden sollte.
Diabetes während der Schwangerschaft: Risiko für Fehlgeburt
Bei Diabetes sieht es laut Leitlinie ein wenig anders aus: Abhängig von der Blutzucker-Einstellung, dem Alter und Begleiterkrankungen soll die Aussicht auf eine Schwangerschaft bei diabetischen Frauen nicht verschlechtert sein. Jedoch gilt das Risiko für Fehlgeburten, Fehlbildungen und Totgeburten als erhöht – abhängig von der Blutzucker-Einstellung vor der Empfängnis.
In der Leitlinie wird empfohlen, dass Diabetikerinnen nur geplant unter normnaher Blutzucker-Einstellung (HbA1c < 6,5 %, vier bis acht Wochen vor der Empfängnis) schwanger werden sollten. Auch bei Männern könnte sich Diabetes negativ auf die Fertilität auswirken.
Wird Diabetes bei Kinderwunsch behandelt, ist also auch das erst einmal richtig. Allerdings sollte dann nicht Semaglutid eingesetzt werden, da es bei Schwangeren nicht untersucht wurde.
Diabetes und schwanger: Kein Semaglutid, eher Insulin
In der Schwangerschaft gelten bei Diabetes laut Embryotox Insulin aspart und Insulin lispro sowie Insulin detemir und Insulin glargin als Mittel der Wahl. Auch Metformin ist seit 2022 in der Schwangerschaft zugelassen.
Zu Wirkstoffen wie Semaglutid erklärt Embryotox: „Obwohl erste Daten zu den GLP-1-Agonisten und in geringerem Umfang auch für SGLT-2-Inhibitoren keinen Verdacht auf Embryotoxizität ergaben, reichen die Studien für eine differenzierte Risikobewertung nicht aus.“
Sichere Verhütung unter Semaglutid
Wer nun – auch ohne Kinderwunsch – sichergehen möchte, unter Semaglutid nicht schwanger zu werden, sollte bedenken, dass der Wirkstoff auch die Magenentleerung beeinflusst. Damit könnte theoretisch die Wirkung von oralen Kontrazeptiva gemindert werden.
„Daher wird von manchen Firmen empfohlen, dass dann, zumindest zu Beginn, zusätzlich zur Verhütung die männlichen Partner Kondome verwenden“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie in ihren Kurznachrichten.
Allerdings heißt es in der Fachinformation von Ozempic:
„Eine verminderte Wirkung oraler Kontrazeptiva durch Semaglutid wird nicht erwartet, da Semaglutid die Gesamtexposition von Ethinylestradiol und Levonorgestrel nicht in klinisch relevantem Maße veränderte, wenn ein orales Kombinationsarzneimittel zur Kontrazeption (0,03 mg Ethinylestradiol/0,15 mg Levonorgestrel) gemeinsam mit Semaglutid angewendet wurde.“
Laut dem „Tagesspiegel“ hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA mittlerweile Novo Nordisk aufgefordert, ein Register"The Wegovy Pregnancy Registry" einzurichten. Darin sollen Daten zu Schwangerschaften gesammelt werden, die während der Behandlung mit Ozempic oder Wegovy entstanden sind.