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Wie weit ist man bei mRNA-Grippeimpfstoffen?

Nach den Corona-Impfstoffen soll es nun bald auch Grippeimpfstoffe auf mRNA-Basis geben. Welche Vorteile sollen diese haben? | Bild: vetre / Adobe Stock

Grippeimpfstoffe bestechen bislang nicht durch eine auffallend gute Wirksamkeit – hingegen die beiden zugelassenen mRNA-COVID-19-Impfstoffe von Biontech/Pfizer (Comirnaty®) und Moderna (Spikevax®) schon. Warum also nicht versuchen, die mRNA-Impfstofftechnologie auch für Influenzavakzinen zu nutzen? Diese Überlegung ist allerdings nicht erst mit der COVID-19-Pandemie aufgekommen, in der Tat tüftelten Impfstoffunternehmen teilweise schon vor Corona an mRNA-basierten Grippeimpfstoffen. Doch die Pandemie scheint dieser Forschung zumindest ordentlich Vorschub zu verleihen, denn: Moderna und Sanofi haben ihre mRNA-Grippeimpfstoffkandidaten nun in die erste klinische Phase am Menschen geschickt.

mRNA-1010: Modernas Vierfach-mRNA-Grippeimpfstoff

So informierte Moderna Anfang Juli, eine klinische Phase 1/2 gestartet zu haben und den ersten Studienteilnehmer mit mRNA-1010 geimpft zu haben. Bei mRNA-1010 handelt es sich um den Grippeimpfstoffkandidaten von Moderna, er soll vor vier Grippevirusstämmen schützen (tetravalente oder quadrivalente Grippevakzine), und zwar vor Influenza A(H1N1), A(H3N2) und vor den beiden B-Stämmen Victoria und Yamagata. Diese vier Stämme empfiehlt auch die Weltgesundheitsorganisation WHO.

Wirksamkeit und Verträglichkeit 

Die Studie läuft in den USA, teilnehmen dürfen gesunde Erwachsene. Insgesamt rechnet Moderna mit 180 Probanden. Ziel der Untersuchung ist es, die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von mRNA-1010 zu ermitteln. Allerdings hat Moderna noch Größeres vor als die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 und Influenza: Am liebsten würde Moderna die mRNA-Impfstofftechnologie so weit voranbringen, dass dank ihr auch gegen andere problematische Atemwegsviren geimpft werden kann. Moderna denkt dabei an RSV (Respiratory Syncytial Virus oder Respiratorisches Synzytial-Virus). RSV ähnelt von den Symptomen und auch der Saisonalität dem Influenzavirus, es zeichnet für ein breites Spektrum von Atemwegsinfektionen verantwortlich, die von leichten Symptomen bis zu schweren beatmungspflichtigen Pneumonien reichen. Tatsächlich ist das ausgemachte  Ziel von Moderna, irgendwann mit einer mRNA-Impfung im Herbst alle drei Infektionserkrankungen – Influenza, SARS-CoV-2 und RSV – abzudecken. Die Pipeline des Unternehmens verrät, dass Moderna einen mRNA-Impfstoffkandidaten gegen RSV (mRNA-1345) tatsächlich bereits in der klinischen Phase 1 untersucht, in der gleichen Phase befindet sich auch mRNA-1653, ein Impfstoffkandidat, der einen weiteren Atemwegserreger adressiert, das humane Metapneumonievirus. 

Warum will man mRNA-Grippeimpfstoffe? 

