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Robuste Antikörper in Phase 1: Modernas mRNA-Grippeimpfstoff mausert sich

Die Phase-1-Studie zum neuen Grippeimpfstoff von Moderna liefert überzeugende Ergebnisse. | Bild: Trsakaoe / AdobeStock

Es geht voran bei mRNA-Impfstoffen. Auch beim Schutz vor Influenza gibt es bereits Fortschritte: Moderna informierte am 10. Dezember über die positiven Zwischenergebnisse der Phase-1-Studie zu seinem mRNA-Vierfachgrippeimpfstoffkandidaten. mRNA-1010 führte sowohl bei jüngeren Studienteilnehmern (Alter 18 bis 49 Jahre) wie auch bei älteren (ab 50 Jahren) zu einem robusten Anstieg von Antikörpern gegen die vier Grippestämme A(H1N1), A(H3N2), B-Victoria und B-Yamagata – und das bereits bei der geringsten untersuchten Dosierung (50 µg). Konkret betrug der mittlere geometrische Antikörpertiter (Antikörperspiegel) gegen

  • Influenza A(H1N1) bei Jüngeren 538, bei Älteren 310,
  • Influenza A(H3N2) bei Jüngeren 530, bei Älteren 263,
  • Influenza B-Victoria bei Jüngeren 261, bei Älteren 215,
  • Influenza B-Yamagata bei Jüngeren 467, bei Älteren 305.

Auffallend war, dass höhere Dosierungen (100 µg und 200 µg) mRNA-1010 die Antikörperantwort nur minimal beeinflussten, weswegen Moderna nun sogar noch geringere Impfstoffdosen untersucht: In der anschließenden Phase-2-Studie wird eine Teilnehmergruppe nur 25 µg mRNA-1010 erhalten. 

Die Phase-1-Studie im Überblick

In der ersten Phase der klinischen Studien untersuchte Moderna verschiedene Dosen von mRNA-1010 (50 µg, 100 µg und 200 µg) an jeweils 45 Studienteilnehmern und verglich Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffkandidaten an Tag 29 nach Impfung gegen Placebo (ebenfalls n = 45). 

Zudem unterteilte Moderna die unterschiedlichen Dosisgruppen weiter hinsichtlich ihres Alters, sodass etwa je die Hälfte der Teilnehmer zwischen 18 und 49 Jahre und die andere Hälfte 50 Jahre und älter waren. 

Vor allem bei älteren Menschen hapert es mit der Wirksamkeit von Grippeimpfstoffen, da ihr Immunsystem träge reagiert und ihre Impfantworten nur unzureichend ausfallen können. Allerdings zählen gerade ältere Menschen bei Grippe zu den Risikogruppen für schwere Erkrankungen. Deswegen sollten Grippeimpfstoffe bereits in Studien eine ausreichende Wirksamkeit insbesondere auch bei Älteren zeigen.

mRNA-1010: Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen

Wichtig neben der Wirksamkeit von Arzneimitteln ist auch stets ihre Verträglichkeit. Bislang traten bei den mit mRNA-1010 Geimpften keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf. Dennoch kam es zu lokalen und systemischen Reaktionen. 

Am häufigsten berichteten die Teilnehmer über Schmerzen an der Injektionsstelle, zudem wurden axillare Schwellungen beobachtet. Daneben traten Müdigkeit, Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen auf. 

Ältere Menschen scheinen den Impfstoff besser zu vertragen als jüngere – ein Phänomen, was auch bereits bei mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 beobachtet wurde.

Gut zu wissen: Wie funktioniert mRNA-1010?

Moderna setzt bei mRNA-1010 auf vier mRNA-Stränge. Die mRNA-Stränge enthalten den Bauplan für Hämagglutinin, ein Oberflächenprotein von Influenzaviren, das die Bindung des Virus an die menschliche Zelle vermittelt und so Voraussetzung für eine Infektion ist (ähnlich dem Spikeprotein auf der Oberfläche von SARS-CoV-2). 

Anders als bei bereits zugelassenen Influenzavakzinen – die ebenfalls auf Hämagglutinin setzen, das Protein aber direkt enthalten – enthält mRNA-1010 lediglich die Erbinformation für Hämagglutinin, der Körper produziert das eigentliche Antigen (Hämagglutinin) letztlich selbst.

Die Folge: Die Immunantwort wird stimuliert, sodass bei Kontakt mit Grippeviren das Immunsystem diese sofort erkennt, reagiert und die Erreger eliminiert.

mRNA-1010 im Vergleich mit anderem Grippeimpfstoff

Nach diesem Erfolg der ersten klinischen Studie an mRNA-1010 geht es direkt weiter in die Phase 2. Die Rekrutierung der 500 Teilnehmer konnte Moderna bereits im November abschließen. Mit ersten Ergebnissen rechnet das Unternehmen Anfang 2022. 

