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„Sleepy Girl Mocktail“ als Einschlafhilfe?

Zwei Gläser mit Kirschsaft auf weißem Untergrund
Schädlich ist er kaum, aber auch nicht wirksam: Kirschsaft mit Magnesiumpulver. | Bild: Social-Media-Trend: happy_lark / AdobeStock

Viele Menschen plagen sich mit Einschlafproblemen und nehmen neue Tipps, wie sie endlich schneller und besser (ein)schlafen können, dankbar entgegen. Der neuste Trend ist ein Mix-Getränk aus Sauerkirschsaft, Magnesiumpulver und Limo oder Mineralwasser.  

In zahlreichen Videos auf diversen Social-Media-Plattformen zeigen junge Frauen, wie sie sich diesen alkoholfreien Drink mischen. Dieser soll den Schlaf fördern, ist schnell gemixt und wirkt deutlich hipper als eine Tasse Kamillentee. Doch hilft der „Sleepy Girl Mocktail“ tatsächlich beim Einschlafen?

Sleepy Girl Mocktail: Angaben im Rezept ungenau

Es kursieren zwar viele Anleitungen, wie das Einschlaf-Getränk gemischt werden soll, jedoch fehlen genaue Angaben zu den Inhaltsstoffen.  

Es bleibt meist unklar, welcher Sauerkirschsaft genau verwendet werden soll, und auch bei Magnesiumpulver gibt es große Unterschiede, die die Wirksamkeit beeinflussen können. Zudem werden unterschiedliche Mengenangaben und Mischverhältnisse angegeben.  

So bleibt nur ein Blick auf die einzelnen Bestandteile des Sleepy Girl Mocktails, um dessen Wirkung einschätzen zu können.

Sauerkirschsaft enthält sekundäre Pflanzenstoffe

Der Sauerkirschsaft enthalte sekundäre Pflanzenstoffe, die den Tryptophan-Abbau im Körper hemmen könnten, sodass mehr dieses Ausgangsstoffs für die Melatoninbildung zur Verfügung stehe, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Luisa Hardt vom Uniklinikum in Erlangen.  

Ernährungsmediziner Hans Hauner merkt jedoch an, dass diese nur in Mikrogrammmengen enthalten seien: „Die Konzentration ist so gering, dass eine Wirkung nicht plausibel ist.“ Zumal der Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen von Sauerkirschsaft zu Sauerkirschsaft nach Angaben von Hardt sehr stark schwanken kann.  

Studien zu dessen schlaffördernder Wirkung verwendeten meist Saft der Montmorency-Sauerkirsche, einer speziellen Sorte, die besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe und Melatonin enthalte, erläutert sie. Diese werde aber hauptsächlich in den USA und Kanada angebaut. Deshalb sei der Saft im Supermarkt hierzulande eher nicht erhältlich.

Außerdem kann es vorkommen, dass Menschen empfindlich auf die im Sauerkirschsaft enthaltene Säure reagieren. Dies kann zu Magen-Darm-Beschwerden führen und somit den Schlaf stören.  

Wird statt zum Direktsaft zu einem Nektar gegriffen, könnte der darin enthaltene Zucker nachteilige Effekte haben. Abends sollte man auf zuckerhaltige Getränke und Speisen verzichten, weil der Körper über Nacht sonst Insulin ausschütte, was langfristig eine Gewichtszunahme begünstigen könne, erklärt Hardt.

Magnesium: wichtiger Mineralstoff für den Körper

Die womöglich interessantere Zutat im Sleepy Girl Mocktail ist das Magnesiumpulver. Magnesium übernimmt eine wesentliche Aufgabe bei der Muskelkontraktion und der Nervenreizleitung im menschlichen Körper. Der Mineralstoff kontrolliert extrazellulär den Einstrom von Calcium in die Zellen und ist damit für den Ablauf von Kontraktionen und den Gefäßmuskeltonus wichtig.  