Von mRNA-Grippeimpfstoffen verspricht man sich eine bessere Wirksamkeit und leichtere und schnellere Herstellung, ist doch die Krux bei den bislang verfügbaren Grippeimpfstoffen ihre nur mäßige Wirksamkeit und eine langwierige Produktion. An beiden Punkten haben Grippeimpfstoffhersteller in den vergangenen Jahren bereits gearbeitet: So sollen Spezialgrippeimpfstoffe für ältere Menschen den Schutz in dieser Risikogruppe verbessern. Sanofi löst das mit Efluelda® durch einen hochdosierten Grippeimpfstoff (je vierfache Menge des Antigens), Seqirus setzt bei Fluad® Tetra auf einen Wirkverstärker (Adjuvans). Auch von Supemtek®, dem ersten rekombinant hergestellten Grippeimpfstoff, verspricht man sich eine bessere Wirksamkeit: Er enthält als Antigen „reines“ Hämagglutinin, das mithilfe von Insektenzellen hergestellt wird, anstatt – wie die klassischen Spaltimpfstoffe – Bruchstücke von Grippeviren. 

Auch ist die relativ lange Herstellungszeit ein Problem, die meisten Grippeimpfstoffe werden nach wie vor in Hühnereiern produziert, der Prozess dauert zwischen sechs bis neun Monaten – ein rasches Reagieren mit neuen Impfstoffen auf neu auftretende Grippevirusvarianten oder -mutanten macht dies fast unmöglich. Zudem bringt die eibasierte Herstellung ein weiteres Problem mit sich, züchtet man doch menschliche Grippeviren in einem Vogel, was dazu führt, dass sich die Influenzaviren diesem unpassenden Wirt anpassen. Die Folge dieser sogenannten Eiadaption ist, dass die Wirksamkeit leidet, da die auf die Impfung produzierten Antikörper nicht mehr optimal auf die tatsächlich zirkulierenden Grippeviren passen. 

Mit einer Phase-1-Studie zu einem mRNA-basierten Grippeimpfstoff findet sich Moderna in guter Gesellschaft mit Sanofi. Auch Sanofi verkündete vor wenigen Wochen den Start einer klinischen Phase-1-Studie. Allerdings unterscheiden sich die Grippeimpfstoffkandidaten von Moderna und Sanofi: Sanofi prüft derzeit zwei rein monovalente Vakzinen, das heißt, Impfstoffe gegen nur einen Grippevirusstamm. Hier entschied sich Sanofi für Influenza A(H3N2), da Grippesaisons mit dominierendem Influenza-A(H3N2)-Virus „tendenziell schwerwiegender“ verliefen, insbesondere für ältere Risikogruppen und jüngere Kinder, erklärt Sanofi dazu.

Modifizierte oder unmodifizierte mRNA? 

Sanofi schickt gleich zwei Kandidaten ins Rennen: MRT5400 und MRT5401. Diese unterscheiden sich in den Lipidnanopartikeln, die die mRNA einschließen. Wie auch Moderna prüft Sanofi in den Vereinigten Staaten, die 280 Teilnehmer sind zwischen 18 und 49 Jahre alt. Ziel der Studie ist es, für unterschiedliche Dosierungen die Wirksamkeit und Verträglichkeit der beiden Impfstoffkandidaten zu ermitteln. Noch 2021 rechnet Sanofi mit ersten Ergebnissen. Im Gespräch mit der Redaktion verriet Sanofi zudem, dass man – wie auch beim sich in der Entwicklung befindenden COVID-19-mRNA-Impfstoff – auf unmodifizierte mRNA setzt. 

Wie weit sind Biontech und Curevac? 

Auch Biontech forscht an mRNA-Impfstoffen gegen Grippe. Der Impfstoffkandidat BNT161 befindet sich in der präklinischen Phase, soll aber – wie der von Moderna – für die von der WHO empfohlenen Grippevirusstämme codieren. Und auch das Tübinger Unternehmen Curevac, das jüngst Schlagzeilen aufgrund der nur mäßigen Wirksamkeit seines COVID-19-Impfstoffs machte, entwickelt eine Grippevakzine auf mRNA-Basis: CV7301. Laut Curevac hat der Impfstoff bereits eine „starke und dauerhafte Immunogenität“ bei nichtmenschlichen Primaten (Affen) gezeigt, noch befindet sich CV7301 jedoch in der präklinischen Phase.