Grippeimpfstoff „überholt“ Corona-Impfstoff: Curevac: Klinische Studie mit mRNA-Grippeimpfstoff
Noch immer hat Curevac keinen COVID-19-Impfstoff zur Marktreife gebracht. Der erste COVID-19-Impfstoffkandidat CVnCoV floppte und schützte in klinischen Studien nur zu 48 Prozent vor COVID-19 jeglicher Schwere, sodass Curevac sich entschied, den Zulassungsantrag bei der EMA zurückzuziehen.
Stattdessen wollte man sich damals ganz der zweiten COVID-19-Impfstoffgeneration CV2CoV widmen – doch auch hier wartet man nach positiven präklinischen Daten noch auf den Beginn der klinischen Studien.
Studie mit Grippeimpfstoff gestartet
Anders beim Grippeimpfstoffkandidaten CVSQIV – hier geht es bei Curevac nun einen wichtigen Schritt voran. Wie das biopharmazeutische Unternehmen aus Tübingen vor wenigen Tagen informierte, hat der erste Teilnehmer in der nun gestarteten klinischen Studie (Phase 1) seine erste Grippeimpfdosis erhalten.
Die Studie läuft in Panama an 240 gesunden erwachsenen Teilnehmern. Ziel ist es, die Sicherheit, Wirksamkeit und Reaktogenität verschiedener Impfstoffdosen zu ermitteln. Die Studienteilnehmer erhalten CVSQIV in Dosen zwischen 3 µg und 28 µg.
CVSQIV ist allerdings keine „One-Man-Show“ – Curevac entwickelt den innovativen Grippeimpfstoffkandidaten in Zusammenarbeit mit GlaxoSmithKline (GSK), einem bekannten und großen Player bei Grippeimpfstoffen (Influsplit® Tetra).
Unmodifizierte mRNA der zweiten Generation
Curevac setzt bei CVSQIV wie auch bei seinen COVID-19-Impfstoffkandidaten auf die mRNA-Technologie. Der Grippeimpfstoffkandidat CVSQIV enthält „mehrere chemisch nicht-modifizierte mRNA-Konstrukte“, die eine Immunantwort gegen relevante Antigene von vier unterschiedlichen Grippe-Stämmen hervorrufen sollen.
Bei CVSQIV nutzt Curevac das mRNA-Rückgrat („Backbone“) der zweiten Generation, welches auch bei CV2CoV – also dem zweiten COVID-19-Impfstoffkandidaten aus Tübingen – zum Einsatz kommt. Verglichen mit dem ersten mRNA-Backbone im nicht zugelassenen CVnCoV hat Curevac die mRNA dafür weiter optimiert: Antigene sollen besser exprimiert werden, und es soll zu einer ausbalancierteren Immunantwort kommen.
Gleichgewicht zwischen Immunogenität und Verträglichkeit
Eine ausbalancierte Immunantwort – also eine ausreichende Impfwirkung einerseits, jedoch keine Überstimulierung des Immunsystems andererseits – könnte besonders wichtig für Curevac sein, denn: Curevacs mRNA ist chemisch nicht modifiziert (anders als die modifizierte mRNA, die Biontech/Pfizer und Moderna für ihre COVID-19-Impfstoffe einsetzen).
Chemisch nicht modifizierte mRNA wirkt von Natur aus immunogener als modifizierte mRNA – stimuliert das Immunsystem also eigentlich stärker, was bei Impfstoffen durchaus gewünscht sein kann. Allerdings: Chemisch nicht modifizierte mRNA ist auch unverträglicher für den Geimpften – woran Curevac beim ersten COVID-19-Impfstoffkandidaten wohl scheiterte.
Laut dem damaligen Studienleiter Professor Peter Kremsner von der Universitätsklinik Tübingen konnte der Corona-Impfstoff von Curevac in der klinischen Studie nicht höher als 12 µg dosiert werden: „Da waren wir – was die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes angeht – am Anschlag“, erklärte er damals im Interview mit der Redaktion. Leider waren die 12 µg CVnCoV dann aber zu wenig immunogen, um eine robuste Impfantwort bei den Geimpften auszulösen.
Curevac forscht auch an modifizierter mRNA
Allerdings orientiert sich Curevac beim mRNA-Backbone mittlerweile auch um, und zwar sowohl im Bereich der COVID-19-Impfstoffforschung wie auch bei der Entwicklung von innovativen Grippeimpfstoffen auf mRNA-Basis.
Denn: Curevac forscht gemeinsam mit GSK bei Infektionserkrankungen nun auch an modifizierter mRNA – noch in diesem Jahr soll das klinische Programm zu modifizierten mRNA-Grippe- und COVID-19-Impfstoffen anlaufen.
Wie weit ist die Konkurrenz bei mRNA-Grippeimpfstoffen?
Die Konkurrenz bei mRNA-Influenzavakzinen schläft derweil nicht: Auch Moderna, Biontech und Sanofi tüfteln an den innovativen Impfstoffen – erhofft man sich von mRNA-basierten Grippeimpfstoffen doch nicht nur eine bessere Wirksamkeit, sondern auch eine schnellere Anpassung an aktuell zirkulierende Stämme (Grippeviren sind äußerst mutationsfreudig) und raschere Produktion.
Die Nase vorn hat bei mRNA-Grippeimpfstoffen derzeit Moderna, das Unternehmen konnte im Dezember 2021 bereits erste Ergebnisse aus der klinischen Studie (Phase 1) bekannt geben: Der tetravalente Impfstoffkandidat mRNA-1010 erzeugte bei jüngeren und älteren Geimpften robuste Antikörperspiegel und erwies sich bis auf Schmerzen an der Injektionsstelle, axillare Schwellungen, Müdigkeit, Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen als gut verträglich.
Biontech/Pfizer und Sanofi sind noch nicht ganz so weit, dennoch laufen bei beiden Unternehmen ebenfalls bereits Phase-1-Studien zu den jeweiligen Grippeimpfstoffkandidaten (Biontech/Pfizer: BNT161; Sanofi: MRT5400 und MRT5401). Sanofis mRNA-Grippeimpfstoffkandidaten sind allerdings nicht vierfach, sondern einfach (monovalent), das heißt: Sie enthalten lediglich die mRNA-Information für einen Grippevirusstamm. Beide Impfstoffkandidaten sollen vor Influenza A(H3N2) schützen.