In der Phase-2-Studie macht Moderna manches anders als in Phase 1: Neben einer größeren Probandenzahl (500 statt 180) will man auch die Wirksamkeit und Sicherheit von mRNA-1010 in einer Dosierung von 25 µg untersuchen. 

Und: Geprüft wird nicht gegen Placebo, sondern gegen einen bereits zugelassenen Grippeimpfstoff. Mit diesem Head-to-Head-Konzept lässt sich direkt erkennen, ob die innovative mRNA-Influenzavakzine besser, gleich gut oder schlechter wirkt bzw. verträglich ist als bereits zugelassene Grippeimpfstoffe.

Modernas Weg zu noch besseren Grippeimpfstoffen

mRNA-1010 ist nicht das einzige Projekt, das Moderna bei Grippeimpfstoffen verfolgt. In der Tat plant das Unternehmen weitere Influenzavakzinen auf mRNA-Basis, die sodann die zirkulierenden Virusstämme noch breiter abdecken sollen (mRNA-1011, mRNA-1012).

Daneben will Moderna auch Grippeimpfstoffe entwickeln, die nicht nur den Bauplan für das Antigen Hämagglutinin enthalten, sondern auch für Neuraminidase. Neuraminidase ist eine weitere wichtige Struktur auf der Oberfläche von Grippeviren. Die in den menschlichen Zellen nach Infektion neu gebildeten Grippeviren benötigen sie, um sich von der Wirtszelle wieder zu lösen und weitere Zellen zu infizieren. 

Anders als Hämagglutinin, das äußerst variabel ist – was eine jährliche Anpassung der Grippeimpfstoffe auf die zirkulierenden Subtypen erfordert –, ist die Oberflächenstruktur Neuraminidase „stabiler“. Moderna erhofft sich dadurch eine verbesserte Wirksamkeit der Grippeimpfstoffe, wenn diese neben Hämagglutinin auch Neuraminidase adressieren würden. 

Bereits 2018 veröffentlichten Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) eine Arbeit, die genau das untersuchte: Ob bislang nicht Neuraminidase ein vernachlässigtes Antigen bei Grippeimpfstoffen gewesen sein könnte. Das PEI erklärte damals, dass „Neuraminidase-Antigene durchaus das Potenzial besitzen, einen Beitrag zur Entwicklung von Grippeimpfstoffen mit einem breiteren Schutz zu leisten“.

Kombination mit anderen Impfstoffen

Mit der Optimierung der mRNA-Grippeimpfstoffe will es Moderna nicht belassen. Wie schon früher angekündigt, verfolgt das Unternehmen weiter den Plan, einen „Atemwegsimpfstoff“ auf den Markt zu bringen, der den Schutz vor wichtigen Erregern kombiniert – Influenza plus COVID-19 plus RSV (Respiratorisches Synzytialvirus). 

Bislang gibt es gegen RSV nur eine passive Impfung mit Palivizumab, wobei die Forschung auch an aktiven Vakzinen über Fortschritte berichtet. Mit einem Dreifachimpfstoff und einer statt drei Injektionen ließen sich Kosten im Gesundheitssystem sparen und die Adhärenz der Geimpften fördern (müssen sie dann nur noch an einen Termin denken).

Sanofi, Biontech und Curevac forschen auch an mRNA-Grippeimpfstoffen

Die Idee zu mRNA-basierten Grippeimpfstoffen kam Moderna nicht allein. Auch Biontech/Pfizer, Curevac und Sanofi forschen an einem innovativen Influenzaschutz. 

Sanofi Pasteur setzt bei seinen beiden Impfstoffkandidaten MRT5400 und MRT5401 lediglich auf monovalente Vakzinen, die nur vor einem Grippevirussubtypen schützen – AH3N2. Die Erklärung Sanofis: A(H3N2)-dominierte Grippesaisons verliefen „tendenziell schwerwiegender“, vor allem bei Risikogruppen wie älteren Menschen und jüngeren Kindern. Beide Impfstoffkandidaten befinden sich bereits in Phase 1 der klinischen Studie (280 Erwachsene zwischen 18 und 49 Jahren). Die beiden Impfstoffkandidaten MRT5400 und MRT5401 unterscheiden sich laut Sanofi in den Lipidnanopartikeln, die die mRNA einschließen.

Biontech/Pfizer untersuchen ihren mRNA-Grippeimpfstoffkandidaten BNT161 ebenfalls bereits in der klinischen Phase 1. Curevac ist mit CV7301 noch nicht ganz so weit: Die präklinische Forschungsphase konnte das Tübinger Unternehmen beenden, laut der Homepage würde sodann die präklinische Entwicklung folgen.