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Neue DiGA bei Borderline, Tabakkonsum und Ängsten

Frau hält Smartphone in Händen
Das Angebot des DiGA-Verzeichnisses wächst stetig. Jüngst sind Anwendungen bei Borderline-Persönlichkeitsstörung, Ängsten, Depressionen und Tabak-Abhängigkeit hinzugekommen. | Bild: sitthiphong / AdobeStock

Es gibt wieder Neues aus dem Verzeichnis der Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA): Fünf Anwendungen haben es jüngst in das Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geschafft. Künftig können diese somit zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden.

Doch während die App „kaia Rückenschmerzen“ den Nutzennachweis bereits erbringen konnte, steht dieser bei den anderen vier Anwendungen noch aus. Daher wurden „priovi“, „novego: Ängste überwinden“, „Smoke Free“ und „My7steps App“ zunächst nur vorläufig ins DiGA-Verzeichnis aufgenommen. Für wen sind diese vier Apps geeignet?

Zur Erinnerung: Was bedeutet „vorläufig aufgenommen“?

Sind bis auf den Nutzennachweis alle DiGA-Anforderungen erfüllt, kann eine vorläufige Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis beantragt werden. Stimmt das BfArM dem Antrag zu, erfolgt die vorläufige Aufnahme für 12 Monate. 

Kann in dieser Erprobungsphase der Nachweis für einen positiven Versorgungseffekt durch wissenschaftliche Studien erbracht werden, erfolgt die dauerhafte Aufnahme ins DiGA-Verzeichnis. Wird der Nachweis hingegen nicht erbracht, werden die Anwendungen wieder aus dem Verzeichnis gestrichen.

Priovi: Erste DiGA bei Borderline-Persönlichkeitsstörung

Mit den jüngsten Änderungen hat auch ein neues Indikationsgebiet ins DiGA-Verzeichnis Einzug gehalten: Für Erwachsene mit Borderline-Persönlichkeitsstörung steht künftig die Anwendung „Priovi“ bereit.  

Die Webanwendung basiert auf der kognitiven Verhaltenstherapie, insbesondere auf den Techniken der Schematherapie. Durch die Vermittlung von Hintergrundwissen, Methoden und Übungen sollen die Betroffenen beim Umgang mit ihren Emotionen unterstützt werden.

Gut zu wissen: Was ist die kognitive Verhaltenstherapie?

Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine etablierte und wissenschaftlich gut untersuchte Form der Psychotherapie. Sie folgt der Annahme, dass jedes Verhalten erlernt, aufrechterhalten und auch wieder verlernt werden kann, wobei unter Verhalten auch innere Vorgänge wie Gefühle und Gedanken einzuordnen sind. 

Die Schematherapie erweitert die KVT. Als Schema versteht man dabei ein erlerntes Muster, bestehend aus Gedanken, Gefühlen, Empfindungen und Erinnerungen, welches das Verhalten einer Person steuert. Im Rahmen der Schematherapie sollen diese Muster bewusst wahrgenommen und sodann verändert werden.

In zehn Modulen (à 30–90 Minuten) erfahren die Nutzenden z. B., welche möglichen Gründe es für die Borderline-Persönlichkeitsstörung gibt, welche typischen Verhaltensmuster unterschieden werden und wie mit diesen jeweils umgegangen werden kann.  

Die Webanwendung ist als virtueller Dialog aufgebaut. Nach kurzen Informationstexten können die Nutzenden aus mehreren Antwortmöglichkeiten auswählen und so den jeweiligen Schwerpunkt festlegen. Entsprechend der Auswahl wird der Dialog dann fortgesetzt. Ergänzt wird diese Hauptfunktion durch Fragebögen zur Verlaufskontrolle, Arbeitsblätter, Übungen, Audiodateien und Zusammenfassungen als PDF.

Priovi dient als Ergänzung zur sonst üblichen Therapie und kann von den Betroffenen eigenständig genutzt werden. Kontraindikationen bestehen keine, jedoch sollte die App nur von Personen angewendet werden, die mindestens mittelschwere Krankheitssymptome aufweisen.

Novego: Neue Anwendung bei Angststörungen

Den Namen Novego kennt man aus dem DiGA-Verzeichnis bereits: Seit Ende 2021 wird dort eine entsprechende Anwendung gegen Depressionen gelistet. Ende März kam nun ein Online-Programm zur Behandlung von Angststörungen hinzu. 

Gut zu wissen: Welche DiGA bei Angststörungen gibt es?

Neben Novego stehen bei Angststörungen aktuell fünf weitere DiGA zur Verfügung:  

Diese und weitere Anwendungen bei Angststörungen nahm Stiftung Warentest bereits 2021 unter die Lupe.