Über die Hemmung der Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin trägt Magnesium außerdem zur Stressabschirmung bei. Weiterhin ist Magnesium an der Knochenmineralisation beteiligt und somit für die Knochenfestigkeit wichtig. Als Cofaktor von Enzymen ist es an rund 600 enzymatischen Reaktionen beteiligt.  

Der Mineralstoff wird auch benötigt, um aus der Aminosäure Tryptophan das Hormon Melatonin zu bilden, welches bekanntermaßen den Schlaf-wach-Zyklus reguliert.  

Wie gut der Körper zugeführtes Magnesium aufnehmen kann, hängt jedoch unter anderem von der verwendeten Magnesiumverbindung ab. Im Allgemeinen werden organische Verbindungen besser aufgenommen als anorganische. In den Anweisungen zum Sleepy Girl Mocktail ist meist nicht genauer angegeben, welches Magnesium verwendet werden soll.

Magnesium-Supplementation unnötig

Der Ernährungsmediziner Hauner bezweifelt den Nutzen einer Magnesium-Supplementation: „Wir haben mit einer Durchschnittskost eigentlich keinen Magnesiummangel. Kein Mensch braucht das als Supplement, wenn er sich normal ernährt.“

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine tägliche Magnesiumzufuhr von 350 mg für Männer und 300 mg für Frauen. Da Magnesium in den meisten Lebensmitteln tierischer und pflanzlicher Herkunft enthalten ist, kann die Zufuhrempfehlung bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung gut erreicht werden. 

Vegetarier und Veganer sollten auf ihre Magnesiumzufuhr ein besonderes Augenmerk richten, da die Bioverfügbarkeit von Magnesium bei pflanzlichen Lebensmitteln etwas schlechter ist als bei tierischen.

Außerdem könne der Körper Magnesium besser in kleineren Mengen über den Tag verteilt aufnehmen als einmal in einer höheren Dosis, ergänzt Hardt. Nahrungsergänzungsmittel seien oft sehr hoch konzentriert und überschritten die vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlene Tageshöchstmenge von 250 Milligramm. „Das kann zu Magen-Darm-Beschwerden, vor allem Durchfällen, führen – was die Nachtruhe erheblich stören kann.“

Liegt ein Magnesiummangel vor, kann eine Supplementation nach ärztlicher Rücksprache sinnvoll sein. Davon betroffen sind häufiger Sportler sowie Patienten mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten, Asthma und Migräne.  

Zur Erinnerung: Symptome eines Magnesiummangels

  • Wadenkrämpfe (vor allem nachts)
  • Verspannungen der Hals-, Nacken- und Schultermuskulatur
  • Spannungskopfschmerzen
  • Zuckungen des Augenlids
  • Kribbeln in den Fingern
  • Magen-Darm-Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen
  • Herzrhythmusstörungen

Sleepy Girl Mocktail: wirkungslos, aber harmlos

Nach Einschätzung von Hans-Günter Weeß, Leiter des interdisziplinären Schlafzentrums des Pfalzklinikums in Klingenmünster in Rheinland-Pfalz, hat der Sleepy Girl Mocktail keinerlei Wirkung – zumindest, wenn man nur die Inhaltsstoffe betrachtet. „Was wir bei Menschen mit Schlafstörungen in Studien feststellen, ist, dass sie stark auf Placebos reagieren. Es könnte also sein, dass jemand eine Wirkung bei dem Drink spürt, wenn er fest daran glaubt“, erläutert Weeß.

Allein das Ritual, sich abends etwas Gutes zu tun und dabei zu entspannen, könne beim Einschlafen helfen. Deshalb sei der Sleepy Girl Mocktail möglicherweise zwar wirkungslos, aber auch harmlos im Gegensatz zu vielen anderen Produkten, die mit einer angeblichen schlaffördernden Wirkung werben und für die Betroffene zum Teil viel Geld ausgeben. Eine veritable Schlafstörung könne man mit so einem Getränk jedoch nicht behandeln, erklärt Weeß. Quelle: dpa