„Novego: Ängste überwinden“ basiert auf den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und zielt darauf ab, Angstsymptome zu reduzieren. In insgesamt sechs Modulen (à 45–60 Minuten) sollen die Nutzenden lernen, ihre Ängste besser zu verstehen, Auslöser und Anzeichen zu identifizieren und Ängste leichter überwinden zu können.  

Um die Programminhalte an die Nutzenden anzupassen, werden zu Beginn die jeweiligen Angstsymptome in einem Fragebogen erfasst. Daraufhin werden die entsprechenden Inhalte – bestehend aus Texten, Videos, Audios und interaktiven Übungen – individuell zusammengestellt. Für Verständnisfragen steht einmal pro Woche ein Support zur Verfügung, für akute Krisen kann zudem eine 24-h-Hotline genutzt werden.  

Die Web-Anwendung ist indiziert bei Erwachsenen mit Agoraphobie, sozialen Phobien, spezifischen Phobien oder Panikstörungen und eignet sich, laut Hersteller, sowohl zur Soforthilfe als auch zur Wartezeit-Überbrückung oder begleitend zur Psychotherapie. Allerdings sind hierbei zahlreiche Kontraindikationen zu beachten, z. B. Demenz und verschiedene Abhängigkeitssyndrome.

Smoke Free: Zweite App bei Tabak-Abhängigkeit

Auch für Betroffene von Tabak-Abhängigkeit hat das DiGA-Verzeichnis künftig eine weitere Anwendung in petto: „Smoke Free“. Die App basiert laut Hersteller auf der aktuellen S3-Leitlinie zur Tabakentwöhnung sowie den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation. Dabei kommen unter anderem Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und der operanten Konditionierung zum Einsatz. 

Gut zu wissen: Was ist die operante Konditionierung?

Bei der operanten Konditionierung handelt es sich um ein Lernprinzip, welches (bewusst oder unbewusst) oft bei der Erziehung zum Einsatz kommt. Dabei wird das erwünschte Verhalten mit angenehmen Erfahrungen, wie Lob oder einer Belohnung, verknüpft. Gleichzeitig kann auch ein unerwünschtes Verhalten mit eher unangenehmen Erfahrungen (z. B. Tadel) kombiniert werden.  

Das Prinzip folgt der Annahme, dass ein Mensch ein bestimmtes Verhalten öfter an den Tag legen wird, wenn dieses angenehme Konsequenzen für ihn hat.

Um den Rauchstopp zu erleichtern, kombiniert die App mehrere Ansätze:

  • Steigerung von Motivation und Selbstvertrauen
  • Aufbau einer positiven Nichtraucher-Identität
  • Strategien zum Umgang mit Verlangen und schwierigen Situationen
  • Änderung von typischen Gewohnheiten
  • Konstruktiver Umgang mit Rückfällen  

Technisch sind diese Ansätze in mehrere App-Funktionen verpackt: Ein Chatbot, der als virtueller „Coach“ ganztägig Unterstützung bietet, tägliche „Missionen“, eine Tagebuchfunktion und einen Community-Chat. Zur Steigerung der Motivation umfasst die Anwendung verschiedene Belohnungssysteme (Abzeichen, Zertifikate) und Erfolgsabbildungen, z. B. zur wiedererlangten Lebenszeit, gesundheitlichen Auswirkungen und finanziellen Einsparungen. Als kleine Besonderheit beinhaltet die App zudem ein Spiel, dass laut Anbieter vom Rauchverlangen ablenken soll.  

Für die Anwendung von „Smoke Free“ bestehen zwar keine Kontraindikationen, doch sollte die App bei begleitenden Süchten, psychiatrischen Erkrankungen, Suizidalität oder Demenz nicht angewendet werden. Interessierte können die App sieben Tage kostenfrei testen.

My7steps App: Webanwendung bei depressiven Episoden

Ebenfalls neu im Verzeichnis ist „My7Steps App“. Die Webanwendung erweitert das bereits aus fünf DiGA (deprexis, elona therapy Depression, edupression.com, Novego: Depressionen bewältigen, Selfapys Online-Kurs bei Depression) bestehende Angebot für Menschen mit depressiven Episoden.

My7Steps App ist – wie der Name bereits verrät – in sieben Schritte unterteilt. In diesen sollen die Nutzenden lernen, ihre eigene Situation einzuschätzen, Lösungswege zu erarbeiten und umzusetzen. Zu diesem Zweck umfasst die Anwendung Informationstexte, Video- und Audiodateien sowie Übungen und Aufgaben. Laut Hersteller passt sich die Anwendung dabei entsprechend der eingegebenen Antworten an.  

My7steps App ist kontraindiziert bei Schizophrenie, wahnhaften Störungen, akuten vorübergehenden psychotischen Störungen sowie schweren depressiven Episoden ohne psychotische Symptome. Ebenfalls ungeeignet ist die Anwendung bei Suizidversuchen in den letzten vier Wochen.